TE OGH 1979/1/10 1Ob30/78

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Veröffentlicht am 10.01.1979
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Norm

Amtshaftungsgesetz §3 Abs1
Amtshaftungsgesetz §6 Abs2
Amtshaftungsgesetz §10
ZPO §21
ZPO §228

Kopf

SZ 52/2

Spruch

Nach dem Amtshaftungsgesetz ist eine Klage des Rechtsträgers auf Feststellung der Rückersatzpflicht einer Person, die als sein Organ gehandelt hat, vor Ablauf des Tages, an dem der Rechtsträger den Ersatzanspruch dem Geschädigten gegenüber anerkannt hat oder rechtskräftig zum Ersatz verurteilt worden ist, unzulässig

OGH 10. Jänner 1979, 1 Ob 30/78 (OLG Wien 7 R 138/78; LGZ Wien 40 a Cg 704/77)

Text

Der klagende Rechtsträger, die Republik Österreich, begehrt im Amtshaftungsverfahren die Feststellung, daß ihr der Beklagte im Regreßwege für alle Aufwendungen hafte, zu denen sie auf Grund des von ihm verschuldeten Verkehrsunfalls vom 16. Feber 1977 herangezogen werde. Hiezu brachte die Klägerin in erster Instanz vor, daß die Geschädigten Schadenersatzansprüche geltend gemacht hätten, eine Verurteilung der Klägerin oder auch ein Anerkenntnis von ihrer Seite aber noch nicht erfolgt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen mit der Begründung ab, daß eine Verjährung der Regreßansprüche nach § 6 Abs. 2 AHG nicht drohe und daher das Feststellungsinteresse fehle. Überdies habe die Klägerin nach § 59 Abs. 2 KFG für den Schaden in gleicher Weise einzutreten, wie wenn der Beklagte als schuldtragender Lenker in einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung mitversichert wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Nach der Rechtsansicht der zweiten Instanz kann sich zwar die Klägerin nicht auf eine drohende Verjährung ihrer Rückersatzansprüche stützen, die nach § 6 Abs. 2 AHG noch nicht einmal zu laufen begonnen habe. Der Feststellungsanspruch bestehe aber nach § 228 ZPO unabhängig davon, ob schon jetzt ein mit Leistungsklage verfolgbarer Anspruch gegeben sei. Ebenso könne der Nichtabschluß einer angemessenen Pflichtversicherung der Klägerin nicht etwa als Mitverschulden angelastet werden.

Über Rekurs des Beklagten hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Streitfrage, ob eine Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden voraussetzt, daß bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz ein Schaden wenigstens teilweise bereits eingetreten ist (bejahend EvBl. 1957/89; JBl. 1973, 89 u. a.; verneinend ZVR 1965/159; JBl. 1976, 315 u. a.; vgl. auch Fasching III, ff. und zur Verjährung von Schadenersatzansprüchen Klang in Klang[2] VI, 635 f.) oder daß als Voraussetzung eines Regreßanspruches bereits Zahlungen an den Geschädigten geleistet wurden (bejahend ZVR 1962/17; verneinend SZ 46/128), bedarf hier keiner abschließenden Beurteilung. Eine solche Feststellung kommt nämlich wegen der Besonderheit der gesetzlichen Regelung keinesfalls für einen künftigen Rückersatzanspruch des Rechtsträgers gegen sein Organ nach § 3 Abs. 1 AHG in Betracht:

