TE OGH 1978/8/11 9Os100/78

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Veröffentlicht am 11.08.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.August 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Schneider, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Maria A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 (zweiter Fall) StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21.März 1978, GZ. 28 Vr 3814/77-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Klein und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über die Angeklagte verhängte Freiheitsstrafe auf 10 (zehn) Monate herabgesetzt.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 28.April 1956 geborene beschäftigungslose Hilfsarbeiterin Maria A des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1

(zweiter Fall) StGB. sowie der Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB. und der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt;

zum - allein mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochtenen - Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung lastet ihr das Schöffengericht an, sie habe am 16.September 1977

in Innsbruck den Johann B dadurch der Gefahr behördlicher Verfolgung ausgesetzt, daß sie ihn der von Amts wegen zu verfolgenden Verbrechen der schweren Nötigung nach § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. sowie der versuchten Notzucht nach § 15, 201 Abs. 1 StGB. und des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB. falsch verdächtigte, wobei sie wußte (§ 5 Abs. 3 StGB.), daß die Verdächtigung falsch ist und wobei die fälschlich angelasteten Straftaten mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, indem sie gegen Johann B bei der Polizei die Anzeige erstattete, er habe sie unter der Drohung, 'wenn du etwas sagst oder wenn du laut wirst, dann werde ich dich schon einmal irgendwo erwischen und dann bring ich dich um' und durch gewaltsames Erfassen am Arm vom 'Stiftskeller' in die Maria-Theresienstraße und von dort in ein Taxi gezogen, ihr darin die linke Hand auf den Rücken gedreht und in dieser Stellung bis ins Olympische Dorf festgehalten;

im Gelände des Olympischen Dorfes habe er immer wieder versucht, sie zu vergewaltigen; schließlich habe er sie mit Gewalt in ein Haus gezerrt, durch einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht, wodurch sie gegen einen Türstock geflogen sei, zum Betreten der Wohnung und zum Kochen eines Kaffees gezwungen; dann habe er ihr mit Gewalt die Strumpfhose bis zu den Knien hinunterzogen, die Unterhose ausgezogen, sei mit drei Fingern in ihre Scheide gefahren und habe sie in dieser Stellung vom Boden aufgehoben; dies habe sich zwei- oder dreimal wiederholt (Punkt I des Urteilssatzes). In ihrer auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. gestützten Rechtsrüge führt die Beschwerdeführerin - der Sache nach einen Feststellungsmangel geltend machend - aus, die Verurteilung wegen Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 (zweiter Fall) StGB.

setze das Wissen (§ 5 Abs. 3 StGB.) des Täters nicht nur um die Unrichtigkeit seiner Beschuldigung voraus, sondern weiters auch noch die Tatsache, daß die Straftat, deren er sein Opfer fälschlich bezichtigte, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sei; letzteres habe die Beschwerdeführerin nicht gewußt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge ist unbegründet.

