TE OGH 1965/1/13 7Ob305/64

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Veröffentlicht am 13.01.1965
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Norm

ABGB §886
Wohnungseigentumsgesetz §3
Wohnungseigentumsgesetz §4
Wohnungseigentumsgesetz §7

Kopf

SZ 38/3

Spruch

Der Grundsatz, daß bei Veräußerung eines Eigentumsanteils mit Wohnungseigentum der Formvorschrift des § 4 WEG. nicht mehr entsprochen werden müsse, gilt nur, wenn der entsprechende Eigentumsanteil samt Wohnungseigentum ungeteilt übertragen werden soll

Entscheidung vom 13. Jänner 1965, 7 Ob 305/64

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck

Text

Die Beklagte ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ. 620 II KG. P. gewesen. Sie verkaufte verschiedene Liegenschaftsanteile, die jeweils mit Wohnungseigentum verbunden waren.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe im Mai/Juni 1962 einen Liegenschaftsanteil im Ausmaß von 77/2930 an ihn verkauft. Mit diesem Anteil sei das Wohnungseigentum an der im 3. Stockwerk der östlichen Haushälfte gelegenen, aus zwei Zimmern, Küche, Bad, Speise- und Besenkammer, Vorraum, Kellerabteil und Balkon bestehenden Wohnung Nr. 18 verbunden. Da sich die Beklagte trotz Erhalt des Kaufpreises grundlos weigere, den mündlich rechtsgültig abgeschlossenen Kaufvertrag zuzuhalten und die zu einer Verbücherung notwendige Niederschrift des Vertrages zu unterzeichnen, begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen den im genauen Wortlaut aufgesetzten Vertrag zu unterfertigen. Die Beklagte bestritt die Verpflichtung und wendete ein, daß nach § 4 des Wohnungseigentumsgesetzes Wohnungseigentum nur durch schriftliche Vereinbarung aller Miteigentümer eingeräumt werden könne. Mundliche Abmachungen über die Einräumung von Wohnungseigentum seien unverbindlich und hätten nicht einmal die Rechtswirkungen eines Vorvertrages.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es teilte den Standpunkt der Beklagten, daß mangels Schriftlichkeit der behaupteten Vereinbarung der Streitteile über die Einräumung des Wohnungseigentums keine rechtliche Wirkung zukommen könne.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte aus, daß die besondere Formvorschrift des § 4 WEG. der Wichtigkeit des Vertragsinhaltes, den weittragenden Folgen der Begründung des Wohnungseigentums für alle Liegenschaftseigentümer, vor allem aber dem Umstande Rechnung tragen soll, daß das Wohnungseigentum gemäß § 5 WEG. im Grundbuch als Beschränkung des Eigentumrechts aller übrigen Eigentümer zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Anteiles, mit dem es verbunden ist, einzutragen sei. Sei das Wohnungseigentum gemäß den Bestimmungen des WEG. bereits begrundet und verbüchert, so könne aber der Wohnungseigentümer seine Wohnungs- und Geschäftseinheit gemäß § 1 (1) WEG. nicht nur ausschließlich nutzen, sondern auch über sie allein verfügen. Diese ausschließliche Verfügungsgewalt mache den Kern des Wesens des Wohnungseigentums aus. Der Wohnungseigentümer benötige zum Weiterverkauf seines mit dem Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteiles nicht der Zustimmung der anderen Liegenschaftsmiteigentümer. Das Erfordernis einer solchen Zustimmung stunde mit der alleinigen Verfügungsgewalt des Wohnungseigentümers in einem unlösbaren Widerspruch. Auch die Schriftform des Vertrages sei im Falle der Weiterveräußerung eines bereits begrundeten Wohnungseigentums nicht mehr notwendig, weil die besonderen Formvorschriften des § 4 WEG, auf Rechtsgeschäfte abgestellt seien, an denen zwingend alle Miteigentümer beteiligt sind. Bei der Weiterveräußerung seien aber nicht mehr alle Miteigentümer, sondern nur mehr der Veräußerer und der Erwerber als Vertragspartner nötig. Aus diesen Erwägungen ergebe sich, daß das Erfordernis der Schriftlichkeit des Vertrages für den Verkauf einer rechtlich bereits bestehenden Eigentumswohnung nicht gelte, sondern die hiefür in Betracht kommenden Rechtsgeschäfte von dem Grundsatz der Freiheit der Vertragsform beherrscht werden. Es sei daher zu prüfen, ob mit dem gegenständlichen Liegenschaftsanteil noch kein Wohnungseigentum verbunden gewesen sei, als der Anteil im Mai/Juni 1962 verkauft worden sein soll, oder ob ein solches bereits rechtsgültig bestanden hat. Durch Einsichtnahme in das Grundbuch ergebe sich, daß die Beklagte mit Vertrag vom 21. März 1957 erstmals eine Reihe von Liegenschaftsanteilen verkaufte, lt. Punkt I dieses Vertrages die Käufer die Erklärung der Beklagten zur Kenntnis nahmen, daß eine Wohnungseigentumsgemeinschaft gegrundet werde, in der jeder Miteigentümer einen den Vorentscheidungen des Stadtmagistrates I. entsprechenden Anteil samt den damit untrennbar verbundenen Rechten erhalten sollte, bestimmte in den genannten Bescheiden nach Lage und Größe genau bezeichnete und beschriebene Wohnungs- und Geschäftseinheiten ausschließlich zu nutzen und über sie allein verfügen. Jedem einzelnen Käufer wurde von der Beklagten und den anderen Käufern das sonach jedem gekauften Anteil entsprechende Wohnungseigentum eingeräumt. Schließlich wurde bestimmt, daß die restlichen, noch nicht verkauften Anteile vorläufig im Eigentum der Beklagten verbleiben und daß mit den der Beklagten verbleibenden ideellen Anteilen das Recht auf ausschließliche Nutzung und alleinige Verfügung über die nichtverkauften Wohnungs- und Geschäftseinheiten des gesamten Hauses verbunden sei. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes können diese Vertragsbestimmungen nur dahin verstanden werden, daß nicht nur den Käufern der Anteile, sondern auch der Verkäuferin hinsichtlich des nichtverkauften Liegenschaftsrestes Wohnungseigentum eingeräumt worden sei. Dementsprechend seien auch die grundbücherlichen Eintragungen erfolgt. Unter BOZ. 16a-16e sei das Miteigentum für fünf Käufer, unter C.OZ. 158 auf dem restlichen Liegenschaftsanteil der Beklagten BOZ. 13 und Anteile von jeweils vier der unter BOZ. 16a-16e neueingetragenen Miteigentümer die Beschränkung des Eigentumsrechtes durch das zwischen den Miteigentümern wechselseitig eingeräumte Wohnungseigentum gemäß Punkt I des Vertrages zugunsten jeweils eines der unter BOZ. 13 und BOZ. 16a-16e eingetragenen Miteigentümers einverleibt. Auch die Beklagte scheine daher grundbücherlich als Begünstigte der Wohnungseigentumsvereinbarung auf. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß das Wohnungseigentum gemäß Punkt I des Vertrages nur bei den Käufern unter BOZ. 16a-16e, nicht aber bei der Verkäuferin unter BOZ. 13 ersichtlich gemacht wurde. Nur die nach § 11 (1) AllgGAG. im Lastenblatt zugunsten des Wohnungseigentümers als Last der den übrigen Miteigentümern gehörigen Anteile einverleibte Beschränkung sei die rechtserzeugende Eintragung, die zur Erzielung der dinglichen Rechtswirkung erforderlich sei. Das Wohnungseigentum der Beklagten an den seinerzeit nicht verkauften, sondern in ihrem Eigentum verbliebenen Liegenschaftsanteilen sei durch die Einverleibung in COZ. 158 ungeachtet des Fehlens der Anmerkung in BOZ. 13 rechtswirksam verbüchert worden. Die Kaufabreden zwischen dem Kläger und der Beklagten bezogen sich daher nicht auf eine rechtlich erst zu begrundende, sondern auf eine bereits eingeräumte und rechtlich bestehende Eigentumswohnung. Ein schriftlicher Vertrag hierüber sei daher nicht notwendig gewesen. Es sei vielmehr zu prüfen gewesen, ob die behaupteten bindenden Abmachungen zwischen den Streitteilen tatsächlich getroffen worden seien und ob sie inhaltlich mit dem Wortlaut des in das Klagebegehren aufgenommenen Vertragstextes übereinstimmen. Das das Klagebegehren abweisende Ersturteil sei daher aufzuheben gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof vermag den Erwägungen des Berufungsgerichtes, wonach im vorliegenden Fall das Formerfordernis der Schriftlichkeit nach § 4 WEG. nicht bestanden habe, nicht zu folgen. Auch unter der Annahme, daß die Beklagte bereits Wohnungseigentum hinsichtlich ihres Eigentumsanteils erworben hat, bedurfte der Vertrag, mit welchem sie dem Kläger einen mit Wohnungseigentum verbundenen Anteil veräußerte, der Schriftform aus folgender Erwägung: Solange das Wohnungseigentum besteht, darf der Miteigentumsanteil des Wohnungseigentümers nur ungeteilt übertragen werden (§ 7). Daraus wurde gefolgert, es dürfe bei Bestand des Wohnungseigentums auch der das Mindestmaß übersteigende Teil des Miteigentumsanteils (§ 2 WEG.) nicht abgesondert werden und es sei die Verwertung dieses Übermaßes zur Begründung neuen Wohnungseigentums nur in der Form möglich, daß das bestehende Wohnungsrecht gelöscht, dann Teilung des Anteils vorgenommen und neue Wohnungseigentumsrechte eingetragen werden. Das gleiche sollte gelten, wenn das Wohnungseigentum an mehreren selbständigen Objekten mit einem Anteil verbunden wurde, so daß eine Teilung des Anteiles und des Wohnungseigentums in einer den Vorschriften der §§ 1 und 2 entsprechenden Weise möglich wäre (Borotha, Wohnungseigentum, S. 33 f.). Gegen diese Ansicht hat allerdings Klang (Komm.[2] III 1156) Stellung genommen. Nach seiner Ansicht soll die Bestimmung des § 7 in dem Sinne eingeschränkt werden, daß es nicht notwendig sei, das alte Wohnungseigentum zu löschen, dann die Teilung des Miteigentums durchzuführen und hierauf das neu bestellte Wohnungseigentum neu einzutragen. Es könne vielmehr der das Mindestmaß des § 2 überschreitende Teil des Miteigentumsanteils durch Teilung abgetrennt und zur Errichtung eines neuen Wohnungseigentums verwendet werden. Ob die eine oder andere Ansicht richtig ist, kann hier dahingestellt bleiben. Nach beiden Meinungen ergibt sich aber jedenfalls: nach § 3 WEG. ist das Wohnungseigentum mit dem Miteigentumsanteil untrennbar verbunden. Der Miteigentumsanteil der Beklagten ist mit einem Wohnungseigentum verbunden, das mehrere Objekte enthält, von denen jedes die Eignung besitzt, als Wohnungseigentum für sich bestehen zu können. Wenn nunmehr der ganze Miteigentumsanteil nicht als Einheit, sondern nur ein solches Objekt mit dem dazugehörigen Miteigentumsanteil veräußert wird, entsteht damit ein neues Wohnungseigentum unabhängig von dem bisher bestandenen Wohnungseigentum des Veräußerers. Das ursprüngliche Wohnungseigentum der Beklagten ist daher nicht identisch mit dem Wohnungseigentum, das der Kläger begehrt. Der Grundsatz, daß bei Veräußerung eines Eigentumsanteils mit Wohnungseigentum der Formvorschrift des § 4 WEG. nicht mehr entsprochen werden müsse, gilt daher nur, wenn der entsprechende Eigentumsanteil samt Wohnungseigentum ungeteilt übertragen werden soll. Nur in diesem Fall bedarf es nicht der Begründung eines neuen Wohnungseigentums.

