TE OGH 1971/6/22 4Ob564/71

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Veröffentlicht am 22.06.1971
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Norm

ABGB §823
ABGB §956
ABGB §1249
ABGB §1284

Kopf

SZ 44/98

Spruch

Ein Erbübereinkommen, in dem sich der Übernehmer des Nachlasses verpflichtet, bestimmte Liegenschaften nur einem seiner Kinder zu übergeben oder zu hinterlassen, dessen Person bei der Übergabe unter Lebenden oder im Erbfall jedenfalls feststellbar war, ist ein "Übergabsvertrag auf den Todesfall". Die betreffenden Liegenschaften fallen dann überhaupt nicht in die Verlassenschaft des Übernehmers. Der Berechtigte hat vielmehr gegen die Verlassenschaft des Übernehmers die Klage auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts bzw gegenüber dem widerstreitenden Testamentserben die Feststellungsklage zu erheben. Ein abweichendes Testament des Übernehmers aber ist, soweit darin über die gegenständlichen Liegenschaften verfügt wird, mangels Eigentum des Erblassers gegenstandslos

OGH 22. 6. 1971, 4 Ob 564/71 (OLG Graz 4 R 10/71; LG Klagenfurt 17 Cg 346/70)

Text

Andreas F, der Vater der Streitteile, war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 89, KG S (Ausmaß 0.8399 ha) und zur Hälfte mit seiner Ehegattin Josefa F Eigentümer der landwirtschaftlichen Liegenschaft EZ 24, KG St G mit dem Hause Gdorf Nr 1 (Ausmaß 21.1610 ha). Andreas F ist am 27. 11. 1956 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorben. Im Verlassenschaftsverfahren I 141/56 des Bezirksgerichtes St Paul i L schloß die erblasserische Witwe Josefa F am 29. 4. 1957 mit den Kindern aus der Ehe mit Andreas F, nämlich mit Josefine, geboren am 17. 3. 1921, Anna, geboren am 4. 7. 1922, Johann, geboren am 21. 6. 1924, Gustav, geboren am 3. 7. 1928, Juliane, geboren am 28. 12. 1925, und Theodor, geboren am 10. 3. 1934, ein Übereinkommen, nach welchem Josefa F den gesamten Nachlaß des Andreas F in ihr Eigentum übernahm. Nach Punkt 5 dieses Übereinkommens verpflichtete sich Josefa F, die von ihr übernommenen Liegenschaften und auch die ihr bisher gehörige Hälfte der Liegenschaft EZ 24, KG St G, also die gesamten Liegenschaften EZ 24, KG St G, und EZ 98, KG St, seinerzeit nur einem der Kinder aus der Ehe mit Andreas F zu übergeben, bzw zu hinterlassen, wobei den männlichen Nachkommen der Vorzug vor den weiblichen und in diesen (männlichen) dem Älteren der Vorzug vor dem Jüngeren zukommen sollte. Nach Punkt 6 des Übereinkommens erteilte die Nachlaßübernehmerin die Bewilligung zur Einverleibung der Beschränkung ihres Eigentumsrechtes bei den ihr nun allein gehörigen Liegenschaften EZ 24, KG St G, und EZ 98, KG St, durch die Verpflichtung, diese seinerzeit nur einem der bereits genannten Kinder aus der Ehe mit dem Verstorbenen zu übergeben bzw zu hinterlassen, wobei die männlichen Nachkommen vor den weiblichen und unter den männlichen der Ältere vor dem Jüngeren bevorzugt sein sollte. Im Punkt 7 schließlich wurde zugunsten der Kinder ein Belastungs- und Veräußerungsverbot vereinbart und von der Nachlaßübernehmerin die Bewilligung zur Beschränkung ihres Eigentums durch Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes erteilt. Die sich aus diesem Übereinkommen ergebenden grundbücherlichen Eintragungen wurden mit Beschluß des Bezirksgerichtes St Paul i L vom 9. 9. 1957, I 141/56-9, bewilligt.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß das schriftliche Testament der am 21. 12. 1969 verstorbenen Josefa F, errichtet am 28. 12. 1963, ungültig sei und ihm auf Grund des Gesetzes in Verbindung mit dem Übereinkommen vom 29. 4. 1957 das Erbrecht zum Nachlaß der Josefa F zustehe. Diese sei im Hinblick auf die von ihr übernommenen Eigentumsbeschränkungen - ähnlich wie bei einer fideikommissarischen Substitution - nicht berechtigt gewesen, letztwillig eine andere Person, insbesondere nicht den Beklagten als jüngstes Kind, als Erben einzusetzen.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er brachte vor, die von Josefa F mit ihren Kindern abgeschlossene Vereinbarung sei als Erbvertrag zu beurteilen. Ein solcher könne aber gültig nur unter Ehegatten abgeschlossen werden.

