TE OGH 1981/5/21 13Os47/81

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Veröffentlicht am 21.05.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mischer als Schriftführers in der Strafsache gegen Irene A wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1

StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Irene A gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 14.Jänner 1981, GZ. 29 Vr 2736/80-56, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem die Angeklagte Irene A betreffenden Schuldund Strafausspruch (einschließlich des diese Angeklagte berührenden Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte Irene A auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (unter anderem) die Angeklagte Irene A (zu A 1 a) des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil sie vom 14. bis 16.Juni 1980 in Arzl im Pitztal (Tirol) sich der Höhe nach nicht mehr genau feststellbare, jedoch 5.000 S nicht übersteigende Inkassogelder mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, zugeeignet hat.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen nahm die Angeklagte Irene A gemeinsam mit der rechtskräftig abgeurteilten Mitangeklagten Monika B am Abend des 14.Juni 1980 im Gasthaus 'D' in Arzl im Pitztal ihre Arbeit als Serviererin (mit Inkassoberechtigung) auf und verließ (ebenso wie Monika B) in den frühen Morgenstunden des 16. Juni 1980 ohne Abmeldung heimlich wieder diesen Arbeitsplatz, nachdem sie noch am vorangegangenen Abend mit dem Gastwirt Hans-Jörg C abgerechnet und 7.000 S an Inkassogeld abgeliefert hatte. Wie aus den Entscheidungsgründen hervorgeht, steht dieser Schuldspruch mit einer Flasche Cognac und einer Flasche Schnaps (Obstler), die geleert im Zimmer der beiden Angeklagten vorgefunden wurden, sowie mit dem Fehlen von 60 Päckchen Zigaretten im Zusammenhang, wozu das Erstgericht (im Zweifelsfall) als erwiesen ansah, daß sich die Angeklagten nach Verkauf der von der Zeugin Brigitte C mit insgesamt 2.450 S bewerteten (S. 161 u. 202) Getränke und Zigaretten den Verkaufserlös behielten. Mangels weiterer Beweisergebnisse (beide Angeklagten bestritten ein strafbares Verhalten im Zusammenhang mit den in ihrem Zimmer vorgefundenen leeren Flaschen sowie mit fehlenden Zigaretten: S. 28 a, 91, 223, 225, 352; 243, 245, 350; die Zeugin Brigitte C vermochte darüber konkret nichts auszusagen: S. 353, 354) teilte das Schöffengericht den hiefür erzielten Verkaufserlös in unbestimmter Höhe auf die beiden Angeklagten auf und sprach dazu aus, daß das 'widerrechtliche Inkasso' bei der Angeklagten Irene A nicht genau festgestellt werden könne, jedoch den Betrag von 5.000 S nicht übersteige (S. 364).

Den gegen sie ergangenen Schuldspruch ficht die Angeklagte Irene A mit einer auf die Gründe der Z. 4, 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an.

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht behauptet die Beschwerdeführerin, daß die Urteilsannahme, wonach auch sie sich (zumindest) einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf der alkoholischen Getränke aus den Flaschen sowie der 60 Päckchen Zigaretten widerrechtlich angeeignet habe, mit einem Begründungsmangel nach der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet sei. Das Erstgericht hat nämlich diese Feststellung, die in den Verfahrensergebnissen keine ausreichende Deckung findet, zum Nachteil der Angeklagten Irene A getroffen, weil ein Verkauf des Inhalts dieser beiden Flaschen sowie der Zigaretten und die Zueignung des hiebei erzielten Verkaufserlöses durch die Mitangeklagte B allein, also ohne bewußtes und gewolltes Zusammenwirken mit der Beschwerdeführerin, nach den Verfahrensergebnissen und der Urteilsbegründung durchaus offenblieb. Die von der Beschwerdeführerin mit Mängelrüge bekämpfte Urteilskonstatierung, daß beide Angeklagten allenfalls sogar im bewußten und gewollten Zusammenwirken in Mittäterschaft diese Sachen verkauften und den Erlös sich zueigneten, ist im Ersturteil ohne Begründung geblieben. Das Recht der freien Beweiswürdigung geht nicht so weit, daß das Gericht ohne Begründung aus den konkreten Umständen des Falls nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens ungeklärt gebliebene Umstände zum Nachteil eines Angeklagten ergänzen darf. Eine solche Urteilsannahme ist daher infolge offenbar unzureichender Begründung mit dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet (Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, Nr. 64 und 64 a zu § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.).

