TE OGH 1977/10/6 6Ob688/77

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Veröffentlicht am 06.10.1977
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Norm

ABGB §371
ABGB §1438
Kreditwesengesetz §22
Sparkassenregulativ §14

Kopf

SZ 50/127

Spruch

Der Geschäftszweck der Spareinlage verbietet die Kompensation von Forderungen des Kreditinstitutes gegen den Erleger mit dessen Forderung auf Rückzahlung der Spareinlage

OGH 6. Oktober 1977, 6 Ob 688/77 (LG Salzburg 32 R 344/77; BG Salzburg 13 C 2308/76)

Text

Die Klägerin brachte vor, daß sie von M als Kaution dessen von der beklagten Partei ausgestelltes Sparbuch mit einem Einlagenstand von 6000 S erhalten habe. Als der Kautionsfall eingetreten sei und die Klägerin dieses Sparbuch bei der beklagten Partei realisieren habe wollen, habe diese unter Hinweis darauf, daß sie selbst Forderungen gegen M habe, nur einen Betrag von 3965 S zur Auszahlung gebracht. Die beklagte Partei sei nicht berechtigt, Forderungen gegen den ursprünglichen Einleger dem gutgläubigen Erwerber des Sparbuches aufzurechnen. Die Klägerin begehrte daher die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung eines Betrages von 2280.19 S samt Anhang (restliches Sparguthaben zuzüglich aufgelaufener Zinsen).

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und wendete ein, daß sie gegen M eine Gegenforderung von 2034 S gehabt und diese bei Realisierung des Sparbuches abgerechnet habe. Da die Gegenforderung bereits vor der Abtretung des Sparguthabens bestanden habe, sei die beklagte Partei zur Aufrechnung berechtigt gewesen. M habe sich den allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei und ihren besonderen Bedingungen für den Sparverkehr unterworfen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

M unterhielt bei der beklagten Partei ein Gehaltskonto mit der Nummer 100 101 378. Bei Konten dieser Art dürfen branchenüblich Überziehungen bis zu einem bestimmten Verhältnis zum monatlichen Gehalt vorgenommen werden. Am 23. September 1975 betrug auf diesem Konto der Debetstand 62.50 S. Am gleichen Tag eröffnete M unter der Kontonummer 100 511 691 und unter der Kontobezeichnung "Ulf M ..."

bei der beklagten Partei ein Sparbuchkonto und legte 6000 S ein. Gleichzeitig behob er von seinem Gehaltskonto 3000 S, "welche dann im Zusammenhang mit der Sparbucheinzahlung standen". Die Sparbucheröffnung stand im übrigen im Zusammenhang mit der Erfüllung einer Verpflichtung, ein Sparbuch mit einem bestimmten Stand der Klägerin zu treuen Handen zu übergeben, und zwar mit Schreiben vom 27. September 1975. Davon hatte die beklagte Partei keine Kenntnis.

Das Sparbuch wurde durch ein Losungswort gesichert; ein Legitimationszwang wurde nicht vereinbart. Die Bedingungen für den Sparbuchverkehr, denen sich M unterwarf, lauten unter anderem:

"Rückzahlung darf nur gegen Vorlage des Sparbuches erfolgen ... Die

Bank ist berechtigt, an jeden Vorleger des Sparbuches Zahlung zu

leisten ... Die Bank ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, die

Legitimation des Überbringers des Sparbuches zu überprüfen. Eine Legitimationsvereinbarung durch Ausweisleistung, Nennung eines Losungswortes oder Unterschriftsleistung ist möglich und im Sparbuch. Alsbald ist das Gehaltskonto des M umsatzlos geworden (Gehälter) wurden nicht mehr angewiesen). Da am Gehaltskonto vermerkt war, daß 3000 S auf das gegenständliche Sparbuch gingen, konnte man zum Jahresende 1975 auf den betreffenden Konten die aufeinander Bezug nehmenden entsprechenden Vermerke anbringen. Im übrigen wurde der Rückstand auf dem Gehaltskonto zu 12 C 1035/76 "rechtskräftig eingeklagt". Punkt 7 der allgemeinen Geschäftsbedingungen für Konten im allgemeinen räumt der Bank das Recht ein, bei mehreren Konten eines Kunden Forderungen gegen Verbindlichkeiten aufzurechnen.