Das Erstgericht erklärte das schriftliche Testament der am 21. 12. 1969 verstorbenen Josefa F insoweit als ungültig, als darin der Beklagte Theodor F zum Alleinerben der Liegenschaften EZ 24, KG St G und EZ 98, KG St, berufen wurde. Es stellte ferner fest, daß dem Kläger auf Grund des Gesetzes in Verbindung mit dem Übereinkommen vom 29. 4. 1957, A 141/56, das Erbrecht zu dem aus diesen beiden Teilen gebildeten Teil des Nachlasses zustehe. Das Mehrbegehren, festzustellen, das schriftliche Testament der Josefa F sei zur Gänze ungültig und dem Kläger stehe das gesetzliche Erbrecht zum gesamten Nachlaß zu, wurde abgewiesen. Josefa F sei auf Grund des Übereinkommens vom 29. 4. 1957 hinsichtlich der Liegenschaften nur mehr Fruchtnießerin gewesen. Sie habe daher über die Liegenschaften rechtswirksam nicht mehr verfügen können. Das Testament sei daher insoweit rechtsunwirksam und stunde dem Kläger das gesetzliche Erbrecht zu.

Gegen dieses Urteil erhob nur der Beklagte Berufung. Das Berufungsgericht gab ihr Folge und wies das Klagebegehren ab. Zur Begründung führte es aus: Vornehmlich bei bäuerlichen Liegenschaften komme es sehr häufig vor, daß im Rahmen von Verlassenschaftsverfahren Übereinkommen geschlossen werden, nach denen ein Teil, insbesondere der Übernehmer, die Verpflichtung übernimmt, späterhin die Liegenschaft einem der Kinder zu übergeben oder zu hinterlassen. Die Einräumung einer derartigen Anwartschaft - ähnlich einer fideikommissarischen Substitution - also die vertragsmäßige Begründung zeitlich beschränkten Eigentums, sei nach der Lehre und Rechtsprechung iS einer Vereinbarung, es solle in einem bestimmten Zeitpunkt oder bei Eintritt eines bestimmten Ereignisse die Liegenschaft an den Vertragspartner zurückfallen oder einer Vertragspartei oder einem begünstigten Dritten zufallen, durchaus zulässig. Durch die wirksam getroffene Vereinbarung vom 29. 4. 1957 sei daher Josefa F in der Verfügung über ihr Eigentum an den streitgegenständlichen Liegenschaften, auch soweit es die ihr gehörige Liegenschaftshälfte betrifft, beschränkt gewesen. Die Beschränkung habe darin bestanden, daß die Genannte zwar nicht verpflichtet gewesen wäre, zu Lebzeiten zugunsten eines ihrer Kinder eine rechtsgeschäftliche Verfügung zu treffen, aber gehalten gewesen sei, für den Fall, daß sie eine solche Verfügung traf, nur iS der genannten Vereinbarung rechtsgeschäftlich zu handeln. Auch in der Verfügung von Todes wegen habe sich eine Beschränkung dahin ergeben, daß sie lediglich iS dieser Vereinbarung letztwillig verfügen durfte.

Der Kläger könne mit der vorliegenden Erbrechtsklage nur durchdringen, wenn er nachweise, daß das Testament der Josefa F ungültig sei. Es sei richtig, daß Josefa F von Todes wegen eine Verfügung getroffen habe, die ihren vertraglich übernommenen Verpflichtungen widerstreite. Dieser Umstand nehme aber dem von ihr errichteten schriftlichen Testament nicht seine Gültigkeit, da es alle Formerfordernisse eines solchen enthalte (§ 578 ABGB). Ob im besonderen Falle die von Todes wegen getroffene Verfügung dem Inhalte nach gegenüber dem Kläger wirksam sei, sei eine Frage, die nicht nach erbrechtlichen Grundsätzen, sondern nach Grundsätzen des Vertragsrechtes auf Grund des Übereinkommens vom 29. 4. 1957 zu beurteilen, sei. Auf keinen Fall aber bilde das Übereinkommen vom 29. 4. 1957 einen Erbrechtstitel für den Kläger, weder einen solchen nach dem Gesetze noch aus einem Erbvertrage, da letzterer nur zwischen Ehegatten abgeschlossen werden könne. Der Versuch des Klägers, seinen vertraglichen Anspruch mit dem gesetzlichen Erbrecht zu vermengen, müsse daher im Erbrechtsstreit scheitern. Es liege auch nicht der Fall einer echten fideikommissarischen Substitution, nämlich einer Nacherbschaft des Klägers nach seinem Vater Andreas F vor, da dieser keine Substitution angeordnet habe und der Kläger auch kein Erbrecht gegenüber seinem Vater, sondern gegenüber seiner Mutter geltend mache. Aus dem Erbübereinkommen stehe ihm aber kein erbrechtlicher Anspruch gegen seine Mutter, sondern nur ein vertraglicher Anspruch zu. Im Erbrechtsstreite sei lediglich zu prüfen, ob das schriftliche Testament der Josefa F zugunsten des Beklagten gültig zustande gekommen sei und insbesondere alle Formerfordernisse eines gültigen Testamentes aufweise. In dieser Richtung habe der Kläger aber gar nichts vorgebracht, so daß er, weil er sich auf das Gesetz, somit auf einen schwächeren Erbrechtstitel, stützt, im Erbrechtsstreit unterliegen müsse. Er sei aus dem Übereinkommen vom 29. 4. 1957 Gläubiger, aber als mit einem schwächeren Erbrechtstitel ausgestatteter Erbe zum Antritt der Erbschaft nicht berufen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger behauptet, die Beschränkung des Eigentumsrechtes der Josefa F beziehe sich nicht nur auf Rechtsgeschäfte unter Lebenden, sondern auch auf die letztwillige Verfügung. Sie habe letztwillig nicht entgegen dem Übereinkommen vom 29. 4. 1957 verfügen können. Ihr schriftliches Testament vom 29. 12. 1963 sei daher, soweit darin der Beklagte zum Alleinerben der dort bezeichneten Liegenschaften berufen worden sei, ungültig. Darauf folge, daß die Rechte und Verbindlichkeiten der verstorbenen Josefa F an den gegenständlichen Liegenschaften nur im Wege des Erbrechts auf den im Übereinkommen vom 29. 4. 1957 vorgesehenen Rechtsnachfolger übergehen können. Dieser Rechtsauffassung entspricht es auch, daß der Kläger auf Grund des Gesetzes die Erbserklärung zum Nachlasse der Josefa F abgegeben hat und nun die Erbrechtsklage erhebt. Es ist zu prüfen, ob diese Auffassung richtig ist.

