TE OGH 1977/1/19 8Ob226/76

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Veröffentlicht am 19.01.1977
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SZ 50/7

Spruch

Dem Haftpflichtversicherer des klagenden Geschädigten kann ein rechtliches Interesse an dessen Obsiegen im Prozeß gegen den Schädiger (§ 17 ZPO) nicht zugebilligt werden

OGH 19. Jänner 1977, 8 Ob 226/76 (OLG Wien 8 R 182, 185/76; LG f. ZRS Wien 33 Cg 738/75)

Text

Am 22. Feber 1975 ereignete sich im ersten Wiener Gemeindebezirk auf der Kreuzung Friedrichstraße-Getreidemarkt ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Halter und Lenker eines LKW BMW Touring, und die Erstbeklagte als Halter und Lenker eines PKW Vauxhall Victor, beteiligt waren. Die B Versicherungs-Gesellschaft ist der Haftpflichtversicherer des Klägers, die Zweitbeklagte der Haftpflichtversicherer der Erstbeklagten. Die beiden Kraftfahrzeuge stießen im Kreuzungsbereich zusammen und wurden beschädigt.

Mit einer am 12. Mai 1975 zu 25 C 1653/75 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien eingebrachten Klage begehrte die Erstbeklagte aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall mit der Behauptung des Alleinverschuldens des Klägers die Verurteilung der B Versicherungs-Gesellschaft zur Zahlung von 14.679.88 S samt Anhang. Auf Antrag beider Prozeßparteien wurde dieser Rechtsstreit mit rechtskräftigem Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. September 1975 (GZ 25 C 1653/75-7) bis zur rechtskräftigen Erledigung des vorliegenden, beim Erstgericht zu 33 Cg 738/75 anhängigen Schadenersatzprozeß unterbrochen.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger - gleichfalls aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall, aber unter Behauptung des Alleinverschuldens der Erstbeklagten - die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von 34.573.02 S samt Anhang. Die B Versicherungs-Gesellschaft hat mit einem am 11. Juli 1975 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz erklärt, diesem Rechtsstreit dem Kläger als Nebenintervenientin beizutreten. Ihr rechtliches Interesse am Obsiegen des Klägers begründete sie damit, daß sie als Haftpflichtversicherer des Klägers schon wegen der Bindungswirkung des § 63 KFG ein rechtliches Interesse am Obsiegen des Klägers habe. Auch im Hinblick auf den zu 25 C 1653/75 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien anhängigen Rechtsstreit sei ihr rechtliches Interesse am Obsiegen des Klägers gegeben, weil bei Rechtskraft "eines diesbezüglichen Urteiles" auch das Verfahren vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien erledigt sein werde.

Die Gleichschriften dieses Schriftsatzes wurden nach dessen Verlesung den Parteienvertretern in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. Juli 1975 ausgefolgt. Die Beklagten sprachen sich gegen die Zulassung der Nebenintervenientin aus, weil dieser ein rechtliches Interesse am Obsiegen des Klägers fehle.

Mit dem in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17. November 1975 (ON 10) in Gegenwart aller Parteien verkundeten Beschluß ließ das Erstgericht die Nebenintervention der B Versicherungs-Gesellschaft auf Seiten des Klägers zu, weil diese im Hinblick auf das Verfahren 25 C 1653/75 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien ein rechtliches Interesse an dem Ausgange des vorliegenden Rechtsstreites habe.

Mit Urteil vom 8. Juni 1976 hat das Erstgericht die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, dem Kläger den Betrag von 40.573.02 S samt Anhang zu bezahlen. Das auf Zahlung eines weiteren Betrages von 2.000 S samt Anhang gerichtete Mehrbegehren des Klägers wies es ab. Es erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 10.699.72 S bestimmten Prozeßkosten und der Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers die mit 5.357.16 S bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen. Der Kläger und die Erstbeklagte ließen dieses Urteil unbekämpft. Die Zweitbeklagte bekämpfte den Beschluß des Erstgerichtes vom 17. November 1975 (ON 10) und die Kostenentscheidung des Erstgerichtes vom 8. Juni 1976 (ON 19) insoweit, als die Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers zugelassen und dieser Kosten zugesprochen wurden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und verneinte das rechtliche Interesse der Nebenintervenientin an dem Ausgang des vorliegenden Rechtsstreites. Es wies daher die Nebenintervention der B Versicherungs-Gesellschaft auf Seiten des Klägers zurück und änderte die Kostenentscheidung des Ersturteils dahin ab, daß die Verpflichtung der Zweitbeklagten zum Kostenersatz an die Nebenintervenientin zu entfallen habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Nebenintervenientin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung: 

Der Rekurs ist zulässig (EvBl. 1971/218; 7 Ob 533/76 u. a.), er ist aber nicht gerechtfertigt.