Als die Klägerin das ihr übergebene Sparbuch des M zur Auszahlung vorlegte, zahlte die beklagte Partei unter Hinweis auf eigene Forderungen von 2276 S gegen M nur 3965 S aus.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß ein Sparbuchkonto nicht dem Zahlungsverkehr, sondern der Geldanlage diene. Das Rechtsgeschäft, das mit der Bank abgeschlossen werde, sei ein unentgeltlicher Verwahrungsvertrag, wobei das Geld in das Eigentum der Bank übergehe. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten seien im Sparvertrag geregelt.

Ein Sparbuch sei grundsätzlich als anonym anzusehen, auch wenn ein Personenname im Kontotext aufscheine; daher sei auch ein auf den eigenen Namen lautendes Sparbuch ohne Legitimationsvereinbarung ein anonymes Sparbuch. Ein Losungswort erspare nur den Identitätsnachweis.

Gemäß § 1440 ABGB bestehe an in Verwahrung genommenen Stücken kein Zurückbehaltungs- und Kompensationsrecht. Im Zusammenhang mit dem Wesensinhalt der Sparordnung und der wirtschaftlichen Bedeutung des Sparbuches könne Punkt 7 der allgemeinen Geschäftsbedingungen hier nicht ein Aufrechnungsrecht ergeben. M habe die ihm aus dem Sparbuch zustehende Forderung am 27. September 1975 sicherungsweise in Form einer stillen Abtretung an die klagende Partei abgetreten. Hievon sei die beklagte Partei nicht verständigt worden. Dessenungeachtet könnten die Bestimmungen der §§ 1392 und 1438 ABGB nicht zum Tragen kommen. Die Eröffnung des Sparbuches mit nachfolgender Übergabe an die Klägerin sei überdies als Vertrag zugunsten Dritter anzusehen. Im vorliegenden Fall liege ein anonymes Sparbuch vor, und es sei an den Überbringer auszubezahlen, wenn keine Verfügungsbeschränkungen im Sparbuch selbst vermerkt seien.

Infolge Berufung der beklagten Partei hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies, die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht führte zusammenfassend aus, daß das vorliegende Sparbuch ein qualifiziertes Legitimationspapier sei, bei dessen Vorlage die beklagte Partei grundsätzlich zur Auszahlung des im Sparbuch genannten Betrages an den das Sparbuch Vorweisenden verpflichtet gewesen sei, wenn sie nicht rechtswirksam eine Aufrechnung nach Punkt 7 der AGB vorgenommen habe. Diese allgemeinen Geschäftsbedingungen müsse die Klägerin, die durch Übernahme des Sparbuches mit der beklagten Partei in Rechtsbeziehungen getreten sei, gegen sich gelten lassen.

Der Oberste Gerichtshof hob infolge des Rekurses beider Parteien den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Frage anlangt, um welche Art von Wertpapier es sich bei dem vorliegenden Sparbuch handelt, so kommt es nicht auf die Bezeichnung dieser Art von Papieren an, sondern auf die Rechtsnatur des Vertrages, der mit der Eröffnung einer Bankspareinlage entsteht. Maßgebend hiefür sind die Bestimmungen des KWG und die im Sparbuch wiedergegebenen "Bedingungen für den Sparverkehr". Der Bankspareinlagevertrag ist ein Vertrag sui generis, der gewisse Elemente eines Darlehens oder eines depositum irregulare enthält (vgl. SZ 43/121 und die dort zitierte Literatur).

Im vorliegenden Fall lautete nun das Sparbuch auf den Namen M; es wurde ein Losungswort vereinbart. Nach den der Bankspareinlage zugrunde gelegten Bedingungen für den Sparverkehr (S. IV des Sparbuches) war die beklagte Partei berechtigt, an jeden Vorleger des Sparbuches Zahlung zu leisten, es sei denn, daß rechtzeitig ein Einspruch gegen die Auszahlung erhoben wurde. Die beklagte Partei war berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Legitimation des Überbringers des Sparbuches zu prüfen. Die Vereinbarung eines Losungswortes begrundet nur ein zusätzliches Erfordernis zur Legitimation bei Vorlage des Buches; an der Rechtsnatur des zwischen dem Erleger und der Bank geschlossenen Bankspareinlagevertrages ändert sich dadurch nichts (SZ 47/24 u. a.).

