TE OGH 1985/1/29 2Ob510/85 (2Ob511/85)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Ludwig B***, Zimmerer, 4725 St. Ägidi, Simling 7, wider die beklagte und widerklagende Partei Reinhard S***, Student, 4725 St. Ägidi, Simling 5, vertreten durch Dr. Johannes Neumann, Rechtsanwalt in Schärding, wegen Unterhaltsherabsetzung bzw. Unterhaltserhöhung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgerichtes vom 20. November 1984, GZ. R 339, 340/84-20, womit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Engelhartszell vom 17. Juli 1984,GZ. C 132/83 C 7/84-11, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die sachliche Entscheidung über die Berufung des Klägers aufgetragen.

Text

Begründung:

Der Kläger stellte das Begehren, seine urteilsmäßige Verpflichtung, dem Beklagten einen monatlichen Unterhalt von S 2.500,-- zu bezahlen, für die Zeit vom 1.Jänner 1984 bis 6. April 1984 hinsichtlich eines Teilbetrages von S 1.500,-- monatlich für erloschen zu erklären. In einer vom Beklagten erhobenen Widerklage beantragte dieser, dem Kläger ab 1. März 1984 die Zahlung eines weiteren Unterhaltsbetrages von S 500,-- monatlich, somit insgesamt S 3.000,-- monatlich, aufzuerlegen. Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab und gab der Widerklage insoweit statt, als es den Kläger verpflichtete, an den Beklagten ab 1. Mai 1984 einen monatlichen Unterhalt von S 3.000,-- zu leisten; das Mehrbegehren wies es ebenfalls ab.

Gegen das erstgerichtliche Urteil erhob der Kläger fristgerecht eine selbstverfaßte, fünf Seiten umfassende "Berufung" in welcher er auch unter Bekämpfung der Beweisergebnisse darlegte, warum die von ihm begehrte "Herabsetzung des Unterhaltsbetrages gerechtfertigt und dessen Erhöhung nicht gerechtfertigt und in seinem Sinne zu entscheiden" sei. Diesen Schriftsatz stellte das Erstgericht dem Kläger unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 465 Abs. 2 bis 5 ZPO und unter Setzung einer Frist von 14 Tagen zur Verbesserung zurück. Innerhalb der gesetzten Verbesserungsfrist erschien die Ehefrau des Klägers am 5. September 1984 beim Erstgericht und gab zu Protokoll:

"Aufgrund der Vollmacht vom 24. November 1980 verbessere ich die von meinem Gatten Ludwig B*** am 13. August 1984 bei diesem Gericht eingelangte Berufung gegen das Urteil... und stelle folgenden Antrag: Das Berufungsgericht möge meiner Berufung stattgeben und das Urteil dahingehend abändern, daß meinem Klagebegehren stattgegeben und das Klagebegehren des Beklagten abgewiesen wird. Zur Begründung berufe ich mich auf meine Ausführungen in der Berufungsschrift vom 9. August 1984."

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als unzulässig zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, der Berufungswerber habe vorliegendenfalls dem an ihn ergangenen Auftrag, die eingebrachte Berufung zu verbessern, nicht entsprochen. Auf dem selbst verfaßten Schriftsatz sei die Unterschrift eines Rechtsanwaltes nicht angebracht worden, in dem mit der Ehefrau des Klägers aufgenommenen Protokoll könne aber auch keine Protokollarberufung erblickt werden. Zu einer solchen sei nämlich nur die Partei befähigt, nicht aber eine von ihr bevollmächtigte Person, weil hierin eine unzulässige Umgehung des Anwaltszwanges gelegen wäre. Darüberhinaus fehle weiterhin die im § 471 Z 3 ZPO vorgeschriebene Angabe der Berufungsgründe. Da eine nochmalige Erteilung eines Verbesserungsauftrages gemäß § 85 Abs. 2 ZPO nicht möglich sei, müsse die Berufung zurückgewiesen werden.