Was die subjektive Tatseite dieses Verbrechens anlangt, so muß der Täter zunächst nur wissen (§ 5 Abs. 3 StGB.), daß seine Beschuldigung falsch ist; lediglich insoweit ist 'Wissentlichkeit', also qualifizierter Vorsatz (im Sinne der vorzitierten Gesetzesstelle) erforderlich. Hinsichtlich der sonstigen Tatbestandsmerkmale, in Ansehung deren der Vorsatz jenen Sachverhalt umfassen muß, der ihnen entspricht, genügt einfacher und demnach auch bedingter Vorsatz gemäß § 5 Abs. 1 StGB. Objekt des Vorsatzes sind hienach nicht die abstrakte gesetzliche Umschreibung der Tatbestandsmerkmale oder gar die Strafdrohung, sondern der Unrechtssachverhalt, welcher den dem Verleumdeten vorgeworfenen Deliktstypus und dessen Modalitäten verwirklicht, dieser allerdings in allen seinen strafrechtlich relevanten Einzelheiten. Im von der Beschwerde allein relevierten Belange reicht daher die - vom Erstgericht als erwiesen angenommene - Kenntnis der Tatumstände ('Vergewaltigung' im allgemeinen Sprachgebrauch), die zur strengeren Bestrafung des Opfers (mit einer 1 Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe) führen konnten hin; ob der Angeklagten darüber hinaus die bezügliche gesetzliche Strafdrohung bekannt war oder nicht, ist (für die Anwendung des höheren Strafsatzes) unentscheidend (ÖJZ-LSK. 1976/98 = EvBl. 1976/206). Im Rahmen ihrer Strafberufung bringt Maria A noch vor, sie habe nach Anzeigeerstattung versucht, 'ihre Tat rückgängig zu machen', indem sie der Polizei gegenüber erklärte, sie wolle keine Anzeige mehr machen. Wohl sei zu diesem Zeitpunkt der fälschlich beschuldigte Johann B schon 'ins Wachzimmer gebeten und informativ befragt worden'; zu einer konkreten Verfolgungshandlung sei es aber noch nicht gekommen gewesen. Es hätte daher die Möglichkeit bestanden, die Beschwerdeführerin im Sinn des § 297 Abs. 2 StGB. straflos zu stellen.

Die mit diesem Einwand von der Beschwerdeführerin allenfalls - der Sache nach - ins Auge gefaßte Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. liegt ebenfalls nicht vor.

Abgesehen davon, daß es im gegenständlichen Fall schon an der Grundvoraussetzung des § 297 Abs. 2 StGB.

- Beseitigung der Verfolgungsgefahr, bevor eine Behörde etwas zur Verfolgung des Verdächtigten unternommen hat -

gebricht, weil die Sicherheitsbehörde gegen Johann B bereits eingeschritten war und diesen schon festgenommen hatte, als die Angeklagte erklärte, sie wolle von einer Anzeigeerstattung nichts (mehr) wissen (S. 111; 90, 114), hat sie durch diese - über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit ihrer bisherigen Angaben nichts aussagende (und namentlich keinen Widerruf der falschen Bezichtigungen enthaltende) - öußerung die Gefahr einer (weiteren) behördlichen Verfolgung von B keineswegs abgewendet. Da sich sich zudem sowohl vor dem Untersuchungsrichter (S. 33 a) als auch in der Hauptverhandlung (S. 77) dahin verantwortete, ihre gegen Johann B gerichtete Anzeige habe der Wahrheit entsprochen, lagen keine Verfahrensergebnisse vor, die Feststellungen in der Richtung der tatsächlichen Voraussetzungen des relevierten Strafaufhebungsgrundes indiziert hätten.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde der Maria A war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte nach dem zweiten

Strafsatz des § 297 Abs. 1 StGB. und § 28 StGB.

zu vierzehn Monaten Freiheitsstrafe.

Hiebei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die falsche Beschuldigung einer Person bezüglich mehrerer Straftaten, den Umstand, daß Johann B sich wegen der falschen Angaben der Angeklagten, wenn auch nur kurzfristig, in Haft befand und die Vorstrafen bezüglich Eigentumsdelikten, als mildernd hingegen das Geständnis der Angeklagten hinsichtlich des unbefugten Fahrzeuggebrauches und der Veruntreuung.

Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.

Die Berufung ist begründet.

Das Erstgericht hat zwar die vorhandenen Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig erfaßt; angesichts des nach den allgemeine Strafbemessungsgrundsätzen des § 32 StGB. doch etwas geringeren Schuld- und Unrechtsgehaltes der von der Angeklagten gesetzten Verfehlungen, deren Ursachen offenbar weniger in einer kriminellen Veranlagung als in der Entwurzelung der Angeklagten und deren etwas absonderlicher Persönlichkeitsstruktur gelegen sind, erweist sich die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe jedoch als überhöht, weshalb sie auf das aus dem Spruch ersichtliche, vom Obersten Gerichtshof als angemessen erachtete Maß reduziert wurde. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01423

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00100.78.0811.000

Dokumentnummer

JJT_19780811_OGH0002_0090OS00100_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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