TE OGH 1970/12/9 7Ob224/70

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.1970
beobachten
merken

Norm

ZPO §237 Abs4

Kopf

SZ 43/227

Spruch

Die außergerichtliche Zusage einer Klagerücknahme ohne Anspruchverzicht ist im Prozeß unbeachtlich, wenn sie nicht nach dem Willen der Parteien auf den Anspruch selbst Einfluß haben soll

OGH 9. Dezember 1970, 7 Ob 224/70 (OLG Linz 1 R 119/70; LG Salzburg 1 Cg 240/69)

Text

Der Kläger, der gleich der Beklagten der Bundesrepublik Deutschland angehört, aber ebenso wie die Beklagte im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, brachte gegen sie am 30. September 1966 beim Erstgericht zu 1 Cg 461/66 eine Klage ein, mit der er begehrt, die am 21. September 1957 vor dem Standesamt Wuppertal mit der Beklagten geschlossene Ehe aus ihrem Verschulden zu scheiden. Nachdem das über diese Klage eingeleitete Verfahren am 22. November 1966 zum Ruhen gekommen war, erhob die Beklagte am 2. März 1967 beim Erstgericht zu 1 Cg 118/67 Widerklage auf Ehescheidung aus dem Verschulden des Klägers. Am 8. Juni 1967 trat auch hinsichtlich der Widerklage Ruhen des Verfahrens ein. Beide Teile hatten sich nämlich mittlerweile versöhnt und führten wieder ein normales Eheleben. Im Frühjahr 1969 kam es zwischen ihnen neuerlich zu Zerwürfnissen, weshalb eine weitere, derzeit anhängige Scheidungsklage, uzw seitens der Frau gegen den Mann zu 1 Cg 201/69, und eine weitere, derzeit anhängige Widerklage seitens des Mannes gegen die Frau beim Erstgericht eingebracht wurden. Im Zusammenhang damit vereinbarten die beiden Parteienvertreter am 5. Mai 1969, die früheren Scheidungsklagen, nämlich die vorliegende Klage zu 1 Cg 461/66 (nunmehr 1 Cg 240/69) und die Widerklage zu 1 Cg 118/67 ohne Anspruchsverzicht zurückzunehmen. Demgemäß übersandte Tags darauf der Vertreter der Beklagten dem Klagevertreter zur Unterfertigung einen Schriftsatz, der die beiderseitige Erklärung enthält, daß die Klagen ohne Anspruchsverzicht zurück genommen werden. Der Klagevertreter verweigerte jedoch die Unterzeichnung jener Erklärung, da sein Mandant, der Kläger, die ihm zur Klagerücknahme zunächst erteilte Ermächtigung widerrufen hatte.

Mit dem Hinweis auf die erwähnte Vereinbarung über die Rücknahme der Klage und Widerklage sowie darauf, daß sie sich mit dem Kläger versöhnt habe, stellte die Beklagte am 28. Mai 1969 den Antrag, die beiden ruhenden Verfahren fortzusetzen, erklärte ferner, ihre Widerklage zu 1 Cg 118/67, wie vereinbart, ohne Verzicht auf den Anspruch zurückzunehmen, und beantragte im übrigen die Abweisung des gegen sie gerichteten Klagebegehrens.

Der Kläger, der der Zurücknahme der Widerklage schließlich zustimmte, hielt seine Klage aufrecht und lastete der Beklagten noch weitere, später begangene Eheverfehlungen an.

Die erste Instanz wies das Klagebegehren ab. Indem sie ausdrücklich die Frage dahingestellt sein ließ, ob der vom Kläger angestrebten Ehescheidung die im Jahre 1967 erfolgte Versöhnung entgegenstehe, vertrat sie die Rechtsmeinung, daß jedenfalls schon die als zulässig anzusehende und nur von der Beklagten erfüllte Vereinbarung über die Rücknahme der beiden Klagen zur Abweisung des klägerischen Scheidungsbegehrens zwinge. Dabei komme es auf eine Ermächtigung des Klagevertreters nicht an, denn abgesehen davon, daß dieser zum Abschluß der Rücknahmevereinbarung am 5. Mai 1969 ermächtigt gewesen sei, habe ihn dazu allein schon seine Prozeßvollmacht befähigt.

