TE OGH 1979/3/14 10Os189/78

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Veröffentlicht am 14.03.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.März 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhold A wegen § 88 Abs. 1 und 4 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 3.Juli 1978, GZ. 23 Vr 1311/78-9, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Freyborn sowie des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Karl Mathias Weber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen besuchte der am 18.Jänner 1961 geborene Forstarbeiter Reinhold A am späteren Nachmittag und am Abend des 26.Februar 1978 mehrere Gaststätten in Erl und konsumierte, obwohl er wußte, daß er in der Folge sein Moped nach Hause lenken werde, in der Zeit von etwa 17 Uhr bis gegen 23 Uhr 45 mehrere Liter Bier. Bei Antritt der Fahrt mit dem Moped gegen 23 Uhr 45, knapp vor dem späteren Unfall, war der Angeklagte - bei einem Blutalkoholwert von 2,25 %o (zu dieser Zeit) stark durch Alkohol beeinträchtigt.

Infolge dieser Alkoholisierung, mangelnder Aufmerksamkeit und einer bei schlechter Sicht durch starken Regen relativ überhöhten Geschwindigkeit von 30 bis 35 km/h übersah der Angeklagte schon rund 100 Meter nach Fahrtbeginn auf der Erler-Landesstraße 209 den ihm dort, in seiner Fahrtrichtung gesehen, am rechten Fahrbahnrand, nahe am Bankett, in gerader Richtung entgegenkommenden 67-jährigen Fußgänger Max B und stieß ihn zu Boden. Max B, der ebenfalls stark alkoholisiert war (Blutalkoholgehalt rund 1 1/2 Stunden nach dem Unfall: 1,7 %o), erlitt durch den Unfall schwere Verletzungen, nämlich eine offene Unterschenkelfraktur, Brüche des rechten Zeigeund Kleinfingers, eine Subluxation eines Daumengrundgelenkes und Rißquetschwunden am rechten Unterschenkel.

Auf Grund dieses Sachverhaltes wurde Reinhold A mit dem angefochtenen Urteil des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4, zweiter Deliktsfall (§ 81 Z. 2), StGB schuldig erkannt und zu einer - gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe sowie gemäß § 369 StPO zur Zahlung eines Schmerzengeldbetrages von 1.000 S an den Privatbeteiligten Max B verurteilt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5 und '9' - der Sache nach 9 lit. a und (auch) 10 - des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung nicht zu. In seiner Mängelrüge führt der Beschwerdeführer vorerst aus, die Schlußfolgerungen, auf Grund deren das Erstgericht aus den Verfahrensergebnissen zu den vorerwähnten Tatsachenfeststellungen gelangte, seien keinesfalls zwingend, wobei er in breiten Ausführungen die Richtigkeit dieser Behauptung darzulegen sucht. Damit wird jedoch kein Begründungsmangel im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO aufgezeigt, sondern vielmehr in Wahrheit bloß der unzulässige und damit unbeachtliche Versuch unternommen, die im Verfahren vor dem Schöffengericht unanfechtbare freie richterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen. In deren Rahmen durfte das Gericht der Zeugenaussage des Fußgängers Max B, er sei zur Unfallszeit am Fahrbahnrand in gerader Richtung gegangen, wodurch die bezügliche Feststellung aber bereits hinreichend begründet ist, höhere Glaubwürdigkeit zuerkennen als der - dem gemäß abgelehnten - Verantwortung des Angeklagten, er sei etwa zwei Meter vom rechten Fahrbahnrand entfernt gefahren, als ihm der Fußgänger in einer Art Seitenbewegung zur Fahrbahnmitte hin plötzlich in seine Fahrlinie 'hineingeschwankt' oder 'getorkelt' sei. Daß diese Würdigung der Verfahrensergebnisse dem Beschwerdeführer nicht genug überzeugend erscheint und auch eine andere, für ihn günstigere Wertung denkbar wäre, bedeutet noch keine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO Der weitere Vorwurf (der Beschwerde), das Erstgericht habe für seine Annahme, daß der Beschwerdeführer den Fußgänger infolge seiner Alkoholisierung übersehen habe, nur unzureichende Gründe angeführt, läßt die vom Erstgericht für diese Feststellung insbesondere herangezogene Verantwortung des Beschwerdeführers außer acht, wonach er den Fußgänger erst unmittelbar vor dem Unfall wahrgenommen habe (S. 67). Gerade hieraus ergibt sich nämlich bereits der Aufmerksamkeitsfehler des Beschwerdeführers, für den der Fußgänger, wie er selbst im Rechtsmittel einräumt (S. 89), in dem vor ihm gelegenen Bereich der geradlinig verlaufenden Fahrbahn, damit jedoch naturgemäß auch in jenem des daneben befindlichen, etwa 40 bis 50 cm breiten (S. 19, 69) Banketts jedenfalls sichtbar gewesen wäre. Im übrigen steht die bekämpfte Schlußfolgerung mit der forensisch medizinischen Erfahrung im Einklang, wonach die Alkoholisierung (noch dazu in einem derartigen Maße wie gegenständlich) besonders bei einem jugendlichen Lenker eines einspurigen Fahrzeuges bei Dunkelheit eine empfindliche Leistungseinbuße bewirkt.