Ob das Erstgericht darüber hinaus auch noch die widerrechtliche Zueignung eines Betrags von rund 200 S durch die Beschwerdeführerin als erwiesen annahm, läßt sich dem Urteil nicht eindeutig entnehmen, weil darin nur deren bezügliche Verantwortung wiedergegeben wird, sich allenfalls einen solchen Betrag behalten, diesen jedoch als Ersatz für den ihr zustehenden Lohn angesehen zu haben (S. 364 und 369, 370 in Verbindung mit der Verantwortung der Beschwerdeführerin, S. 352). Über die Höhe der ihr im Tatzeitpunkt zustehenden Lohnforderung enthält das Ersturteil keine Feststellung, sodaß ungeklärt bleibt, ob diese Forderung dem von ihr einbehaltenen (Inkasso-) Betrag zumindest entspricht oder ihn sogar übersteigt. Entgegen der vom Schöffensenat vertretenen Auffassung ist es allerdings nicht unbedingt erforderlich, daß der - mit dem Tatbestandsmerkmal der unrechtmäßigen Bereicherung das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit, also ein Schuldelement, und aus diesem Grund die Strafbarkeit ausschließende (EvBl. 1970 Nr. 121 und JBl. 1976 S. 47) - Aufrechnungswille mit einer bestehenden Gegenforderung ausdrücklich erklärt werden muß. Die Bekanntgabe der Aufrechnung mit einer bestehenden Gegenforderung ist nur ein - wenn auch wesentliches - Indiz für das Vorhandensein des Aufrechnungswillens. Es genügt aber, wenn der - im Tatzeitpunkt erforderliche - Aufrechnungswille auf sonstige Weise konkludent, so etwa dadurch, daß ein Dienstnehmer unter erkennbarer Abstandnahme von der Geltendmachung des ihm zustehenden Lohnanspruchs seinen Arbeitsplatz verläßt, zum Ausdruck kommt. Ob unter solchen Umständen ein Wille zur Aufrechnung eines Lohnanspruchs mit dem einbehaltenen Geldbetrag bestand, ist letztlich eine der Beurteilung des Gerichts in freier Würdigung anheimgegebene Beweisfrage.

Angesichts des Umstands, daß das Ersturteil die Höhe des von der Beschwerdeführerin einbehaltenen (und ihr als Veruntreuung angelasteten) Betrags nur nach oben mit 5.000 S begrenzt, ihn im übrigen aber ebenso wie das Ausmaß der ihr im Tatzeitpunkt zustehenden Lohnforderung völlig offenläßt, ist - ganz abgesehen von der rechtsirrtümlichen Auffassung, die das Erstgericht zur Frage der Geltendmachung einer (die unrechtmäßige Bereicherung ausschließenden) Aufrechnung vertritt - eine abschließende Beurteilung des vom öffentlichen Ankläger gegen die Beschwerdeführerin erhobenen Veruntreuungsvorwurfs derzeit nicht möglich; dies vor allem deshalb, weil für den nach den insoweit undeutlichen Feststellungen des Uurteils nicht auszuschließenden Fall, daß die Beschwerdeführerin als Mittäterin der Mitangeklagten B den gesamten (aus dem Verkauf der alkoholischen Getränke aus den beiden Flaschen und der Zigaretten erzielten) Erlös (in der Höhe von etwa 2.450 S) strafrechtlich zu verantworten hat, der ersichtlich - aus ihrer kaum zweitägigen Tätigkeit als Kellnerin resultierende - geringe Lohnanspruch zur (vollen) Aufrechnung mit dem insgesamt (gemeinsam mit der Mitangeklagten B) einbehaltenen Geldbetrag nicht ausreichen würde, sodaß die Angeklagte A den Differenzbetrag (weil insoweit eine unrechtmäßige Bereicherung vorläge) strafrechtlich (als Veruntreuung) zu vertreten hätte.

Schon aus dem Grund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO., war sohin das Ersturteil betreffend die Angeklagte Irene A (zur Gänze) gemäß § 285 e StPO. bei einer nichtöffentlichen Beratung als nichtig aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Tatsacheninstanz zurückzuverweisen, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere, auf den Grund der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte oder mit der Rechtsrüge (auf der Grundlage des nunmehr aufgehobenen Schuldspruchs) die Anwendung des § 42 StGB. reklamierende Beschwerdevorbringen bedurfte. Mit ihrer des weiteren ergriffenen Berufung war die Angeklagte Irene A auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E03155

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00047.81.0521.000

Dokumentnummer

JJT_19810521_OGH0002_0130OS00047_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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