TE OGH 1965/2/8 7Ob27/65

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Veröffentlicht am 08.02.1965
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Norm

ABGB §163
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §12
Haager Unterhaltsstatutabkommen, BGBl. Nr. 293/1961 Art1

Kopf

SZ 38/21

Spruch

Wenn die Frage der Vaterschaft als Vorfrage für die Entscheidung über den Unterhalt zu klären ist, ist hiebei ebenfalls das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes maßgebend (Art. 1 Haager Unterhaltsstatutabkommen, BGBl. Nr. 293/1961)

Der Unterhaltsanspruch ist im streitigen Verfahren geltend zu machen

Entscheidung vom 8. Februar 1965, 7 Ob 27/65

I. Instanz: Bezirksgericht Kitzbühel; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck

Text

Mit der vorliegenden Klage wird das Urteil begehrt, der Beklagte sei als Vater des von Emma Sp. außer der Ehe geborenen Kindes Margit Anna Sp. anzusehen und schuldig, dem Kind einen monatlichen Unterhalt von 300 S zu bezahlen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte gab zwar zu, innerhalb der kritischen Zeit zweimal mit der Kindesmutter geschlechtlich verkehrt zu haben, brachte aber vor, seine Vaterschaft sei aus biologischen Gründen ausgeschlossen. Das Erstgericht stellte fest, die Kindesmutter habe im Zeitpunkt der Geburt des Kindes die italienische Staatsbürgerschaft besessen, inzwischen aber mit dem Kind die österrreichische Staatsbürgerschaft erlangt. Der Beklagte sei auch jetzt noch italienischer Staatsbürger. Der gewöhnliche Aufenthaltsort der klagenden Partei sei St. J. in T. Bei der Feststellung der außerehelichen Vaterschaft sei gemäß § 12 der 4. DVzEheG. das Recht jenes Staates anzuwenden, dem die Mutter im Zeitpunkt der Geburt angehört habe, also italienisches Recht. Danach könne die natürliche Vaterschaft gerichtlich nur festgestellt werden, wenn die Mutter und der angebliche Vater offenkundig wie Ehegatten zusammengelebt haben, wenn sich die Vaterschaft mittelbar aus einem Zivil- oder Strafurteil ergebe oder aus einer unzweideutigen Erklärung des angeblichen Vaters, wenn Raub oder Notzucht zur Zeit der Empfängnis festgestellt sei oder wenn der Besitz des Personenstandes eines natürlichen Kindes vorliege. Alle diese Voraussetzungen habe die klagende Partei nicht bewiesen. Die Frage der Unterhaltsverpflichtung richte sich allerdings nach österreichischem Recht, weil Art. 1 des Haager Unterhaltsstatutabkommens dies bestimme. Die Vorfrage der außerehelichen Vaterschaft sei aber nach italienischem Recht zu beurteilen. Da nach diesem Recht eine Feststellung der Vaterschaft des Beklagten nicht möglich sei, treffe ihn auch keine Unterhaltsverpflichtung.

