TE OGH 1983/4/13 1Ob817/82

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Veröffentlicht am 13.04.1983
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Norm

ABGB §1170

Kopf

SZ 56/59

Spruch

Das Recht des Bestellers, die gesamte Gegenleistung bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes zu verweigern, endet mit der exekutiven Versteigerung des mangelhaften Werkes

OGH 13. 4. 1983, 1 Ob 817/82 (LGZ Graz 27 R 411/82; BGZ Graz 27 C 1214/81)

Text

Der Beklagte war Eigentümer einer Liegenschaft mit dem Haus H 61. In den Jahren 1975 bis 1976 ließ er durch die Firma E als Generalunternehmer Sanierungsarbeiten an dem Haus durchführen. Die Firma E bediente sich für die Spenglerarbeiten des Klägers. Infolge eines Zerwürfnisses zwischen dem Beklagten und der Firma E beauftragte der Beklagte den Kläger unmittelbar mit der Durchführung weiterer Spenglerarbeiten. Am 29. 3. 1976 legte der Kläger Rechnung. Mit Schreiben vom 17. 5. 1976 stellte der Beklagte die Rechnung mit dem Bemerken zurück, die Arbeiten seien so durchgeführt, daß es durch die Dachrinne durchregne. Mit Antwortschreiben vom 24. 5. 1976 ersuchte der Kläger den Beklagten, am 26. 5. 1976 um 18 Uhr an der Baustelle zu sein, um ihm die Mängel zu zeigen. Der Kläger vergewisserte sich vor dem Termin telefonisch, ob der Beklagte komme. Eine Angestellte des Beklagten sicherte ihm dessen Kommen zu. Der Beklagte erschien jedoch nicht. Es bestanden zahlreiche Mängel, die vom Kläger nicht behoben wurden.

Für seine Leistungen begehrte der Kläger mit der am 22. 6. 1976 bei Gericht eingelangten Klage einen Werklohn von 15 744.80 S sA. Der Beklagte bestritt die Angemessenheit des begehrten Werklohnes. Er behauptete darüber hinaus mangelnde Fälligkeit, weil das Werk Mängel aufweise und daher noch nicht vollendet sei.

Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang dem Klagebegehren statt. Es vertrat den Standpunkt, daß der Beklagte durch die Nichteinhaltung des vereinbarten Termines vom 26. 5. 1976 eine Verbesserung verhindert habe, sodaß der Werklohn jedenfalls fällig sei. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach mit Bindungswirkung für das Erstgericht aus, daß in dem Nichterscheinen des Beklagten zu dem Besichtigungstermin keine Verhinderung der Verbesserung gelegen sei.

Die Liegenschaft des Beklagten wurde am 10. 7. 1980 exekutiv versteigert. Nach Vorliegen eines Sachverständigengutachtens schränkte der Kläger bei der Tagsatzung am 19. 2. 1981 das Klagebegehren um die vom Sachverständigen ermittelten Kosten der Mängelbehebung im Betrage von 1770 S und vorprozessuale Kosten von 360.92 S auf 13 613.88 S sA ein.

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das (eingeschränkte) Klagebegehren ab. Habe der Besteller Verbesserung des mangelhaften Werkes verlangt, könne er bis zur Verbesserung jede Gegenleistung verweigern. Das Entgelt werde jedoch ungeachtet der vorhandenen Mängel fällig, wenn der Besteller eine Verbesserung verhindere. Das Nichterscheinen des Beklagten zum Besichtigungstermin am 26. 5. 1976 könne nach der überbundenen Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht als Verhinderung der Verbesserung angesehen werden. Das Festhalten des Beklagten an seinem Verbesserungsanspruch nach exekutiver Versteigerung der Liegenschaft stellte keine schikanöse Rechtsausübung dar.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Bei den meisten Mängeln handle es sich nicht bloß um ganz unwesentliche Mängel. Nur bei solchen Mängeln stehe dem Besteller das Recht, die Gegenleistung zu verweigern, nicht zu.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Klägers hielt der Oberste Gerichtshof nach § 502 Abs. 5 ZPO für zulässig, weil die vom Berufungsgericht in seinem ohne Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschluß vertretene Rechtsansicht über die Verhinderung der Verbesserung durch den Beklagten für die neue Entscheidung maßgeblich war und nunmehr von der Revision bekämpft werde (EvBl. 1967/185 ua.; Fasching IV 290). Es könne dann auch die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Rahmen des § 503 ZPO auch aus anderen Gründen angefochten werden (EvBl. 1967/185 ua.; Fasching IV 291).

Der Oberste Gerichtshof änderte die Urteile der Vorinstanzen dahin ab, daß er den Beklagten schuldig erkannte, dem Kläger 13 613.88 S samt 4% Zinsen seit 11. 7. 1980 binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach herrschender Rechtsprechung ist der Besteller, der seine Gegenleistung noch nicht erbracht hat und die Verbesserung des mangelhaften Werkes fordert, berechtigt, die gesamte Gegenleistung bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrages durch den Unternehmer, somit bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes zu verweigern. Dadurch soll dem Besteller die Erlangung eines einwandfreien Werkes gesichert werden. Ein solches Vorgehen wird als geeignetes Mittel angesehen, den Vertragspartner zu einer umgehenden Verbesserung und Vollendung des Werkes zu bestimmen und den Besteller der undankbaren Aufgabe zu entheben, auf Erbringung der Verbesserung klagen oder selbst die Beseitigung der vorhandenen Mängel durch einen anderen Unternehmer erreichen zu müssen. Das Recht auf Leistungsverweigerung steht grundsätzlich auch bei Vorliegen geringer Mängel zu und findet seine Grenze nur in dem im § 1295 Abs. 2 ABGB normierten, nicht bloß für den Bereich des Schadenersatzes geltenden Grundsatz, daß die Ausübung eines Rechtes nicht zur Schikane ausarten darf (RZ 1980/36; SZ 52/23; JBl. 1976, 537; SZ 48/108; SZ 39/27 uva.). Die Fälligkeit des Werklohnes kann aber nur so lange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liegt. Fällt dieses Interesse weg, besteht kein Bedürfnis nach Gewährung eines gänzlichen Leistungsverweigerungsrechtes mehr. Dies ist bei einer exekutiven Versteigerung der zu verbessernden Sache der Fall. Die Sache wurde mit dem vorhandenen Mangel geschätzt (Heller - Berger - Stix 1153) und in diesem Zustand versteigert. Der Erwerber hat keinen Anspruch auf Gewährleistung (§ 189 Abs. 2 EO) und damit auch keinen Anspruch auf Verbesserung gegenüber dem Bauzustand im Zeitpunkt der Schätzung (vgl. Heller - Berger - Stix 1246). Der Besteller hat dann aber kein Interesse an der Mängelbehebung mehr, weil seine Position dadurch nicht mehr verbessert werden kann. Er kann nur mehr Interesse an einer Preisminderung haben. Daraus ergibt sich, daß mit der exekutiven Versteigerung der Liegenschaft des Beklagten am 10. 7. 1980 das bis dahin bestandene Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten weggefallen und die der Höhe nach nicht mehr strittige, die dem Beklagten zustehende Preisminderung bereits berücksichtigende Forderung des Klägers fällig geworden ist. Der Beklagte konnte sich dann nicht mehr auf mangelnde Fälligkeit berufen. Er hätte dem Eintritt der Fälligkeit durch Zahlung Rechnung tragen müssen, um vollen Kostenersatzanspruch zu behalten.

Anmerkung

Z56059

Schlagworte

Werkvertrag, Verweigerung der Gegenleistung bis zur Verbesserung bei, Versteigerung des mangelhaften Werkes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0010OB00817.82.0413.000

Dokumentnummer

JJT_19830413_OGH0002_0010OB00817_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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