TE OGH 1980/3/26 11Os49/80

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Veröffentlicht am 26.03.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hochleithner als Schriftführers in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1

StGB. über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom 5.Februar 1979, GZ. U 1.947/77-25, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom 5.Februar 1979, GZ. U 1.947/77-25, mit dem die bedingte Nachsicht der mit dem Urteil desselben Gerichtes vom 25.November 1977

über Helmut A verhängten Freiheitsstrafe von vierzehn Tagen widerrufen wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 53 Abs. 1 StGB. und 495 Abs. 2 StPO.

Dieser Beschluß und alle darauf beruhenden gerichtlichen Anordnungen und Verfügungen werden aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht Tulln aufgetragen, dem Gesetz gemäß vorzugehen.

Text

Gründe:

I./ Aus den Akten AZ. U 1.947/77 des Bezirksgerichtes Tulln und AZ. 15 E Vr 1.532/77 des Kreisgerichtes St. Pölten ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der am 4.Dezember 1956 geborene Helmut A wurde mit dem in einem Protokolls- und Urteilsvermerk beurkundeten Urteil des Bezirksgerichtes Tulln vom 25.November 1977, GZ. U 1.947/77-8, des in der Zeit von Oktober 1976 bis 25.November 1977 begangenen Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer - gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Tagen verurteilt.

In weiterer Folge wurde Helmut A mit dem (gleichfalls in einem Protokolls- und Urteilsvermerk beurkundeten) Urteil des Kreisgerichts St. Pölten vom 14.März 1978, GZ. 15 E Vr 1.532/77-6, wegen des am 20.Juli 1977 verübten Verbrechens des (schweren) Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. zu einer - gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt. Zugleich wurde ihm die Weisung erteilt, bis zum 1.Juni 1978 und für die Dauer der Probezeit jeweils am 1.Oktober und am 1.März eines jeden Jahres dem Gericht unaufgefordert nachzuweisen, daß er einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehe oder im Fall einer Arbeitslosigkeit beim zuständigen Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet sei.

Rechtliche Beurteilung

Die oben erwähnte Verurteilung durch das Bezirksgericht Tulln war im Zeitpunkt der Urteilsfällung durch das Kreisgericht St. Pölten nicht aktenkundig, weswegen auch eine Bedachtnahme gemäß dem § 31 StGB. unterblieb.

Das Bezirksgericht Tulln hingegen erlangte von der Verurteilung durch das Kreisgericht St. Pölten am 14.August 1978 zufolge einer Mitteilung des Strafregisteramtes Kenntnis (ON. 18 in U 1.947/77 des Bezirksgerichtes Tulln).

Nachdem der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Tulln einen Antrag auf 'Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre' gestellt (vgl. S. 34 in U 1.947/77 des Bezirksgerichtes Tulln) und das Bezirksgericht Tulln den Verurteilten zu einem ins Auge gefaßten Widerruf der bedingten Strafnachsicht gehört hatte (vgl. S. 53), wurde mit dem Beschluß vom 5. Februar 1979, GZ. U 1.947/77-25, die bedingte Nachsicht der mit dem Urteil vom 25.November 1977 verhängten Freiheitsstrafe widerrufen. Dieser Beschluß, in dem unter Hinweis auf die Verurteilung durch das Kreisgericht St. Pölten am 14.März 1978 die Auffassung vertreten wird, es liege der Widerrufsgrund des § 53 Abs. 1 StGB. vor, erwuchs in Rechtskraft.

II./ Der zuletzt erwähnte Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom 5. Februar 1979, GZ. U 1.947/77-25, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Die (neuerliche) Verurteilung des Helmut A durch das Kreisgericht St. Pölten vom 14.März 1978 bezog sich nämlich nicht - was im § 53 Abs. 1 (erster Satz) StGB. als Voraussetzung für den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht gemäß dieser Gesetzesstelle normiert wird - auf eine während der Probezeit begangene strafbare Handlung, sondern hatte einen bereits am 20.Juli 1977 (also vor dem erst am 25.November 1977 erflossenen Urteil des Bezirksgerichtes Tulln) verübten Diebstahl zum Gegenstand. Aus demselben Grund könnte auch eine Verlängerung der vom Bezirksgericht Tulln bestimmten dreijährigen Probezeit auf fünf Jahre (wie sie vom Bezirksanwalt gefordert wurde) nicht Platz greifen. Der erwähnte Widerrufsbeschluß des Bezirksgerichtes Tulln - das allerdings bei Vorliegen der (hier jedoch nicht gegebenen) Widerrufsvoraussetzungen nach dem § 53 Abs. 1 StGB. über den (nur die Verlängerung der Probezeit begehrenden) Antrag des gemäß dem § 495 Abs. 3 StPO.

lediglich zu hörenden Anklägers an sich auch hinausgehen konnte - war daher verfehlt.

Ein Widerruf sowohl der im Verfahren des Bezirksgerichts Tulln als auch der im Verfahren des Kreisgerichts St. Pölten gewährten bedingten Strafnachsicht könnte nur auf Grund der Bestimmung des § 55 Abs. 1 StGB. stattfinden. Diese Widerrufsentscheidung - oder die Entscheidung, von einem Widerruf abzusehen (in welchem Fall die Bestimmung des § 55 Abs. 3 StGB. zum Zug käme) - ist gemäß dem § 495 Abs. 2 StPO. dem Gericht höherer Ordnung, dessen Urteil (gleichfalls) eine bedingte Nachsicht enthält, somit im vorliegenden Fall dem Kreisgericht St. Pölten, vorbehalten. Das Bezirksgericht Tulln wird daher seine Akten AZ. U 1.947/77 zur Beschlußfassung nach den §§ 55

StGB., 495 StPO. an dieses Gericht zu übermitteln haben. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E02545

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00049.8.0326.000

Dokumentnummer

JJT_19800326_OGH0002_0110OS00049_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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