Das Berufungsgericht hob das Urteil unter Vorbehalt der Rechtskraft auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Es führte aus, nach Art. 1 des Haager Unterhaltsstatutabkommens solle das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes dafür entscheidend sein, ob, in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhalt begehren könne. Demnach seien jeweils die gesamten Voraussetzungen für das Bestehen eines Unterhaltsanspruches nach diesem Recht zu beurteilen. Dazu gehöre auch die Vorfrage, ob der zur Unterhaltsleistung Heranzuziehende als außerehelicher Vater des Kindes zu gelten habe. Nach Art. 5 (2) des genannten Abkommens können die danach gefällten Entscheidungen den Fragen der Abstammung und der Familienbeziehungen zwar nicht vorgreifen, damit solle aber nur der Anwendungsbereich des Abkommens abgegrenzt werden. Auf dem Gebiet der Unterhaltsverpflichtung sei die allgemeine innerstaatliche Kollisionsnorm des § 12 der 4. DVzEheG. durch die speziellere Norm des Art. 1 des Unterhaltsstatutabkommens ersetzt worden. Bei Feststellung der außerehelichen Vaterschaft müsse allerdings zum Ausdruck gebracht werden, daß die Feststellung nur für den Unterhaltsanspruch Wirkung habe. Die Feststellung habe aber nach österreichischem Recht zu erfolgen. Da das Erstgericht die Voraussetzungen des § 163 ABGB. nicht geprüft habe und die Einwendungen des Beklagten außer acht gelassen habe, sei das Verfahren mangelhaft geblieben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Art. 1 des Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht, BGBl. 1961, Nr. 293 (Haager Unterhaltsstatutabkommen), besagt, daß das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes bestimme, ob, in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhaltsleistungen verlangen könne. Ob im vorliegenden Fall das außereheliche Kind Unterhalt verlangen kann, ist nicht strittig. Strittig ist nur die Frage, wie die Worte "von wem" des Abkommens auszulegen sind. Der Meinung des Erstgerichtes, diese Worte bezögen sich nur auf die Bestimmung des § 166 (2) ABGB., also auf die bloße Reihenfolge der unterhaltspflichtigen Person, kann nicht beigestimmt werden. § 166 ABGB. bestimmt im ersten Absatz, daß auch ein uneheliches Kind das Recht habe, von seinen Eltern Unterhalt zu fordern. Wer die Eltern, insbesondere also der Vater des Kindes ist (über die Mutter besteht in der Regel kein Zweifel) bestimmt § 163 ABGB. Beide Bestimmungen müssen daher zusammen und nicht getrennt angewendet werden. Danach ist die Frage, von wem das außereheliche Kind Unterhalt zu fordern hat, dahin zu beantworten, daß es ihn vorzüglich vom Vater, also dem Mann, von dem nach § 163 ABGB. vermutet wird, daß er das Kind erzeugt habe, verlangen könne. Daraus ergibt sich, daß nach Art. 1 des Haager Unterhaltsstatutabkommens auch die Frage der Vaterschaft, wenn sie für die Unterhaltsleistung geklärt werden muß, nach dem Recht des Aufenthaltsortes des Kindes zu lösen ist. Es ist ja der Zweck des Übereinkommens, einen Einklang der Entscheidungen herbeizuführen, und zwar in der Weise, daß unabhängig davon, in welchem Staat der Prozeß anhängig gemacht wird, für die Entscheidung dieser Fragen immer das Recht des Aufenthaltsstaates des Kindes maßgebend sein soll, gleichgültig, ob dessen innerstaatliche Kollisionsnormen etwas anderes bestimmen. Diesem innerstaatlichen Kollisionsnormen wurde durch das Abkommen ausdrücklich derogiert (so auch 6 Ob 139/63, Scheucher ZfRV. 1963 S. 82 f., Sedlacek ZfRV. 1963 S. 239 f.). Durch das Abkommen sollte offenkundig das Kind, soweit es seine Unterhaltsansprüche betrifft, den anderen Kindern im gleicher Lage des Aufenthaltsstaates gleichgestellt werden und es sollte vermieden werden, daß die Frage, ob, von wem und welchen Unterhalt ein Kind bekommt, davon abhängig ist, in welchem Land der Rechtsstreit anhängig gemacht werden muß. Hält sich das Kind etwa in Deutschland auf, so ist nicht nur hinsichtlich der Frage der Höhe des Unterhalts und der Dauer des Unterhaltsanspruches, sondern auch hinsichtlich der Frage, wer unterhaltspflichtig ist, deutsches Recht anzuwenden, gleichgültig, wo der Rechtsstreit ausgetragen wird und ob die Kollisionsnormen dieses Staates etwa bei der Frage der Vaterschaft auf ein anderes Recht verweisen. Wird der Rechtsstreit in Österreich anhängig gemacht, kann daher nicht auf die Bestimmung des § 12 der

4. DVzEheG. zurückgegriffen werden, sondern es ist auch bei der Frage der Vaterschaft deutsches Recht anzuwenden. Dieses Recht ist von jedem Gericht anzuwenden, gleichgültig, wo der Rechtsstreit ausgetragen wird. Es ist daher Scheucher (JBl. 1964 S. 450 f., ZfRV. 1963, S. 82 f.) und Sedlacek (a. a. O.) beizustimmen, daß der gesamte Fragenkomplex des Bestehens des Unterhaltsanspruches nach dem Recht zu beurteilen ist, das nach dem Haager Unterhaltsstatutabkommen anzuwenden ist, gleichgültig wie diese Fragen nach dem anwendbaren Recht qualifiziert werden.

