TE OGH 1977/11/17 6Ob700/77 (6Ob699/77)

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Veröffentlicht am 17.11.1977
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Norm

ABGB §163 Abs1 n.F
ABGB §163 Abs1 n.F

Kopf

SZ 50/149

Spruch

§ 163 Abs. 1 ABGB knüpft die Vaterschaftsvermutung an die Tatsache der Beiwohnung. Vorangegangene unrichtige Angaben der Mutter über ihre Empfängnisfähigkeit können die Rechte des Kindes gegenüber seinem Erzeuger nicht beeinflussen

OGH 17. November 1977, 6 Ob 699, 700/77 (LGZ Wien 43 R 104/77; BG Favoriten 4 C 336/74)

Text

Die Klägerin behauptete, der Beklagte habe ihrer Mutter innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist des § 163 Abs. 1 ABGB beigewohnt. Sie begehrte die Feststellung, daß der Beklagte ihr Vater sei, und die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Unterhaltsbeitrages.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er behauptete im wesentlichen, die Mutter der Klägerin habe in der gesetzlichen Vermutungsfrist auch mit anderen Männern geschlechtlich verkehrt. Die Vaterschaft des Beklagten sei auf Grund der Verteilung der Blutgruppen ausgeschlossen.

Während des Verfahrens traten die Mutter der Klägerin auf deren Seite und der Vater des Beklagten auf dessen Seite als Nebenintervenienten bei. Der Nebenintervenient auf Seite des Beklagten beantragte "die Nichtzulassung" der Nebenintervenientin auf Seite der Klägerin.

Das Erstgericht wies mit dem in das Urteil aufgenommenen Beschluß den Antrag des Nebenintervenienten auf Seite des Beklagten ab und ließ die Nebenintervenientin auf Seite der Klägerin zu. Es stellte mit Urteil fest, daß der Beklagte der Vater der am 23. April 1974 von G P geborenen Klägerin ist und verurteilte ihn zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 485 S für die Zeit vom 24. Mai 1974 bis 28. Oktober 1979 und von 840 S ab 29. Oktober 1975. Den vom Nebenintervenienten auf Seite des Beklagten gestellten Zwischenantrag, festzustellen, daß die Zeugung "des Klägers" (richtig: der Klägerin) durch den Beklagten keine rechtlichen Folgen auslöse, wies es ab. Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Klägerin wurde am 23. April 1974 von G P geboren. In der gesetzlichen Vermutungsfrist des § 163 Abs. 1 ABGB vom 25. Juni bis 25. Oktober 1972 haben der Beklagte und T B mit der Mutter geschlechtlich verkehrt. Die Zeugung erfolgte höchstwahrscheinlich zwischen dem 27. Juli und 3. August 1973. Für die Zeugung wahrscheinlich sind die Zeiträume vom 19. bis 26. Juli und vom 4. bis 12. August, möglich jene vom 12. bis 18. Juli und vom 13. bis 21. August 1973. Der Beklagte hat mit der Mutter der Klägerin nach dem 16. Juli 1973 durch acht bis zehn Tage etwa jeden zweiten Tag geschlechtlich verkehrt. Verhütungsmittel wurden nicht angewendet.

T B ist auf Grund der Verteilung der Bluteigenschaften von der Vaterschaft der Klägerin ausgeschlossen. Der Beklagte weist eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99.89% auf. Seine Vaterschaft kann als im höchsten Grade wahrscheinlich bezeichnet werden.

Den Beklagten treffen keine weiteren Sorgepflichten. Er bezieht seit dem Klagstag ein monatliches Nettoeinkommen von 5962.80 S "zuzüglich schwankendes Bilanzgeld".