Dem Vorbringen der Mängelrüge zuwider liegt schließlich in den Ausführungen des Urteils, der Fußgänger sei 'vorschriftsmäßig' am linken Fahrbahnrand dem Beschwerdeführer entgegengekommen und dort, als er das Moped des Beschwerdeführers wahrgenommen habe, weitergegangen, sowie in der weiteren Urteilsannahme, der Fußgänger sei nicht auf das Bankett hinausgetreten (S. 79), kein innerer Widerspruch der Begründung betreffend Aussprüche über entscheidende Tatsachen (§ 270 Abs. 2 Z. 4 und 5 StPO) im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO Denn die Beantwortung der Frage, ob sich der Fußgänger, der gemäß § 76 Abs. 1 StVO. mangels Vorhandenseins von Gehsteigen oder Gehwegen grundsätzlich das Bankett zu benützen gehabt hätte, jedoch auf der Fahrbahn ging, vorschriftsmäßig verhalten hat oder nicht, stellt keine Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage dar; der behauptete Widerspruch des Urteils bei deren Lösung kann schon deshalb nicht den erwähnten Nichtigkeitsgrund verwirklichen. Die Mängelrüge erweist sich daher zur Gänze als unbegründet.

Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die der Sache nach auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1

StPO gestützte Rechtsrüge, soweit sie die erstgerichtlichen Feststellungen ausdrücklich als unrichtig bezeichnet und neuerlich davon ausgeht, daß der Fußgänger plötzlich in die Fahrspur des Beschwerdeführers getorkelt sei, weil sie solcherart nicht den festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz vergleicht.

Dem - sein Verschulden bestreitenden - Einwand des Beschwerdeführers, er habe 'infolge des im Straßenverkehrsrecht geltenden Vertrauensgrundsatzes nicht damit rechnen können, daß um Mitternacht bei ungünstigen Sichtverhältnissen ein eventuell auf der Straße befindlicher, dunkel gekleideter Fußgänger (die Fahrbahn und) nicht das Bankett benützen würde', ist vorerst entgegenzuhalten, daß der im § 3 StVO. normierte Vertrauensgrundsatz demjenigen, der, wie vorliegend der Beschwerdeführer, es selbst an der erforderlichen Sorgfalt im Straßenverkehr (durch Fahren in schwer alkoholisiertem Zustand mit ungenügender Aufmerksamkeit bei schlechter Sicht und mit relativ überhöhter Geschwindigkeit) hat fehlen lassen, insofern nicht zugute kommt, als er ihn in keiner Weise von der Verantwortlichkeit für das eigene, zufolge eines Verstoßes gegen die Verkehrsvorschriften schuldhafte Fehlverhalten befreit, und ein Mitverschulden des Geschädigten den Täter nicht entschuldigt (vgl. Kammerhofer-Benes StVO.6 E.Nr. 7, 9, 12 bis 14, 16

zu § 3). Wäre der Beschwerdeführer aber - dem (fundamentalen) Grundsatz des Fahrens auf Sicht entsprechend - aufmerksam und mit angemessener Geschwindigkeit gefahren, so hätte er den für ihn ein Hindernis auf der Fahrbahn darstellenden Fußgänger so rechtzeitig wahrnehmen können, daß er in der Lage gewesen wäre, vor diesem Hindernis anzuhalten oder daran mit ausreichendem Abstand vorbeizufahren.