Gemäß § 18 Abs. 1 ZPO hat der Intervenient sein Interventionsinteresse in dem Schriftsatz, mit dem er seine Intervention erklärt, bestimmt anzugeben und auf Grund eines Antrages der Prozeßparteien auf Zurückweisung zu bescheinigen. Die Zulässigkeit der Nebenintervention kann nur aus den vom Intervenienten vorgebrachten und für den Fall der Bestreitung bescheinigten Tatsachen abgeleitet werden (EvBl. 1967/10 u. a.).

Wenn sich im vorliegenden Fall die beiden Beklagten gegen die Zulassung der Nebenintervenientin mangels rechtlichen Interesses aussprachen, so ist dies - entgegen den Rekursausführungen - als Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervenientin zu werten. Infolge des Zurückweisungsantrages der Beklagten in der Tagsatzung vom 15. Juli 1975 hat das Erstgericht in der folgenden Tagsatzung vom 17. November 1975 in Gegenwart sämtlicher Parteien und der Nebenintervenientin nach kurzer Darlegung der bisherigen Verhandlungsergebnisse den Beschluß auf Zulassung der B Versicherungs-Gesellschaft als Nebenintervenientin verkundet. Worin bei dieser Vorgangsweise ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 18 Abs. 2 ZPO gelegen sein sollte, ist nicht recht erkennbar. Es kann aber - entgegen den Rekursausführungen - bei der dargestellten Verfahrenslage keine Rede davon sein, daß etwa der Nebenintervenientin die Möglichkeit zur Ergänzung ihres Vorbringens genommen worden wäre, zumal hiezu jedenfalls in der Tagsatzung vom 17. November 1975 anläßlich der Wiederholung der bisherigen Verhandlungsergebnisse Gelegenheit bestanden hätte.

Prüft man das Interventionsinteresse in dem oben umschriebenen Rahmen, dann hat das Rekursgericht dieses aus gerechtfertigten Gründen verneint. Zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OGH ist das Rekursgericht davon ausgegangen, daß das Interventionsinteresse nur dann zu bejahen ist, wenn der Dritte durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreites unmittelbar in seiner Rechtssphäre betroffen wird, daß es aber nicht genügt, daß der Dritte bloß mittelbar durch das Ergebnis des Prozesses betroffen wäre. Richtig hat das Rekursgericht erkannt, daß durch die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites, möge sie ausgefallen sein wie immer, in die Rechtssphäre des Haftpflichtversicherers des Klägers in keiner Weise eingegriffen wird, und ausgeführt: Aus der im § 63 Abs. 3 KFG normierten Bindungswirkung eines gegen den Haftpflichtversicherer ergangenen klagsabweisenden Urteiles gegenüber dem Versicherten, bzw. eines gegen den Versicherten ergangenen klagsabweisenden Urteiles gegenüber dem Haftpflichtversicherer ist nichts für die Annahme eines rechtlichen Interesses des Haftpflichtversicherers des Klägers am Obsiegen dieses seines Versicherten in einem Aktivprozeß gewonnen. Denn die im § 63 Abs. 3 KFG normierte (auf klagsabweisende Urteile eingeschränkte) Bindungswirkung betrifft nur den Fall, daß ein Geschädigter gegen den Haftpflichtversicherer bzw. den Versicherten Ersatzansprüche geltend macht. Daß dem Haftpflichtversicherer ein rechtliches Interesse im Sinne des § 17 ZPO am Obsiegen seines - beklagten - Versicherten im Haftpflichtprozeß zukommt, wurde auch schon vor der Geltung der im § 63 KFG 1967 neu erlassenen Vorschriften nicht bestritten (vgl. SZ 30/26; ZVR 1964/23). Der Haftpflichtversicherer des klagenden Geschädigten kann aber nicht von der im § 63 Abs. 3 KFG normierten Bindungswirkung betroffen werden.

Es mag sein, daß die Parteien im Verfahren 25 C 1653/75 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien den Unterbrechungsantrag gestellt haben, um - wie der Rekurs dies darlegt - doppelten Verfahrensaufwand zu sparen. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der B Versicherungs-Gesellschaft als Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers im vorliegenden Prozeß, da - wie das Rekursgericht gleichfalls zutreffend erkannte - der Sachentscheidung im vorliegenden Rechtsstreit keinerlei Bindungswirkung bezüglich der Entscheidung im Verfahren 25 C 1653/75 zukäme, weil die materielle Rechtskraft der im vorliegenden Fall getroffenen Entscheidung im Sinne des § 411 ZPO nicht die Neuaufrollung der Verschuldensfrage in dem Verfahren 25 C 1653/75 verhindern könnte. Daß die B Versicherungs-Gesellschaft nur im Wege des Beitritts als Nebenintervenientin vom Ausgang des vorliegenden Prozesses erfahren könnte, ist unzutreffend (vgl. § 170 Geo.). Das Rekursgericht hat somit das Interventionsinteresse der B Gesellschaft als Haftpflichtversicherer des Klägers mit Recht verneint.

Schlagworte

Nebenintervenient,rechtliches Interesse des -,Rechtliches Interesse,kein - des Haftpflichtversicherers des klagenden,Geschädigten,

Textnummer

Z50007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0080OB00226.760.0119.000

Im RIS seit

08.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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