Die Beklagte hat aber auch mit Recht auf die Vertragsbestimmung des Punktes VII hingewiesen, in der die Verpflichtung des Klägers zur Einräumung des Wohnungseigentums an bestimmten Grundflächen der Liegenschaft festgehalten ist. Nach § 1 (2) WEG. können mit Wohnungen (Geschäftsräumen) auch u. a. Hausgärten, Garagen und andere Teile der Liegenschaft im Wohnungseigentum stehen, wenn sie unmittelbar zugänglich und deutlich abgegrenzt sind. Auch diese Vertragsverpflichtung, die in das Klagebegehren aufgenommen wurde, zielt auf die Einräumung von Wohnungseigentum ab und bedarf daher der Schriftform des § 4 WEG.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren mangels der erforderlichen Schriftform der Vereinbarung mit Recht abgewiesen. Dem Rekurs der Beklagten war daher Folge zu geben, der angefochtene Aufhebungsbeschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers unter Zugrundelegung der im vorstehenden ausgesprochenen Rechtsansicht aufzutragen.

Anmerkung

Z38003

Schlagworte

Schriftform, Veräußerung von Wohnungseigentum, Veräußerung von Wohnungseigentum, Schriftform, Wohnungseigentum Veräußerung von -, Schriftform

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0070OB00305.64.0113.000

Dokumentnummer

JJT_19650113_OGH0002_0070OB00305_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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