TE OGH 1969/12/3 5Ob270/69

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Veröffentlicht am 03.12.1969
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Norm

Mietengesetz §21 (2)

Kopf

SZ 42/182

Spruch

Bei der Berechnung des Mietzinsrückstandes im Fall eines wertgesicherten Mietzinses sind die gleichen Grundsätze anzuwenden wie bei Geldschulden in fremder Währung.

Entscheidung vom 3. Dezember 1969, 5 Ob 270/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Dornbirn; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.

Text

Das Erstgericht entschied in einem auf § 19 (2) Z. 1 MietG. gestützten Kündigungsprozeß im Sinne des § 21 (2) vorletzter Satz MietG., daß die Höhe des vom Beklagten bis einschließlich 30. November 1968 geschuldeten Mietzinses 31.118 S und der monatliche Mietzins ab 1. Juni 1968 3360 S betrage. Dazu stellte das Erstgericht fest, daß der vereinbarte Mietzins zunächst 166.67 RM betragen habe, wobei es den Vermietern im Fall einer Geldentwertung frei stehen solle, anstelle dieses Betrages monatlich 800 l Milch bester Qualität zu verlangen. Es sei in diesem Rechtsstreit mit Zwischenurteil erkannt worden, daß diese Vereinbarung weder nichtig noch rechtsunwirksam sei. Die Parteien hätten sich darauf geeinigt, diese Vereinbarung dahin auszulegen, daß der Beklagte als Mietzins den entsprechenden Gegenwert von 800 l Milch bester Qualität zu leisten habe. Außer Streit stehe, daß der Beklagte vom Mai 1961 bis zum 30. November 1967 einen monatlichen Mietzins von 500 S und seither einen solchen von 2400 S gezahlt habe. Außerdem habe der Beklagte am 29. November 1967 einen Betrag von 68.400 S und am 18. Mai 1968 einen weiteren Betrag von 44.784 S auf den Rückstand gezahlt. Es sei nicht richtig, daß die Kläger die Zinszahlungen des Beklagten bis zum Jahr 1965 vorbehaltlos als Tilgung der monatlichen Zinsschuld angenommen hätten; vielmehr hätten sie zumindest seit dem Jahr 1958 stets auf der Zahlung des entsprechend der vereinbarten Wertsicherung aufgewerteten Mietzinses bestanden. Bei der Berechnung des Mietzinsrückstandes seien die innerhalb der letzten drei Jahre vor der Einbringung der Aufkündigung (26. November 1964) fällig gewordenen Mietzinse zu berücksichtigen, obwohl sie inzwischen verjährt seien. Außerdem sei die Berechnung bis zum Tag der Entscheidung des Erstgerichtes (30. November 1968) anzustellen. Für die folgende Zeit könne nur der jeweils monatlich geschuldete Mietzins festgestellt werden. Unter "Milch bester Qualität" im Sinne der Vereinbarung sei die offene, molkereimäßig behandelte Vollmilch zu verstehen, deren Kleinverkaufspreis in der kritischen Zeit (26. November 1961 bis 30. November 1967) von 2.30 S auf 4.20 S pro Liter gestiegen sei.

