TE OGH 1980/3/11 10Os25/80

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Veröffentlicht am 11.03.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kronlachner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Leopold A wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 1, 86 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 10. Oktober 1979, GZ. 15 Vr 320/79-55, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens (der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang) nach §§ 83 Abs. 1, 86 StGB.

(Punkt d des Urteilssatzes) sowie demzufolge ferner im Strafausspruch (einschließlich des davon abhängigen Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft gemäß § 38 StGB.) aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 17.Oktober 1933 geborene, zuletzt beschäftigungslose Hilfsarbeiter Leopold A außer anderen strafbaren Handlungen (§ 83 Abs. 1 StGB.) des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 1, 86 StGB. schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs verletzte er in der Nacht zum 12.April 1979 in Krems an der Donau vorsätzlich seine Ehegattin Leopoldine A durch zahlreiche Schläge in das Gesicht und gegen den Kopf, wodurch sie eine Gehirnblutung erlitt, die ihren Tod zur Folge hatte.

Mit seiner auf die Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich der Angeklagte lediglich gegen die Zurechnung - objektive Vorhersehbarkeit - des Todes der Leopoldine A und wirft dem Urteil insoweit eine unvollständige Begründung vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Mängelrüge kommt im Ergebnis Berechtigung zu:

Das Schöffengericht stützte die objektive Vorhersehbarkeit des Todeseintritts auf das Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. B und leitete daraus ab, daß die für den Tod der Leopoldine A ursächliche frische Blutung unter die harte Hirnhaut durch Gewalteinwirkungen des Angeklagten - heftige Schläge, wodurch die nachmals Getötete mit dem Schädel (auch) gegen feste Gegenstände (Mauer, Nachtkästchen) prallte - entstanden sein mußte, wobei er 'für möglich gehalten hat, daß seine Gattin allenfalls infolge von Brüchen, inneren Blutungen oder dergleichen sterben könne, nicht aber an einer Gehirnblutung' (S. 509 Bd. I). Insoweit hätte sich jedoch das Erstgericht nicht - so wie dies im Endergebnis geschah - bloß auf einen Teil des Gutachtens stützen und nicht (faktisch bloß hierauf bezogen) einfach zum Ausdruck bringen dürfen, daß der Tod der Leopoldine A zwar durch deren persönliche Beschaffenheit - eine auf krankhafter Veränderung der Leber beruhende Störung der Blutgerinnung und dadurch bedingte erhöhte Blutungsbereitschaft (ON. 39) - begünstigt wurde, der tödliche Erfolg aber allein wegen dieser besonderen Konstitution der genannten auf Grund der vom Angeklagten nicht in Abrede gestellten Mißhandlungen noch keinesfalls als völlig atypische bezeichnet werden könne.

Vielmehr hätte es sich ausdrücklich und schlüssig auch mit den (weiteren) Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen besonders auseinandersetzen müssen, wonach ohne Werkzeug (Hiebwaffe) gegen den Kopf geführte Schläge in der Regel bloß dann zu schweren inneren Traumen mit Blutungen führen, wenn sie eine Wucht haben, derzufolge es auch zu sichtbaren äußeren Verletzungen oder Knochenbrüchen im Bereich des Schädels kommt, hier, wo nichts derartiges feststellbar und die Schlageinwirkung daher keine entsprechend wuchtige gewesen war, sohin die zuvor erwähnte erhöhte Blutungsbereitschaft einen wesentlichen Faktor für den Eintritt des tödlichen Erfolgs darstellte und ein - letzteren bewirkendes - traumatisches Geschehen auslöste, das namentlich für einen medizinischen Laien außer der Norm und außerhalb einer üblichen (nach einem Durchschnittsmaßstab vorhersehbaren) Kausalitätskette liegt (S. 481, 483, 485). Mit Recht macht daher die Mängelrüge unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit geltend, daß das Erstgericht sich über Verfahrensergebnisse hinwegsetzte, die gegen die Vorhersehbarkeit des Todes der Leopoldine A für den Beschwerdeführer und damit gegen die Zurechenbarkeit der Todesfolge sprechen, für deren Zurechnung unter dem in Rede stehenden Aspekt wohl die Erkennbarkeit des (zum Todeseintritt führenden) Verlaufes im allgemeinen genügt, jedoch (auch wenn für den Täter nicht alle Einzelheiten des Erfolgseintritts voraussehbar sein müssen, trotzdem, weil die Vorhersehbarkeit eines qualifizierten Erfolges für ihn lediglich unter der nachfolgend angeführten Voraussetzung zu bejahen und ihm der Erfolg - auch subjektiv - zuzurechnen sein wird) jedenfalls erforderlich ist, daß der betreffende Erfolg nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eintreten konnte (Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht 187), derselbe mithin im Verhältnis zur Tathandlung nicht atypisch und sonach im Rahmen des vom Täter eingegangenen Gefahrenrisikos gelegen ist. Dies trifft jedoch nicht zu, wenn der durch die Tat konkret verursachte Erfolg nach allgemeiner Lebenserfahrung als geradezu außergewöhnlich und außerhalb jeder menschlichen Erwartung gelegen bezeichnet werden muß.

All' das scheint das Erstgericht in rechtlicher Beziehung zumindestens grundsätzlich nicht verkannt zu haben; es trug aber dieser, für die Frage nach der Entscheidungswesentlichkeit von Beweisergebnissen und damit deren Erörterungsbedürftigkeit - hier vor allem bestimmter gutächtlicher Äußerungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen - bedeutsamen Rechtsauffassung bei der Sachverhaltsfeststellung nicht oder zumindestens nicht hinreichend Rechnung. Es unterblieb dadurch die gebotene gewissenhafte Erörterung der erwähnten Ausführungen des Sachverständigen. Schon die dem Urteil deshalb anhaftende, vom Beschwerdeführer zutreffend relevierte Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. nötigt zur Aufhebung des Urteils und zur Anordnung einer Verfahrenserneuerung. Ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen zum selben Nichtigkeitsgrund bedurfte, war sohin der Nichtigkeitsbeschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 285 e StPO. bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.

Im zweiten Rechtsgang könnte im Zusammenhang mit der Frage der (objektiven) Vorhersehbarkeit des Todeseintritts der Leopoldine A (außer einer ergänzenden Befragung des schon gehörten gerichtsmedizinischen Sachverständigen) allenfalls (auch) die Beiziehung eines weiteren (zweiten) Sachverständigen (§§ 118 Abs. 2, 126 StPO.) angezeigt sein.

Anmerkung

E02526

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00025.8.0311.000

Dokumentnummer

JJT_19800311_OGH0002_0100OS00025_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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