Die Erbrechtsklage geht auf Feststellung des Erbrechts des Klägers. Er hat zu beweisen, daß er zur Erbschaft näher berufen ist als der Beklagte. Er hat also nicht nur seinen Erbrechtstitel nachzuweisen, sondern auch, daß der Beklagte entweder nicht berufen ist, etwa weil das Testament, auf das er sich stützt, ungültig ist, oder doch, daß er näher berufen ist. Hier behauptet der Kläger Ungültigkeit des Testaments, auf das sich der Beklagte stützt. Diese könnte darin gelegen sein, daß ein Verstoß gegen die innere Form (§§ 553 ff ABGB) oder gegen die äußere Form (§§ 577 ff ABGB) vorliegt. Hiezu hat aber der Kläger einschlägige Behauptungen nicht aufgestellt. Das Testament soll deshalb ungültig sein, weil darin in einer Weise über Liegenschaften verfügt wurde, die mit dem Erbübereinkommen vom 29. 4. 1957 in Widerspruch stehe. Ein solches Testament verletzt zwar vertragliche Pflichten, dies bedeutet aber noch keinen Verstoß gegen die innere oder äußere Form des Testaments. Ein solcher Verstoß kann somit nicht zu einer gänzlichen oder teilweisen Ungültigerklärung des Testaments führen. Das Klagebegehren, das auf Ungültigerklärung des Testaments vom 28. 12. 1963, gerichtet ist, ist demnach verfehlt und vom Berufungsgericht mit Recht zur Gänze abgewiesen worden.

Zu den vom Kläger geäußerten Bedenken, ob er mit Leistungsklage oder Feststellungsklage gegen die das Übernahmsrecht bestreitenden Erben hätte vorgehen können, ist folgendes zu sagen. Die im Übereinkommen vom 29. 4. 1957 getroffene Vereinbarung verpflichtete die Erblasserin Josefa F, bestimmte Liegenschaften nur einem ihrer Kinder zu übergeben, oder zu hinterlassen, dessen Person bei der Übergabe unter Lebenden oder im Erbfalle jedenfalls feststellbar war. Wird in diesem Übereinkommen ein Übergabsvertrag auf den Todesfall erblickt (vgl Klang; IV/1 241, 630 bei FN 3; Duller NZ 1954, 21 f und 136), dann fallen die Liegenschaften überhaupt nicht in die Verlassenschaft und ist dann gegen die Verlassenschaft nach Josefa F die Klage auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts bzw gegenüber dem widerstreitenden Testamentserben die Feststellungsklage der richtige Weg (vgl SZ 22/2, SZ 27/105, sowie die schon vom Berufungsgericht angeführte Entscheidung SZ 13/219). Das Testament ist in einem solchen Falle, soweit darin über die gegenständlichen Liegenschaften verfügt wird, mangels Eigentums der Erblasserin - dieses stand ihr auflösend bedingt mit ihrem Tod nur als zeitlich beschränktes Eigentum zu - gegenstandslos.

Anmerkung

Z44098

Schlagworte

Erbsübereinkommen, Übergabsvertrag auf den Todesfall, Feststellungsklage, Übergabsvertrag auf den Todesfall, Testament, Übergabsvertrag auf den Todesfall, Übergabsvertrag, auf den Todesfall, Erbübereinkommen, Übergabsvertrag auf den Todesfall, Testament nach

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0040OB00564.71.0622.000

Dokumentnummer

JJT_19710622_OGH0002_0040OB00564_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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