TE OGH 1966/3/31 1Ob67/66

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Veröffentlicht am 31.03.1966
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Norm

Amtshaftungsgesetz §1
Wasserrechtsgesetz §26
Wasserrechtsgesetz §74 (2)

Kopf

SZ 39/61

Spruch

Schadenersatzanspruch des Fischereipächters gegen eine Wassergenossenschaft wegen Nichtverhinderung von Eisstauungen und Unterlassung der Treibeisentfernung ist kein Amtshaftungsanspruch, da es sich um eine Angelegenheit der Wirtschaftsverwaltung handelt

Entscheidung vom 31. März 1966, 1 Ob 67/66

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Die Kläger brachten im vorliegenden Prozeß vor, sie seien Fischereipächter im Gebiet der Traisen; sie belangten mit ihrer Klage den Wehrverband H. - und zwar beim Kreisgericht St. Pölten - auf Zahlung von 60.000 S samt Anhang als Ersatz des Schadens, den ihnen dieser am Fischbestand schuldhaft zugefügt habe. Zur Begründung dieses Anspruches machten die Kläger geltend, daß es die beklagte Partei verabsäumt habe, Vorkehrungen zur Verhinderung von Eisstauungen in dem von ihr als "Wasserwerksgenossenschaft" zu betreuenden Gebiet zu treffen; deshalb sei es im Jänner 1963 tatsächlich zu Eisstauungen gekommen, die zunächst zur Ableitung des Werksbachwassers über einen Ablaßgraben zur Traisen geführt haben; dadurch allein wäre den Klägern freilich noch kein Schaden erwachsen, weil die von ihnen bewirtschafteten Werksbachstrecken weiterhin genügend Wasser geführt haben; die beklagte Partei habe es aber auch pflichtwidrig unterlassen, den erwähnten Ablaßgraben zur Traisen ordnungsgemäß instandzuhalten und habe nicht für die Weiterbeförderung des Treibeises durch diesen Ablaßgraben gesorgt; dadurch sei es wieder zu erheblichen Eisstauungen gekommen, die zu einer Überflutung der Au geführt und die Gefahr einer Überschwemmung heraufbeschworen haben; auf diese Gefahren sei die beklagte Partei rechtzeitig aufmerksam gemacht worden, habe aber trotzdem nichts unternommen; schließlich sei die zuständige "Wasserwerksgenossenschaft" gezwungen gewesen, am 16. Jänner 1963 den linksseitigen Werksbach abzusperren, um die Gefahr einer Überflutung der Ortschaft N. zu bannen und weitere Schäden zu verhindern; infolge dieser nur auf das grob fahrlässige Verhalten der beklagten Partei zurückzuführenden Sperre des Zuflusses sei das im Werksbach verbliebene Restwasser rasch bis zum Gründe gefroren und der ganze Fischbestand der Kläger trotz aller Rettungsversuche vernichtet worden.

Die beklagte Partei bestritt die Aktivlegitimation der Kläger, ebenso die Berechtigung der gegen sie erhobenen Vorwürfe und machte geltend, der Schaden sei auf höhere Gewalt zurückzuführen.

Im ersten Rechtsgang wies der Erstrichter das Klagebegehren aus materiell-rechtlichen Gründen ab, doch wurde seine Entscheidung vom Berufungsgericht gemäß § 496 (1) Z. 1 und 2 ZPO. aufgehoben. Dabei bezeichnete letzteres u. a. auch die Frage der wasserrechtlichen Stellung der beklagten Partei als aufklärungsbedürftig, zumal sich die Kläger auf die Bestimmungen der §§ 26 und 50 WRG. 1959 gestützt haben.

Der Erstrichter sprach nun im zweiten Rechtsgang nach weiteren Beweisaufnahmen seine absolute Unzuständigkeit aus, erklärte das gesamte bisher durchgeführte Verfahren für nichtig und wies die Klage zurück. Er begrundete diesen Beschluß unter Heranziehung der Statuten der beklagten Partei und der sie betreffenden Wasserbuchseintragung im wesentlichen damit, daß die Kläger in Wahrheit einen Amtshaftungsanspruch geltend machten; als Wassergenossenschaft sei die beklagte Partei eine sich selbst verwaltende Körperschaft des öffentlichen Rechtes; das ihren Organen statutenmäßig aufgetragene Handeln erfolge in Ausübung der Hoheitsverwaltung; zur Entscheidung über die erhobenen Schadenersatzansprüche sei gemäß dem § 9 (1) und 2 AHG. nicht das Kreisgericht St. Pölten, sondern ein Senat des Landesgerichtes für ZRS. Wien ausschließlich zuständig.