Mangels einer Anfechtung in dieser Richtung ließ es das Berufungsgericht auf sich beruhen, ob die Vereinbarung über die Zurücknahme der Klage ein Prozeßhindernis begrunde, daher statt mit der Abweisung des Klagebegehrens mit der Zurückweisung der Klage vorzugehen gewesen wäre, teilte aber im übrigen die Auffassung des Erstgerichtes und gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision, des Klägers Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Daß eine außergerichtliche Vereinbarung der Klagerücknahme ohne Verzicht auf den Anspruch zulässig sei und eine positive Erledigung der Klage hindere, versucht das Berufungsgericht außer mit Belegstellen aus der deutschen Literatur und Rechtsprechung auch mit solchen aus dem österreichischen Schrifttum zu begrunden, nämlich mit Neumann, Komm z d ZPG, II, 929, Wolff, Grundriß des österr Zivilprozeßrechts, 274 (in der 2. Auflage richtig 285 Abs 2) und Holzhammer, Österr Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren, 160/161. Tatsächlich geht aber aus den Ausführungen der Genannten nicht hervor, daß ihnen eine Vereinbarung der Klagerücknahme ohne Anspruchsverzicht vorschwebte. Vielmehr ist an den betreffenden Stellen nur ganz allgemein von einer außergerichtlichen Vereinbarung, die Klage zurückzunehmen, die Rede, wobei Neumann Komm II 929 und Wolff Grundriß[2], 285 Abs 2 in einem derartigen Fall einen Klagsabweisungsgrund für gegeben erachten. Letzteres aber deutet darauf hin, daß sie eine Vereinbarung unterstellen, die materielle Belange des Klagsanspruches berührt, als welche sein Bestand, seine Klagbarkeit oder Fälligkeit in Betracht kommen. Dagegen kann eine Übereinkunft, die bloß die Klagerücknahme ohne Anspruchsverzicht, also keinerlei Änderung der materiellen Rechtslage, beinhaltet, nicht die Abweisung des Klagsanspruches zur Folge haben, läßt doch auch die nicht nur vereinbarte, sondern darüber hinaus auch gegenüber dem Gericht ohne Anspruchsverzicht erklärte Zurücknahme der Klage selbst den Klagsanspruch und die Möglichkeit seiner neuerlichen klagsweisen Geltendmachung bestehen (§ 273 Abs 4 ZPO). Grundsätzlich ist daher die außergerichtliche Zusage einer Klagerücknahme, da diese nur als Prozeßhandlung, nämlich als eine gegenüber dem Gericht abzugebende Erklärung Rechtswirkungen zeitigt, im Prozeß unbeachtlich, es sei denn, daß sie nach dem Willen der Parteien auf den Anspruch selbst Einfluß haben soll (2 Ob 67/32 = ZBl 1932 Nr 154; Fasching, Komm z d ZPG, III, 140). Nichts dergleichen ist aber unter den hier gegebenen Umständen erkennbar. Der von den Untergerichten gebrauchte Abweisungsgrund stellt sohin das Ergebnis einer verfehlten Auslegung der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 237 ZPO dar, so daß sich die Mängelrüge des Revisionswerbers als begrundet erweist. Da nun das Scheidungsbegehren meritorisch zu überprüfen sein wird, war der Revision spruchgemäß Folge zu geben.

Anmerkung

Z43227

Schlagworte

Anspruchsverzicht, außergerichtliche Zusage einer Klagsrücknahme ohne -, Klagsrücknahme ohne Anspruchsverzicht, außergerichtliche Zusage einer -, Zusage, außergerichtliche einer Klagsrücknahme ohne Anspruchsverzicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0070OB00224.7.1209.000

Dokumentnummer

JJT_19701209_OGH0002_0070OB00224_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten