TE OGH 1979/6/22 13Os47/79

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Veröffentlicht am 22.06.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Juni 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lackner als Schriftführers in der Strafsache gegen Margarita A wegen des Vergehens nach dem § 1 Abs 1 lit. a, c und e PornG. über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengerichtes vom 12.Dezember 1978, GZ 1 b Vr 1128/78-14, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers der Angeklagten, Rechtsanwaltes Dr. Holzberger, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Margarita A wird von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe von Anfang Juli bis 2.August 1978 in Gablitz und anderen Orten unzüchtige Schriften und Abbildungen zum Zwecke der Verbreitung vorrätig gehalten, anderen angeboten und teilweise überlassen sowie in verbreiteten Schriften, nämlich den Tageszeitungen 'K***' und 'K***', durch Inserate bekanntgegeben, wie diese Schriften erworben werden können, nämlich das Magazin 'Wiener Kontakt Illustrierte Jet Sex' Nr. 1 (550 Stück), und sie habe hiedurch das Vergehen nach dem § 1 Abs 1

lit. a), c) und e) des Bundesgesetzes vom 31.März 1950, BGBl. Nr. 97, begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Friseurmeisterin Margarita A des in der Zeit von Anfang Juli bis 2.August 1978 begangenen Vergehens nach dem § 1 Abs 1 lit. a), c) und e) PornG. schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Von der Anklage, eben dieses Delikt auch in der Zeit von Anfang 1978 bis Anfang Juli 1978 begangen zu haben, wurde sie gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gemäß den §§ 1 Abs 3 PornG. und 41 PresseG. wurde auf Verfall des inkriminierten Druckwerkes erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen übernahm es die Angeklagte, für den abgesondert verfolgten Schweizer Staatsangehörigen Rudolf B einen Versandhandel mit Kontaktmagazinen in Österreich aufzubauen.

Sie inserierte zu diesem Zweck ab Anfang 1978 in den Tageszeitungen 'K***' und 'K***' unter dem Postfach 3003 Gablitz für die Druckschrift 'Wiener Kontakt Illustrierte Jet Sex' mit dem Untertitel 'Lesbos' und versandte auch in der Zeit von Anfang Juli bis 2.August 1978 einen Teil der ihr von B überbrachten 550 Stück der Nr. 1 des Magazins, in Kenntnis des Inhaltes, gegen Nachnahme an Interessenten, die sich über das genannte Postfach meldeten. In rechtlicher Hinsicht vertritt das Jugendschöffengericht die Ansicht, das gegenständliche Kontaktmagazin enthalte zahlreiche Abbildungen 'lesbischen Umganges', wie gegenseitiges Küssen auf Brüste und Betasten im Genitalbereich, weshalb es als absolut unzüchtig (im Sinne der sogenannten 'harten' Pornographie) zu bezeichnen sei. Durch den Vertrieb im Wege des Postversandes sei auch kein ausreichender Belästigungs- und Jugendschutz gewährleistet gewesen.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a und b sowie 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten. Unter Berufung auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9

lit. a und b des § 281 Abs 1 StPO bringt die Angeklagte vor, sie habe die Strafbarkeit der lesbischen Darstellungen in der vorliegenden Druckschrift nicht erkannt, dieser Irrtum sei ihr auch nicht vorzuwerfen.

Rechtliche Beurteilung

Schon aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund erweist sich die Beschwerde als berechtigt.

Bei der Auslegung des normativen Begriffes der Unzüchtigkeit kommt es nämlich neben der ratio legis (Hintanhaltung von Störungen des Zusammenlebens innerhalb der Gesellschaft) auf die allgemeine Einsichtigkeit in die Strafwürdigkeit des inkriminierten Verhaltens an, wobei der Maßstab für die Auslegung normativer Begriffe in den hic et nunc vorhandenen Wertvorstellungen der Gesellschaft zu erblicken ist (ZB. Kunert, Die normativen Merkmale der strafrechtlichen Tatbestände, S. 98; im gleichen Sinn Rittler I2, S. 93). Denn normative Begriffe, die sich - wie der der Unzüchtigkeit - auf das objektive Geschehen beziehen, sind echte Merkmale des objektiven Tatbestandes und verlieren diesen Charakter nicht dadurch, daß ihre Feststellung einen Wertungsprozeß voraussetzt (Maurach-Zipf, Strafrecht5, Teilband 1, S. 340). Um Wertvorstellungen zu haben, muß man aber den in Betracht zu ziehenden Wert oder Unwert klar erkennen können (SSt. 46/50). Es ist bei den normativen Tatbestandsmerkmalen für den Täter volle Bedeutungskenntnis erforderlich, das heißt 'es muß eine der Bewertung durch den Gesetzgeber gleichgerichtete Einschätzung des Tatbestandsmerkmals im Gedankenkreis der individuellen Person vorliegen' (Jescheck3 236 f.); im besonderen bei Verstößen gegen das Pornographiegesetz muß der Täter 'den pornographischen Charakter einer Darstellung erkennen' (Schönke-Schröder-Cramer19 S. 215). In diesem Sinne sprach der Oberste Gerichtshof auch schon in SSt. 46/50 aus, daß der normative Begriff der Unzüchtigkeit keinen vorgegebenen Inhalt hat, er vielmehr auf das Wertgefühl jedermanns, d.h. wie es von jedem unvoreingenommenen Durchschnittsmenschen vorausgesetzt wird, abgestellt ist.

Als insoweit objektives Tatbestandsmerkmal muß die Unzüchtigkeit (des Druckwerkes) daher, soll der Tatbestand nach dem § 1 PornG. verwirklicht sein, nicht nur objektiv vorliegen, sondern als solches Tatbestandsmerkmal auch subjektiv vom (zumindest bedingten) Vorsatz des Täters umfaßt sein.

Es kann nun vorliegend dahingestellt bleiben, ob das gegenständliche Druckwerk nach Inhalt und Art als unzüchtig im Sinne des § 1 PornG. anzusehen ist; da aber nicht jede Art einer Darstellung homosexuellen Treibens (siehe über diesen Begriff SSt. 40/5, EvBl. 1971/348, 13 Os 44/79) schon pornographisch ist und es vorliegend an einer bei derartigen Erzeugnissen ansonsten üblichen anreißerisch verzerrten, ausschließlich der sexuellen Erregung der Konsumenten dienenden und daher auch propagandistisch wirkenden, im Sinn einer groben Störung des Zusammenlebens der Gesellschaft intolerablen Darstellung intensiver gleichgeschlechtlicher Unzucht fehlt (vgl. 13 Os 35/79), stellt es einen jener Grenzfälle dar, bei denen ein Zweifel darüber, ob das Merkmal der Unzüchtigkeit gegeben ist oder nicht, denkbar ist.

Nun hat das Erstgericht der Angeklagten erkennbar zugebilligt, daß sie die vorliegenden Darstellungen nicht für unzüchtig hielt (S. 53), ihr also eine allenfalls vorhandene Unzüchtigkeit des Druckwerkes verborgen blieb, womit es aber an der Verwirklichung der subjektiven Tatseite und damit an einem Grunderfordernis für eine Strafbarkeit des festgestellten Verhaltens fehlt. In diesem Grenzbereich ist eine solche Beurteilung auch nicht schlechthin auf einen Mangel an Wertgefühl zurückzuführen, der allenfalls als Rechtsirrtum anzusehen wäre, sondern als Mangel am Vorsatz bezüglich eines normativen Tatbildmerkmales. Auf die Frage einer Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines Rechtsirrtums (§ 9 StGB) muß daher, weil es schon in subjektiver Hinsicht an der Tatbestandsmäßigkeit gebricht, gar nicht mehr eingegangen werden. Bereits in Stattgebung der Rechtsrüge war daher das angefochtene Urteil - abgesehen von dem in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch - im Schuld- und Strafausspruch (einschließlich des Verfallsausspruches) aufzuheben und Margarita A von dem Anklagevorwurf, soweit über ihn nicht schon im Teilfreispruch erkannt wurde, gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu

verweisen.

Ergeben sich die Voraussetzungen für das selbständige Verfahren in der Hauptverhandlung über eine Anklage, so kann über den Antrag auf Verfall in dem freisprechenden Erkenntnis erkannt werden (§ 4 Abs 3 PornG., § 42 Abs 3

PresseG.), eine auch vorliegend anwendbare Maßnahme, zu der sich der Oberste Gerichtshof nach Prüfung der Sachlage jedoch nicht veranlaßt gesehen hat.

Anmerkung

E02082

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00047.79.0622.000

Dokumentnummer

JJT_19790622_OGH0002_0130OS00047_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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