Infolge Rekurses der Kläger hob die zweite Instanz diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Das Rekursgericht war gleich dem Prozeßgericht der Ansicht, daß an sich auch auf Wassergenossenschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechtes (§ 74 (2) WRG. 1959) die Haftpflichtbestimmungen des § 1 AHG. anwendbar seien; darnach hafte der Rechtsträger aber nur für eine Schadenszufügung, die "in Vollziehung der Gesetze", also im Bereich der Hoheitsverwaltung erfolgt sei; als Kriterium der Hoheitsverwaltung könne gelten, daß die Organe der Körperschaften des öffentlichen Rechtes auf Grund gesetzlicher Bestimmungen entscheidend oder verfügend auftreten und der Staatsbürger sich diesen Anordnungen zu unterwerfen habe; die beklagte Partei handle nun bei der Instandhaltung der Anlagen, mögen sich diese auch auf öffentliche Gewässer beziehen, als Trägerin von Vermögensrechten und setze privatwirtschaftliche Maßnahmen; sie stehe hierbei nicht in einem übergeordneten Verhältnis zu den Klägern, sondern als gleichgeordnetes Glied der staatlichen Gemeinschaft mit diesen im privaten Rechtsverkehr; darauf stütze sich auch die vorliegende Klage, die ausdrücklich auf die Haftung der beklagten Partei gemäß dem § 26 WRG. 1959 hinweise.

Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Zulässigkeit des Revisionsrekurses anlangt, so steht ihr die Bestimmung des § 45 (1) JN. nicht entgegen. Es fällt zwar nicht ins Gewicht, daß die Entscheidung, mit der die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ausgesprochen wurde, nicht vom Erstgericht, sondern vom Rekursgericht stammt (vgl. SpR. 265 u. a.); allein im Vordergrund steht hier nicht die Frage, ob das angerufene Gericht oder ein anderes der im § 1 JN. genannten Gerichte sachlich zuständig ist, sondern ob die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes zur Anwendung kommen, wonach die Geltendmachung von bestimmten Schadenersatzansprüchen gegen öffentlichrechtliche Körperschaften von bestimmten Voraussetzungen abhängig und zur Entscheidung über die Klage die ausschließliche Zuständigkeit der Landesgerichte gegeben ist. Auf die Entscheidung über diese, eine individuelle, die sachliche und örtliche Zuständigkeit betreffende Frage kann die Bestimmung des § 45 (1) JN. nicht angewendet werden (vgl. Fasching, Anm. 3 zu § 45 JN., JBl. 1957 S. 321 f. und 8 Ob 52/64).

Der Revisionsrekurs ist aber auch nicht etwa nach § 527 (2) ZPO. ausgeschlossen, weil der Beschluß des Rekursgerichtes nicht eine Aufhebung des Beschlusses der ersten Instanz zum Zwecke der neuerlichen Entscheidung über denselben Gegenstand, sondern tatsächlich eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung über die Zuständigkeit des Erstgerichtes darstellt.

Der Revisionsrekurs ist also zulässig, aber nicht begrundet.

Bei der Prüfung der Frage, ob es sich bei dem geltend gemachten Anspruch, der von den Klägern unter Hinweis auf die im § 26 (6) WRG. 1959 normierte Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte erhoben worden ist, um einen solchen nach dem Amtshaftungsgesetz handelt, ist davon auszugehen, daß es die beklagte Partei schuldhaft und rechtswidrig unterlassen haben soll, Vorkehrungen zur Verhinderung von Eisstauungen in ihrem Wassernutzungsgebiet zu treffen, und daß sie es zudem versäumt haben soll, den zur Traisen führenden Ablaßgraben ordentlich instand zu halten und für die Weiterbeförderung des in diesen Graben gelangten Treibeises zu sorgen.

Gemäß dem § 1 AHG. ist es eine Voraussetzung seiner Anwendbarkeit, daß die Organe der belangten Körperschaft bei der Schadenszufügung in Vollziehung der Gesetze gehandelt haben, worunter im Sektor der Verwaltung nur der Bereich der Hoheitsverwaltung zu verstehen ist. Im Gegensatz dazu steht die Wirtschaftsverwaltung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, welche mit der herrschenden Lehre (Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechtes, 5. Aufl. S. 8 ff.) im Einklang steht, ist das maßgebliche Merkmal der Wirtschaftsverwaltung darin zu erblicken, daß hier eine rechtliche Gleichordnung der Körperschaft öffentlichen Rechtes gegenüber den anderen Rechtssubjekten besteht und daß keine Befehls- und Zwangsgewalt gegeben ist (1 Ob 355/60 = ZVR. 1961 Nr. 179, Loebenstein - Kaniak, Kommentar zum AHG., S. 44; SZ. XXVII 256, Melichar, Zur Problematik der Privatwirtschaftsverwaltung, JBl. 1956 S. 429, SZ. X 138, 6 Ob 15/64 u. v. a.).

Wird das Vorbringen der Kläger nach diesen Gesichtspunkten beurteilt, dann zeigt sich, daß die beklagte Partei in ihrer Eigenschaft als Wasserberechtigte den Schaden durch Nichterfüllung der ihr kraft Gesetzes (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1956, Slg. 4151/A) obliegenden, im § 50 WRG. 1959 geregelten Instandhaltungspflicht schuldhaft herbeigeführt haben soll. Nach dem Vorbringen der Kläger hat es die beklagte Partei versäumt, der ihr gleichzeitig mit der Verleihung des Wassernutzungsrechtes gesetzlich auferlegten Instandhaltungspflicht nachzukommen. Die Instandhaltungspflicht trifft alle Wasserberechtigten unter der Voraussetzung, daß es sich um eine genehmigte Wasseranlage handelt und keine rechtsgültigen Verpflichtungen anderer bestehen, in gleicher Weise.

Der Umstand, daß einerseits die Wasserrechtsbehörde einen wasserpolizeilichen, den Titel für eine Vollstreckungsverfügung nach § 4 VVG. 1950 (Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1950, BGBl. Nr. 172/1950) bildenden Auftrag zur Nachholung unterlassener Arbeiten erteilen kann (§ 138 (2) WRG. 1959), und andererseits die Verletzung der Instandhaltungspflicht unbeschadet einer allfälligen strafgerichtlichen Ahndung von der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen ist (§ 137 WRG. 1959), beweist nicht nur die Gleichordnung der beklagten Partei mit anderen, den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes unterworfenen Rechtssubjekten, es wird damit auch klargestellt, daß sie selbst hinsichtlich der ihr in der Klage zum Vorwurf gemachten Versäumnisse der Befehls- und Zwangsgewalt der Wasserrechtsbehörde untersteht, eine solche aber nicht den Klägern gegenüber ausüben könnte. Es ist weder behauptet worden noch ein Anhaltspunkt dafür hervorgekommen, daß diese Mitglieder der beklagten Genossenschaft wären.

Insoweit der Revisionsrekurs glaubt, in der am 16. Jänner 1963 erfolgten Sperre des Werksbaches einen in das Gebiet der Hoheitsverwaltung fallenden Verwaltungsakt erblicken zu können, kann er für seinen Standpunkt deshalb nichts gewinnen, weil diese Anordnung nach dem Klagevorbringen nicht von der beklagten Partei, sondern von der zuständigen "Wasserwerksgenossenschaft" getroffen worden ist, von der beklagten Partei allerdings verschuldet worden sein soll.

Dem Rekursgericht ist demnach darin beizupflichten, daß weder das Amtshaftungsgesetz noch sonstige Vorschriften der Verfolgung des erhobenen, ausdrücklich auf § 26 WRG. 1959 gestützten Schadenersatzanspruches vor dem angerufenen Gericht entgegenstehen, sodaß dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Anmerkung

Z39061

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0010OB00067.66.0331.000

Dokumentnummer

JJT_19660331_OGH0002_0010OB00067_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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