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Da dem Beklagten die Widerlegung der Vaterschaftsvermutung des § 163 Abs. 1 ABGB nicht gelungen sei, sei er als Vater der Klägerin anzusehen und zur Unterhaltsleistung verpflichtet. Der Zwischenantrag auf Feststellung des Nebenintervenienten sei unschlüssig, weil selbst eine - hier nicht bewiesene - Erschleichung der Beiwohnung "keine der vom Nebenintervenienten auf der Beklagtenseite erhofften Rechtsfolgen auszuschließen imstande wäre". Das auf biologischer Abstammung beruhende Vater-Kind-Verhältnis könne durch Handlungen der Mutter nicht zu Lasten des Kindes verändert werden.

Das Berufungsgericht gab weder dem Rekurs des Nebenintervenienten auf der Seite des Beklagten noch dem vom Beklagten und dem Nebenintervenienten auf seiner Seite erhobenen Berufungen Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Folge eines mängelfreien Verfahrens und unbedenklicher Beweiswürdigung und stellte noch ergänzend fest, daß auch F G und R R auf Grund der Verteilung der klassischen Blutgruppen als Erzeuger der Klägerin auszuschließen sind.

In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht zweiter Instanz aus: Die Vaterschaftsvermutung des § 163 Abs. 1 ABGB sei nur an die Tatsache der erfolgten Beiwohnung geknüpft, "die im Zusammenhang mit der Beiwohnung gegebene willensmäßige Konstitution der Beteiligten" daher rechtlich nicht maßgeblich. Die Beiwohnung sei kein Rechtsgeschäft, weshalb Willensmängel nicht entscheidend sein könnten.

Der Oberste Gerichtshof gab weder der Revision des Beklagten noch jener des Nebenintervenienten auf der Beklagtenseite Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zur Revision des Beklagten:

Der Beklagte hat in seiner Berufung die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes nicht bekämpft. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH kann die versäumte Rechtsrüge in der Revision nicht mehr nachgeholt werden (EvBl. 1967/63, Nr. 64 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung; 6 Ob 523/76 u. v. a.).

Die Revision des Beklagten, welche nur eine Rechtsrüge enthält, mußte daher erfolglos bleiben.

Zur Revision des Nebenintervenienten auf der Beklagtenseite:

Zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird ausgeführt, "die Möglichkeiten zur Eruierung des tatsächlichen Vaters" seien nicht "mit genügender Intensität durchgeführt" worden. Die Mutter der Klägerin wäre über den wahren Vater des Kindes genauer zu befragen gewesen. Die dann folgenden Ausführungen, mit welchen unter Hinweis auf verschiedene andere Beweisergebnisse Unrichtigkeiten in der Aussage der Mutter aufgezeigt werden sollen, stellen jedoch nur den im Revisionsverfahren unzulässigen Versuch dar, die Beweiswürdigung zu bekämpfen. Auf diese Ausführungen kann daher nicht eingegangen werden.

Einen weiteren Mangel erblickt der Nebenintervenient auf der Beklagtenseite in der Unterlassung der Vernehmung des Zeugen Dr. Sch. Dieser Mangel wurde bereits in der Berufung gerügt. Da der Grundsatz, daß eine im Berufungsverfahren erfolglos gebliebene Mängelrüge im Revisionsverfahren nicht mehr wiederholt werden kann, in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind nicht gilt, steht der neuerlichen Geltendmachung dieses Mangels ein Hindernis nicht entgegen. Es ist jedoch nicht zu erkennen, daß die Unterlassung der Vernehmung dieses Zeugen, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt. Gegen die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil wird in der Revision nichts Stichhältiges vorgebracht.

Die Revision vermag somit einen wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens nicht aufzuzeigen.

In der Rechtsrüge führt der Nebenintervenient auf der Beklagtenseite aus, es sei "doch ganz ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber im § 163 (ABGB) sittenwidriges Verhalten eines Geschlechtspartners sanktionieren bzw. privilegieren" habe wollen. § 163 ABGB meine nur eine Beiwohnung unter "normalen Umständen". Die vom Beklagten behauptete arglistige Täuschung durch die Vorgabe der Mutter, steril zu sein, sei nicht geprüft worden. Es liege daher ein Feststellungsmangel vor.

Entgegen der Behauptung der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung hat der Nebenintervenient auf der Beklagtenseite schon in seiner Berufung eine derartige unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Die Rechtsrüge ist daher zulässig. Es ist jedoch dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß § 163 Abs. 1 ABGB die Vaterschaftsvermutung nur an die Tatsache der Beiwohnung knüpft und die Beiwohnung kein Rechtsgeschäft ist. Allfällige Willensmängel bei der Beiwohnung können daher nicht entscheidend sein, so daß der behaupteten arglistigen Täuschung des Beklagten durch die Mutter der Klägerin keine entscheidende Bedeutung zukommt. § 163 ABGB hat auch in seiner neuen Fassung den biologischen und nicht etwa einen rechtlichen Vaterbegriff im Auge. Die Überlegungen des Revisionswerbers, daß § 163 ABGB auf die Tatsache der Beiwohnung abstelle, entspreche dem Stande der Wissenschaft "zum Zeitpunkt der Satzung", damals sei die Beeinflussung der Empfängnis unmöglich gewesen, der Gesetzgeber habe daher gar nicht auf die Idee kommen können, es könne hier Mißbrauch getrieben werden, vermögen keine Stütze für seinen Rechtsstandpunkt abzugeben. Der Gesetzgeber hat, wie sich aus den Materialien ergibt, auch bei der Neufassung der Bestimmungen über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind am Grundsatz der biologischen Vaterschaft festgehalten (vgl. 6 BlgNR, XII. GP, S. 12). Zur Zeit der Neufassung der entsprechenden Bestimmungen gab es bereits Mittel zur Empfängnisverhütung. Eine Frau hätte also schon damals etwa die unrichtige Behauptung aufstellen können, sie habe die Pille eingenommen, eine Empfängnis sei daher ausgeschlossen. Dennoch hat der Gesetzgeber, welchem nach dem Motivenbericht an einer Erweiterung der Bestimmungen zur verläßlichen Vaterschaftsfeststellung gelegen war, keine Bestimmungen in der vom Revisionswerber aufgezeigten Richtung aufgenommen. Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß allfällige unrichtige Angaben der Mutter über ihre Empfängnisfähigkeit die aus der Bestimmung des § 163 ABGB dem Kinde gegenüber seinem Erzeuger erwachsenen Rechte nicht beeinflussen können. Welche Rechte allenfalls dem Vater des Kindes gegenüber der Mutter aus derartigen unrichtigen Angaben zustehen, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu untersuchen.

Schließlich ist für den Revisionswerber auch aus seinem Hinweis auf die in der Lehre vertretene Auffassung über die Folgen der mißbräuchlichen Verwendung des Samens eines Mannes bei der künstlichen Befruchtung nichts zu gewinnen. In einem solchen Fall hat die vom Gesetz für die Vaterschaftsvermutung geforderte Beiwohnung gar nicht stattgefunden.

Von einer Übertragung von Rechten der Mutter auf das Kind kann keine Rede sein. Die Rechte des Kindes ergeben sich vielmehr aus der Tatsache der Beiwohnung in der gesetzlichen Vermutungsfrist und der an diese geknüpften gesetzlichen Vermutung, sofern diese nicht widerlegt wird. Verfehlt ist daher die in der Revision gezogene Schlußfolgerung, das Kind habe " die mütterliche Hypothek der Arglist in ähnlicher Weise wie die anderen Erbmerkmale" miterworben.

Da keiner der geltend gemachten Revisionsgrunde vorliegt, mußte auch der Revision des Nebenintervenienten auf der Beklagtenseite der Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

Z50149

Schlagworte

Beiwohnung ist kein Rechtsgeschäft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0060OB00700.77.1117.000

Dokumentnummer

JJT_19771117_OGH0002_0060OB00700_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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