Das Erstgericht errechnete sohin den Mietzinsrückstand in der Weise, daß es in den einzelnen Jahren der kritischen Zeit die Menge der als Mietzins geschuldeten Milch mit dem jeweiligen Literpreis vervielfachte und vom Produkt die geleisteten Zahlungen des Beklagten in Abzug brachte. Die Summe der Differenzen ergebe einen Betrag von 144.302 S. Hievon zog das Erstgericht die außer Streit stehenden Nachzahlungen des Beklagten von zusammen 113.184 S ab und gelangte so zu dem festgestellten Mietzinsrückstand von 31.118 S. Zur Behauptung der Kläger, daß die Mietzinsvereinbarung der Streitteile nicht bloß eine Wertsicherung bis zum Fälligkeitstag vorsehe, sondern daß "als vereinbart gelte", bei verspäteter Zahlung die Wertsicherung bis zum Tag der effektiven Zahlung anzuwenden, führte das Erstgericht aus, daß eine solche Vereinbarung sich weder im Vertrag finde noch im Verfahren Beweise für diese Auslegung der Vereinbarung hervorgekommen seien. Im übrigen ergebe sich aus dieser Behauptung der Kläger, daß sie Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Mietzinszahlung geltend machten; solche Ansprüche seien aber nicht bei der Feststellung des Mietzinsrückstandes, der nur die Differenz zwischen dem am Fälligkeitstag jeweils geschuldeten Mietzins und den tatsächlichen Zahlungen umfasse, zu berücksichtigen.

Während der Beklagte diesen Beschluß unangefochten ließ, erhoben die Kläger dagegen Rekurs, in dem sie nur gegen die Ausführungen des Erstgerichtes in der Frage der Berechnung des Mietzinsrückstandes Stellung nehmen. Es sei, so meinten die Rekurswerber, die vereinbarte Wertsicherung nicht nur bis zum jeweiligen Fälligkeitstag der einzelnen Mietzinsbeträge zu berücksichtigen, sondern der Zahlungstag sei dafür maßgebend, welcher Milchpreis der Berechnung zugrunde zu legen sei. Ausgehend von den vom Erstgericht ermittelten Rückstandbeträgen, müsse deshalb zusätzlich als Aufwertungsfaktor die Differenz auf den Milchpreis im Jahr 1967 (4 S pro Liter) und schließlich noch eine 5%ige Aufwertung des Endbetrages berücksichtigt werden, weil nunmehr der Milchpreis 4.20 S pro Liter betrage. Auf diese Weise errechneten die Kläger einen Rückstand von 96.835.30 S, auf welchen Betrag sie den erstgerichtlichen Beschluß abzuändern beantragten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs teilweise Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der Mietzinsrückstand des Beklagten bis zum 30. November 1968 mit 81.595.78 S festgestellt wurde. Das Rekursgericht schloß sich der Auffassung der Rekurswerber an, daß infolge der gültig vereinbarten Wertsicherung des geschuldeten Mietzinses der Gläubiger im Verzugsfall den Preis des Zahlungstages verlangen könne. Allerdings seien, so führte das Rekursgericht aus, auch die einzelnen vom Beklagten laufend monatlich als Mietzins geleisteten Zahlungen für den betreffenden Monat in die nach dem zur Zeit der Zahlung geltenden Konsumentenmilchliterpreis geleisteten Milchmengen umzurechnen, und es sei erst die verbleibende, auf die monatlich anzusetzende Gesamtmilchmenge von 800 l fehlende Milchlitermenge mit dem Literpreis zum Tag der Zahlung zu errechnen. Da die beiden während des Prozesses geleisteten größeren Rückstandszahlungen von zusammen 113.184 S zu einer Zeit geleistet worden seien, als der Konsumentenmilchliterpreis 4 S betragen habe, könne der Rückstand vorerst auf der Basis eines Milchliterpreises von 4 S errechnet und der ermittelte Saldo dem bei der Erlassung des angefochtenen Beschlusses geltenden Literpreis von 4.20 S gemäß um 5% aufgewertet werden, um auf den am 30. November 1968 maßgeblichen Wert zu gelangen. Auf diese Weise errechnete das Rekursgericht den Mietzinsrückstand bis zum 30. November 1968 mit 81.595.78 S.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten Folge, hob die Beschlüsse der Untergerichte auf und verwies die Sache zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In seinem Revisionsrekurs führt der Beklagte aus: Diesfalls werde nicht eine Mietzinsschuld eingeklagt, sondern es solle bloß die Höhe des rückständigen Mietzinses festgestellt werden. Rückständig sei aber bloß die Differenz zwischen dem am jeweiligen Fälligkeitstag geschuldeten Mietzins und den seinerzeit oder inzwischen gezahlten Beträgen. Bei einem Dauerschuldverhältnis habe die Wertsicherung des zu leistenden Betrages nur den Zweck, die Höhe des am jeweiligen Fälligkeitstag geschuldeten Betrages errechnen zu können. Spätere Änderungen des Bezugswertes müßten für die Berechnung des Rückstandes unberücksichtigt bleiben. Die Höhe des Rückstandes sei keinesfalls vom Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung abhängig. Es könne auch der Vermieter bei nicht rechtzeitiger Zahlung eines wertgesicherten Mietzinses die Verminderung des inneren Wertes seiner Forderung nicht dadurch ausgleichen, daß er vom säumigen Mieter den nach dem Wertsicherungsfaktor am Zahlungstag aufgewerteten Betrag fordere.