Wenn daher für das Bestehen des Unterhaltsanspruches nach dem anzuwendenden Recht die Feststellung der Vaterschaft oder der Abstammung Voraussetzung ist, wie das in Österreich der Fall ist, dann ist für die Frage der Unterhaltsfestsetzung auch diese Frage nach den vom Abkommen bezeichneten Sachnormen des Aufenthaltsstaates zu lösen. Die Bestimmung des Art. 5 (2) des Abkommens steht dem nicht entgegen, denn die im Unterhaltsverfahren getroffene Feststellung der Vaterschaft oder Abstammung hat außerhalb dieses Verfahrens keine Wirkung, sie soll vielmehr nur der Feststellung des Unterhaltsschuldners dienen, also tatsächlich eine Art Zahlvater feststellen, wie aus den im Art. 5 (2) verwendeten Ausdrücken "Schuldner" und "Gläubiger" zu entnehmen ist. Wenn auch dem österreichischen Recht die Form der Zahlvaterschaft unbekannt ist, so widerspricht sie doch nicht der ordre public, die nach dem Abkommen nur in besonders krassen Fällen zu berücksichtigen ist (Art. 4). Das kann zwar dazu führen, daß in einem reinen Vaterschaftsfeststellungsstreit, bei dem weiterhin die innerstaatlichen Kollisionsnormen, in Österreich also § 12 der 4. DVzEheG., anzuwenden sind, die Frage der Vaterschaft anders entschieden wird, als in einem Unterhaltsstreit. Diese mögliche Divergenz innerstaatlicher Entscheidungen wird aber vom Abkommen bewußt in Kauf genommen, um eine zwischenstaatliche Einheitlichkeit auf dem Gebiet des Unterhaltsrechtes herbeizuführen. Gerade aus der Bestimmung des Art. 5 (2) des Unterhaltsstatutabkommens ergibt sich, daß nach dem Sinn des Abkommens bei der Entscheidung über Unterhaltsforderungen allenfalls auf Fragen der Vaterschaft zu lösen sind, und zwar nach Art. 1 nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes, denn sonst, wäre diese Bestimmung überflüssig. Ein Vaterschaftsurteil im Sinn des § 163 ABGB. mit familienrechtlichen Wirkungen kann aber im Rahmen des Unterhaltsverfahrens nicht ergehen, es wird daher ein Begehren auf Feststellung der Vaterschaft im Urteilsspruch abzuweisen sein. Der Einwand der beklagten Partei, es müßte dann im außerstreitigen Verfahren entschieden werden, ist nicht begrundet, denn es ist ja nicht nur die Frage der Höhe des Unterhaltes zu klären (die im vorliegenden Fall nicht strittig ist), sondern auch die grundsätzliche Frage der Unterhaltsverpflichtung (§ 16 1. Teilnov.). Aus den sehr dürftigen Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage über das Haager Unterhaltsstatutabkommen, 514 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates VIII, GP., kann für die Ansicht der beklagten Partei nichts entnommen werden. Wenn darin auch gesagt wird, daß das Abkommen insbesondere zur Beurteilung der Höhe der Unterhaltsleistung das zweckmäßigste Instrument darstelle, so wird damit nicht gesagt, daß es nicht auch zur Lösung der nötigen Vorfragen dienen solle.

Es ist dem Berufungsgericht daher beizustimmen, daß im vorliegenden Fall auch die Frage der außerehelichen Vaterschaft nicht nach den Kollisionsnormen des § 12 der 4. DVzEheG. zu lösen ist, also nicht nach italienischem Recht, sondern nach den Bestimmungen des § 163 ABGB. Die Aufhebung des Ersturteils erfolgte daher zu Recht.

Anmerkung

Z38021

Schlagworte

Außerehelicher Vater, Unterhaltspflicht, anzuwendendes Recht, Haager Unterhaltsstatutabkommen, Unterhaltspflicht des außerehelichen Vaters, anzuwendendes Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0070OB00027.65.0208.000

Dokumentnummer

JJT_19650208_OGH0002_0070OB00027_6500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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