Wesentlich für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites ist nur, daß auf Grund des zwischen M und der beklagten Partei abgeschlossenen Bankspareinlagevertrages dem ersteren gegen die beklagte Partei ein Forderungsrecht zustand, welches er auch verpfänden und abtreten konnte.

Die beklagte Partei bestreitet die Legitimation der Klägerin zur Geltendmachung der Rechte des M aus dem von ihm mit der beklagten Partei abgeschlossenen Spareinlagevertrag nicht; sie hat nur eingewendet, daß diese Rechte infolge Kompensation zum Teil erloschen seien.

Zu prüfen bleibt daher nur, ob die der Klägerin abgetretene Forderung des M aus dem mit der beklagten Partei geschlossenen Bankspareinlagevertrag infolge Kompensation (zum Teil) erloschen ist.

Hier ist zunächst darauf zu verweisen, daß die vom Berufungsgericht für notwendig erachtete Verfahrensergänzung in der Richtung, ob zwischen M und der beklagten Partei ein Aufrechnungsvertrag zustande gekommen wäre, nicht erforderlich ist. Die beklagte Partei hat ja nicht behauptet, mit M einen derartigen Aufrechnungsvertrag geschlossen zu haben; sie stützt ihren Prozeßstandpunkt nur darauf, daß die Klagsforderung infolge ihrer einseitigen bei Vorlage des Sparbuches durch die Klägerin abgegebenen Aufrechnungserklärung erloschen sei.

Es bleibt daher nur zu prüfen, ob die beklagte Partei die Klagsforderung durch eine solche einseitige Aufrechnungserklärung tilgen konnte.

Diese Frage ist aber aus folgenden rechtlichen Gründen zu verneinen:

Zunächst kann sich die beklagte Partei nicht mit Erfolg auf Punkt 7 der AGB berufen. Diese Bestimmung bezieht sich nur auf Konten, die der Kontokorrentverrechnung mit dem Kunden dienen und nicht auf Evidenzkonten, da diese nicht Konten des Kunden, sondern ihrem Wesen nach Konten der Kreditunternehmung sind (Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] I, 252). Um ein derartiges Evidenzkonto handelt es sich aber bei einem auf Grund eines Spareinlagevertrages von der Kreditunternehmung geführten Konto (Schinnerer - Avancini a. a. O., 30). Die Bestimmung des Punktes 7 der AGB bezieht sich somit nicht auf Sparkonten und ermöglicht daher der beklagten Partei nicht die Aufrechnung einer Forderung aus der Überziehung eines Gehaltskontos gegen eine Verbindlichkeit aus einem Spareinlagekonto.

Wenn in den Bedingungen für den Sparverkehr (S. IV des Sparbuches) die Bestimmung enthalten ist, daß der Kontostand in den Geschäftsbüchern der Bank maßgebend sei, so kann diese Bestimmung nur dahin verstanden werden, daß der Kontostand in den Geschäftsbüchern der Bank dann maßgebend ist, wenn die Abweichung im Sparbuch auf einen Irrtum der Bank bei der Eintragung im Sparbuch, zum Beispiel einen Rechenfehler, ein Verschreiben usw., oder auf eine unzulässige Manipulation des Sparbuchinhabers zurückzuführen ist, nicht aber, wenn diese Abweichung auf eine willkürliche oder sonst unzulässige bzw. ungerechtfertigte Maßnahme der Bank zurückgeht (SZ 43/121). Diese Bestimmung sagt daher nichts über die Zulässigkeit der Tilgung einer Verpflichtung aus einem Spareinlagevertrag durch einseitige Aufrechnungserklärung der Bank aus und kann insbesondere nicht als Einverständnis des Berechtigten zu einer derartigen Vorgangsweise qualifiziert werden.

Die Kompensation von Forderungen durch einseitige Aufrechnungserklärung im Sinne der §§ 1438 ff. ABGB findet dann nicht statt, wenn sie durch ausdrücklichen Gesetzesbefehl verboten ist oder wenn die Parteien auf sie verzichtet haben. Ein solcher Verzicht kann auch stillschweigend erfolgen und sich grundsätzlich auch aus dem Zweck eines Vertrages ergeben, vor allem, wenn dies nach den besonderen Umständen des Falles den Grundsätzen von Treu und Glauben entspricht (SZ 47/9 und die dort angeführte Lehre und Rechtsprechung).