Der Revisionsrekurs ist zulässig (vgl. JBl. 1957 S. 511. MietSlg. 5304, 5977); er ist auch begrundet.

Grundsätzlich bestehen allerdings keine Bedenken, bei wertgesicherten Geldschulden den infolge der Wertsicherung dem Nennwert der Geldschuld zuzuschlagenden Betrag als einen Teil dieser Schuld anzusehen (vgl. Stanzl in Klang Komm.[2] IV 738). Es ist daher auch der durch eine zulässige Wertsicherungsklausel erhöhte Bestandzins zur Gänze Mietzins, so daß ein Zinsrückstand dann gegeben ist, wenn der durch die Wertsicherungsklausel erhöhte Mietzins bei Fälligkeit nicht gezahlt wurde (vgl. MietSlg. 16.161). Allerdings sind bei der Feststellung der Höhe des Mietzinsrückstandes im Sinne des § 21 (2) MietG. nach der Rechtsprechung die während des Kündigungsverfahrens bis zur Zahlung fällig gewordenen Zinse zu berücksichtigen, denn billigerweise kann von der Zahlung des Rückstandes erst gesprochen werden, wenn auch der bis dahin fällig gewordene und gleichfalls rückständig gebliebene Mietzins entrichtet wird (MietSlg. 3360, 4767). Der Bestandzins muß nicht eine Geldsumme sein; er kann auch in dem Umfang oder dem Geldwert nach bestimmbaren Dienst- oder Sachleistungen bestehen (MietSlg. 5522, 6956, 9371). Als Zinsrückstand ist nur die Summe jener Leistungen zu verstehen, die der Mieter vereinbarungsgemäß zu entrichten gehabt hätte, aber tatsächlich nicht entrichtet hat. Im Falle eines Leistungsverzuges bei Dauerschuldverhältnissen - wie einem Bestandvertrag - gilt zwar § 918 ABGB. nicht (ZBl. 1928 Nr. 194, SZ. XXXI 116 u. a.), wohl aber kann der Vermieter im Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung des in Geld geschuldeten Mietzinses gemäß § 1333 ABGB. die vom Gesetz bestimmten Zinsen verlangen. Diese Zinsen stellen die Vergütung des Schadens dar, den der Schuldner seinem Gläubiger durch die Verzögerung der bedungenen Zahlung des geschuldeten Kapitals zugefügt hat. Da nach § 21 (2) MietG. zwar der Mietzinsrückstand, nicht aber die Gesamtschuld des Mieters aus der nicht rechtzeitigen Zahlung des Mietzinses festzustellen ist, haben bei der Entscheidung nach § 21 (2) MietG. die Verzugszinsen außer Betracht zu bleiben. Im Fall einer gültig und rechtswirksam vereinbarten Wertsicherung des Mietzinses ist also der vom Mieter zu den jeweiligen Zinsterminen zu entrichtende Betrag nach der vereinbarten Wertsicherung für sich allein zu berechnen und ihm der tatsächlich entrichtete Betrag gegenüberzustellen. Ergibt sich, daß innerhalb des Abrechnungszeitraumes die Summe der zu entrichtenden Mietzinse höher ist als die Summe der tatsächlich gezahlten Beträge, besteht ein Mietzinsrückstand, der nach § 21 (2) MietG. festzustellen ist.