Auf die demnach nur für ein Mitverschulden des Zeugen B bedeutsame Frage, ob dieser die Fahrbahn rechtswidrig benützt hat - was dann nicht zugetroffen hätte, wenn dem Zeugen die Benützung der Bankette, die den Gendarmerieerhebungen nach noch nicht befestigt und mit Streuschotter bedeckt waren (S. 19), wegen deren (Bau-) Zustandes und der sonstigen Verhältnisse zur Unfallszeit (Regen) nicht zumutbar gewesen wäre (siehe § 76 Abs. 1 Ende StVO.) - braucht deshalb nicht eingegangen zu werden. Teils - weil von den Urteilsfeststellungen abweichend - neuerlich nicht gesetzmäßig, teils auch sachlich unbegründet sind die weiteren Ausführungen zur Rechtsrüge, in denen der Beschwerdeführer den Kausalzusammenhang zwischen seiner Alkoholisierung und dem Unfall bestreitet und diesen ausschließlich auf ein Fehlverhalten des Zeugen B zurückführt.

Der Beschwerdeführer setzt sich hier über die ausdrückliche erstgerichtliche Feststellung hinweg, daß er, bedingt durch seine starke Alkoholisierung und die mangelnde Aufmerksamkeit bei schlechter Sicht, den Fußgänger übersah und niederstieß (S. 78). Die Subsumtion dieses rechtswidrigen, fahrlässigen und für den schweren Verletzungserfolg kausalen Verhaltens unter den Grundtatbestand des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 StGB ist somit rechtlich einwandfrei. Im übrigen ist für die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers auch nach § 88 Abs. 4

zweiter Fall (§ 81 Z. 2) StGB, deren Voraussetzungen in subjektiver Hinsicht vom Beschwerdeführer nicht bestritten werden, ein Kausalzusammenhang zwischen Berauschung und Unfall nicht erforderlich (SSt. 30/39 u.a.), weshalb die Rechtsrüge, deutet man sie insoweit auch als Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO, in diesem Punkt ebenfalls und damit zur Gänze versagt.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb der Erfolg zu versagen. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht keinen Umstand als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen das Tatsachengeständnis, die bisherige Unbescholtenheit und ein 'allfälliges' Mitverschulden des Fußgängers an.

Mit seiner Berufung strebt Reinhold A eine Strafermäßigung, die Verhängung einer bedingten Geldstrafe und die Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Der Milderungsgrund des Tatsachengeständnisses hat mangels der im § 34 Z. 17 StGB vorausgesetzten Eigenschaften zu entfallen. Der weitere Milderungsgrund eines 'allfälligen' Mitverschuldens des Fußgängers ist mangels (eindeutiger) Urteilsfeststellung hiezu derart fragwürdig, daß er kaum ins Gewicht zu fallen vermag. Entgegen dem Berufungsvorbringen ist das bisherige Wohlverhalten des Angeklagten als mildernd (Unbescholtenheit) im Ersturteil berücksichtigt worden. Auch die weitere Behauptung des Rechtsmittelwerbers, er sei bei dem Unfall schwer verletzt worden, entspricht nicht den Verfahrensergebnissen; denn darnach (S. 16, 31, 79) hat er lediglich eine Gehirnerschütterung, ein Hämatom am linken Auge und diverse Hautabschürfungen erlitten. Ob diese Verletzungen einzeln und in ihrer Gesamtheit leicht oder schwer sind, ist eine - diesfalls vom Berufungsgericht zu beantwortende -

Rechtsfrage; von einer schweren körperlichen Beschädigung kann hier nicht gesprochen werden.

Im Hinblick auf den enorm hohen, an einen Vollrausch heranreichenden Alkoholisierungsgrad des Berufungswerbers (2,25 %o lt. Urteilsfeststellung S. 81) und den darin verkörperten, ebenso hohen Schuldgehalt, der gemäß § 32 StGB für die Lösung der Straffrage den Ausschlag gibt, kommt eine Herabsetzung der Strafe nicht in Betracht.

Die nämlichen Umstände lassen aber auch spezial- und generalpräventive Belange so in den Vordergrund treten, daß ein Vorgehen nach § 37 Abs. 1 StGB (siehe § 88 Abs. 4 Ende StGB) ausscheidet.

Der Vorschrift des § 365 Abs. 2 StPO (Vernehmung des Angeklagten zum Adhäsionsanspruch) wurde Genüge getan (S. 71). Angesichts der sehr schweren Verletzungen des Privatbeteiligten ist der Schmerzengeldanspruch (im Strafverfahren geltend gemachter Teilbetrag) als minimal anzusehen. Darnach braucht auf die Mitverschuldensbehauptung hier nicht eingegangen werden. Für eine Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg besteht somit nicht der geringste Anlaß.

Anmerkung

E01843

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00189.78.0314.000

Dokumentnummer

JJT_19790314_OGH0002_0100OS00189_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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