Davon ausgehend gelangte die Rechtsprechung etwa zu dem Ergebnis, daß eine Bank nicht berechtigt ist, Zahlungen durch Dritte auf ein Girokonto entgegenzunehmen und die übernommenen Geldbeträge dann sofort laufend mir ihrer Forderung aus einem fälligen Darlehen gegen den Kontoinhaber aufzurechnen; es bestehe hier vielmehr ein sich aus dem Zweck des Girovertrages ergebendes Aufrechnungsverbot für auf dem Konto erliegende und nicht der Rückzahlung des Darlehens gewidmete Beträge (SZ 47/9; 5 Ob 170/75).

Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man aber auch bezüglich der Möglichkeit der Bank, Forderungen aus einem überzogenen Gehaltskonto gegen ihre Verbindlichkeit aus einem Spareinlagevertrag aufzurechnen.

Gemäß § 22 Abs. 1 KWG sind Spareinlagen Geldeinlagen auf Konten, die nicht den Zwecken des Zahlungsverkehrs, sondern der Anlage dienen und als solche, insbesondere durch Ausfertigung von Sparbüchern, gekennzeichnet sind. Nach § 22 Abs. 3 KWG darf über Spareinlagen durch Überweisung - darunter ist jede nicht bare Verfügung zu verstehen - nicht verfügt werden; auch eine Einlösung von Schecks zu Lasten von Spareinlagen ist unbeschadet der Rechtswirksamkeit des Schecks und des Einlösungsgeschäftes unzulässig. Durch diese Bestimmungen soll gesichert werden, daß Spareinlagen ihrer Zweckbestimmung gemäß vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen bleiben (Avancini, Das Sparbuch im österreichischen Recht, 115). Betrachtet man damit im Zusammenhang noch die Vorschrift des § 22 Abs. 2 KWG, daß Auszahlungen von Spareinlagen nur gegen Vorlegung des Sparbuches bewirkt werden dürfen und daß bei voller Rückzahlung der Einlage das Sparbuch zurückzufordern ist, dann wird der Zweck dieser gesetzlichen Bestimmungen vollkommen klar: Es handelt sich demnach bei einer Spareinlage um die Anlage von Geldern bei einem Kreditinstitut, die von jedem nicht baren Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden sollen und die vom Kreditinstitut an den Erleger bzw. den sonstigen Berechtigten gegen Vorlage des Sparbuches wieder auszufolgen sind. Dieser Geschäftszweck verbietet aber die Kompensation von Forderungen des Kreditinstitutes gegen den Erleger mit der Forderung des Erlegers auf Rückzahlung der Spareinlage; denn damit würde in nicht barer Weise - das heißt in anderer Weise als durch Rückzahlung der Spareinlage gegen Vorlage des Sparbuches - über die Spareinlage verfügt, was nicht nur dem Sinn der Bestimmung des § 22 Abs. 3 KWG, sondern auch dem dargestellten Geschäftszweck widerspricht.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß § 56 Abs. 2 ZPO ausdrücklich die gerichtliche Sicherheitsleistung durch Erlag von Sparbüchern gestattet; diese Art der Sicherheitsleistung wäre aber vollkommen sinnlos, wenn es dem Kreditinstitut freistunde, mit allfälligen vor der Begründung des Pfandrechtes im Sinne des § 56 Abs. 3 ZPO gegen den Erleger entstandenen Gegenforderungen zu kompensieren.

Für den vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich daraus, daß die beklagte Partei nicht berechtigt war, ihre Forderung gegen M aus der Überziehung des Gehaltskontos gegen dessen Forderung aus dem mit ihr abgeschlossenen Bankspareinlagevertrag durch einseitige Aufrechnungserklärung zu kompensieren, und daß sie daher verpflichtet war, der Klägerin, deren Legitimation nicht zweifelhaft ist, bei Vorlage des Sparbuches die gesamte Spareinlage zuzüglich der angewachsenen Zinsen auszubezahlen.

Anmerkung

Z50127

Schlagworte

Kompensationsverbot, Spareinlage, Spareinlage, Kompensationsverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0060OB00688.77.1006.000

Dokumentnummer

JJT_19771006_OGH0002_0060OB00688_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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