Die Vorinstanzen sind zutreffend und im Revisionsverfahren unbekämpft davon ausgegangen, daß der behauptete Rückersatzanspruch der Klägerin noch nicht entstanden ist und daß ihm gemäß § 6 Abs. 2 AHG eine Verjährung vorläufig nicht droht. Das schließt allerdings ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der künftigen Regreßpflicht des Organs im Sinne des § 228 ZPO noch nicht aus. Aber das Amtshaftungsgesetz schützt das betroffene Organ weitgehend. Es verbietet nicht nur im § 1 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz eine unmittelbare Klage des Geschädigten, sondern räumt dem Organ auch im Verfahren über den vom Geschädigten gegen den Rechtsträger erhobenen Ersatzanspruch Rechte vorbeugender Verteidigung ein. So hat der beklagte Rechtsträger nach § 10 Abs. 1 AHG den Organen, die er für den Rückersatzanspruch haftbar erachtet, den Streit zu verkunden (§ 21 ZPO); und diese können dem Rechtsstreit als Nebenintervenienten beitreten (§ 17 ZPO). Überdies kann das Organ gemäß § 5 AHG einem späteren Anspruch auf Rückersatz alle Einwendungen entgegensetzen, die der Rechtsträger nicht ausgeführt hat, und sich dadurch von dem Rückersatz in dem Maße befreien, als diese Einwendungen, wenn von ihnen gehörig Gebrauch gemacht worden wäre, eine andere Entscheidung über das Schadenersatzbegehren veranlaßt haben würden. Die zuletzt genannten Bestimmungen entsprechen nur zum Teil der ähnlichen Vorschrift des § 931 ABGB. Dort ist das Recht zur Erhebung von Einwendungen im Regreßprozeß eine Rechtsfolge der Unterlassung der Streitverkündigung, was den Umkehrschluß erlaubt, daß der Veräußerer den Bestand des im Prozeß zwischen dem Erwerber und dem Dritten rechtskräftig festgestellten Rechtes im Falle vollzogener Streitverkündigung nicht mehr bestreiten kann (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 529; SZ 31/77 u. a.). Das Amtshaftungsgesetz enthält hingegen keine Bestimmung, die an eine Streitverkündigung zivilrechtliche Wirkungen knüpft, so daß auch die Unterlassung der Streitverkündigung mit keinen Rechtsfolgen verbunden ist (Loebenstein - Kaniak, AHG 110 f.). Andererseits ist dem im Regreßprozeß in Anspruch genommenen Organ im § 5 AHG ohne Bezugnahme auf die Verpflichtung des Rechtsträgers nach § 10 Abs. 1 AHG zur Streitverkündigung das Recht eingeräumt, dem Rückersatzanspruch alle Einwendungen entgegenzusetzen, die der Rechtsträger nicht ausgeführt hat. Die Organe können daher derartige Einwendungen unabhängig davon vorbringen, ob ihnen der Streit verkundet wurde oder nicht (Loebenstein - Kaniak, 95). Auch die Befreiungswirkung nach § 5 zweiter Halbsatz AHG ist dann von der erfolgten Streitverkündigung nicht abhängig.

Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes ergibt sich, daß es der Absicht des Gesetzgebers zuwiderliefe, den besonderen dem Organ eingeräumten Schutz durch einen vorweggenommenen Feststellungsanspruch des Rechtsträgers in Frage zu stellen. In einem solchen Feststellungsprozeß, den die Klägerin anscheinend erstmalig versucht, müßten trotz der Befreiung des Organs von der Direktklage des Geschädigten die gesamten Ansprüche dieses Dritten geprüft werden. Damit erweist sich einerseits der für die Zulässigkeit der Feststellung eines bedingten Rechtes erforderliche rechtserzeugende Sachverhalt über die einzig gestattete Ausnahme des Eintritts der Bedingung hinaus (Fasching III, 57; SZ 41/153) als nicht vollständig konkretisiert. Andererseits würden der Prozeßaufwand und die Kostenbelastung des Haftungsprozesses zu Lasten des Organs in das gegen ihn geführte Verfahren übertragen, bevor noch die Frage der Haftung des Rechtsträgers entschieden wäre und dieser die Voraussetzung des Rückersatzanspruches nach § 3 Abs. 1 AHG, dem Geschädigten den Schaden zu ersetzen, erfüllt oder diese eigene Verpflichtung auch nur anerkannt hätte.

Aus all diesen Gründen ist im Amtshaftungsverfahren die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens gegen das angeblich schuldtragende Organ vor jenem Zeitpunkt zu verneinen, zu dem die Verjährung der Rückersatzansprüche nach § 6 Abs. 2 AHG beginnt; dies ist der Ablauf des Tages, an dem der Rechtsträger den Ersatzanspruch dem Geschädigten gegenüber anerkannt hat oder rechtskräftig zum Ersatz verurteilt worden ist. Die vorliegende Klage ist in diesem Sinne verfrüht erhoben worden. Die Rechtssache ist daher im Sinne einer Bestätigung des Ersturteiles spruchreif, ohne daß auf die Frage der richtigen Formulierung des Klagebegehrens (Abweichung vom Wortlaut des § 3 Abs. 1 AHG) und auf den zweiten Klagsabweisungsgrund des Erstrichters einzugehen wäre.

Anmerkung

Z52002

Schlagworte

Rückersatzfeststellungsklage des Rechtsträgers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0010OB00030.78.0110.000

Dokumentnummer

JJT_19790110_OGH0002_0010OB00030_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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