Da nach der Vereinbarung der Streitteile die Vermieter als Mietzins nicht eine bestimmte Milchmenge, sondern deren "entsprechenden" Gegenwert in Geld zu fordern berechtigt sind, bestehen an sich keine Bedenken gegen die Feststellung der Höhe, des geschuldeten Betrags" im Sinne dieser Gesetzesstelle. Nach den überzeugenden Darlegungen Stanzls in Klang Komm.[2] IV 738 f. sind im Fall einer zulässigen und rechtswirksamen Wertsicherung des vereinbarten Mietzinses für die Berechnung des geschuldeten Betrages die gleichen Grundsätze anzuwenden wie bei Geldschulden in fremder Währung. Danach ist zu unterscheiden, ob es sich um echte oder unechte Fremdwährungsschulden handelt (Stanzl a. a. O. 729 f.). Bei der unechten Fremdwährungsschuld, bei der dem Gläubiger nur eine Schillingforderung zusteht, die fremde Währung aber als Rechnungsgrundlage dient, kommt als Tag der Umrechnung der als Wertmaßstab heranzuziehenden Fremdwährung nicht der Tag der Zahlung, sondern jener der Fälligkeit in Frage (vgl. Stanzl a. a. O. und SZ. XXVI 310 JB). 1954 S. 225). Mit Rücksicht auf die festgestellte Vereinbarung der Streitteile, daß nämlich die Kläger Anspruch auf den Gegenwert einer bestimmten Milchmenge haben, ist davon auszugehen, daß diese Milchmenge nur als Umrechnungsgrundlage für den geschuldeten Mietzins zu dienen hat; es wären also, sofern keine zusätzliche Vereinbarung der Streitteile festgestellt werden könnte, die für die Berechnung des geschuldeten Betrages bei unechten Fremdwährungsschulden herausgearbeiteten Grundsätze maßgebend, das heißt, daß der Mietzinsrückstand sich nach dem Milchpreis am Fälligkeitstag der einzelnen Mietzinsraten richten würde.

Die Kläger haben nun aber schon in erster Instanz behauptet und hiefür Beweise angeboten, daß als vereinbart gelte, es sei bei verspäteter Zahlung die Wertsicherung bis zum Tag der tatsächlichen Zahlung anzuwenden. Eine solche - vom Beklagten bestrittene - Vereinbarung wäre an sich durchaus möglich. Sie würde den bei der Berechnung des geschuldeten Betrages im Fall einer echten Fremdwährungsverbindlichkeit anzuwendenden Grundsätzen entsprechen, wonach bei nicht effektiven Fremdwährungsschulden der Schuldner zwar eine Ersetzungsbefugnis hat, diese aber im Verzugsfall verliert und der Gläubiger berechtigt wird, die Zahlung nach dem Kurswert am Zahlungstag zu verlangen (Stanzl a. a. O.).

Im vorliegenden Fall wurde zwar ausgesprochen, daß die im Punkt 3. des Gedenkprotokolles vom 7. April 1939 enthaltene Wertsicherungsklausel weder nichtig noch rechtsunwirksam ist, über den Inhalt der strittigen Vereinbarung der Streitteile, nämlich wie diese Wertsicherungsklausel auszulegen ist, wurden aber bisher keine Feststellungen getroffen. Da nach den vorstehenden Ausführungen für die Berechnung des Mietzinsrückstandes die von den Klägern behauptete Vereinbarung von entscheidender Bedeutung sein kann, ist die Sache noch nicht spruchreif.

Anmerkung

Z42182

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0050OB00270.69.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19691203_OGH0002_0050OB00270_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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