In seinem gegen den berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß gerichteten, zu gerichtlichem Protokoll (§ 520 Abs. 1 ZPO) gegebenen, rechtzeitigen und zulässigen (§ 519 Abs. 1 Z 1 ZPO, § 58 JN) Rekurs beantragt der Kläger, diesen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung aufzutragen. Zur Begründung bringt er u.a. vor, aus der Bestimmung des § 465 Abs. 2 ZPO ergebe sich nicht, daß die Berufung von der Partei persönlich zu Protokoll gegeben werden müsse. Die in seinem Vollmachtsnamen vorgenommene Verbesserung der von ihm erhobenen Berufung sei daher gesetzmäßig erfolgt. Da im Protokoll auch ausdrücklich auf die in seinem Schriftsatz angeführten Berufungsgründe verwiesen worden sei, liege die vom Berufungsgericht angenommene Unzulässigkeit der Berufung nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Ausführungen ist im Ergebnis beizupflichten. Gemäß § 26 ZPO können die Parteien, soferne die Zivilprozeßordnung nichts anderes bestimmt, Prozeßhandlungen entweder in Person oder durch Bevollmächtigte vornehmen. Soweit nach dem Gesetz eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, kann gemäß § 29 Abs. 1 ZPO - mit der in Abs. 2 leg.cit genannten, Winkelschreiber betreffenden, Ausnahme - jede eigenberechtigte Person (vgl. § 185 Abs. 2 ZPO) zum Bevollmächtigten bestellt werden. Personen, welche nicht Rechtsanwälte sind, kann die Partei entweder eine Prozeßvollmacht erteilen oder sie kann sie auch nur für einzelne, bestimmte Prozeßhandlungen bevollmächtigen (§ 33 ZPO). Aus diesen Bestimmungen folgt, daß sich die Parteien bei der Prozeßführung oder hinsichtlich einzelner Prozeßhandlungen grundsätzlich durch Bevollmächtigte vertreten lassen können, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt. Im Hinblick darauf, daß Anwaltszwang allgemein nur vor den Gerichtshöfen erster Instanz und den Gerichten höherer Instanz (§ 27 ZPO) sowie den Berufungsgerichten (§ 463 Abs. 2 ZPO) besteht müssen bei den Bezirksgerichten einschreitende Bevollmächtigte nicht Rechtsanwälte sein und sie können dort alle bei diesen Gerichten zu setzenden Prozeßhandlungen vornehmen. Da es den anwaltlich nicht vertretenen Parteien gemäß § 434 ZPO freisteht, Klagen und außerhalb der mündlichen Verhandlung vorzubringende Anträge zu gerichtlichem Protokoll zu geben, kann dies somit auch durch ihre Bevollmächtigte geschehen.

Die gegen erstgerichtliche Urteile gerichteten Berufungsschriften können gemäß der - die vorgenannte Regelung des § 434 Abs. 1 ZPO erweiternden - Bestimmung des § 465 Abs. 2 ZPO an Orten, in welchen - wie hier - nicht wenigstens zwei Rechtsanwälte ihren Sitz haben, durch entsprechende, beim Bezirksgericht zu gerichtlichem Protokoll zu gebende Erklärungen ersetzt werden, die der Mitwirkung eines Rechtsanwaltes nicht bedürfen

(vgl. § 467 Z 5 ZPO). Nach Abs. 2 leg.cit hat der Richter, welcher das Protokoll aufnimmt, die Partei zur genauen Angabe der Berufungsgründe und zur Stellung eines bestimmten Berufungsantrages aufzufordern und sie über die Rechtsfolgen der Unterlassung dieser Angaben zu belehren.

Daß die in der gemäß § 465 Abs. 2 ZPO möglichen Erklärung der Berufung zu gerichtlichem Protokoll gelegene Prozeßhandlung nur von der Partei persönlich bewirkt werden könnte, ist im Gesetze nicht bestimmt. Mangels einer solchen Anordnung kommt diesbezüglich somit die eingangs zitierte Regelung des § 26 ZPO zur Anwendung, wonach Prozeßhandlungen der Parteien sowohl in Person als auch durch Bevollmächtigte vorgenommen werden können. Dem widerspricht auch der Regelungszweck des § 465 Abs. 2 ZPO nicht. Durch diese Bestimmung sollte erreicht werden, daß Parteien auch an den Orten und somit erleichtert Berufungen erheben können, an welchen höchstens ein Rechtsanwalt - der allenfalls die Gegenpartei vertritt - ansässig ist. Dafür, daß diese Erleichterung nur von den Parteien persönlich beansprucht werden könnte, ist im Gesetz kein Anhaltspunkt gegeben (vgl. zum Rekurs SZ 21/141). Es sind auch keine Gründe erkennbar, warum Parteien, welche am persönlichen Erscheinen vor Gericht z.B. durch Krankheit verhindert sind, von dieser Möglichkeit ausgeschlossen werden sollten.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes war somit aber vorliegendenfalls die Verbesserung der vom Kläger angebrachten Berufung - daß eine solche Verbesserung durch Erhebung zu Protokoll erfolgen kann, wird von der jüngeren Rechtsprechung übereinstimmend (3 Ob 154/62, 1 Ob 21/80, 3 Ob 27/81 u.a.) bejaht - durch die von der gehörig bevollmächtigten Ehefrau des Klägers zu gerichtlichem Protokoll gegebene Erklärung zulässig. Da in dieser ausdrücklich auf die im Schriftsatz des Klägers angeführten, wenngleich nicht namentlich bezeichneten Berufungsgründe, verwiesen wurde und immerhin erkennbar ist, daß der Kläger einzelne Tatsachenfeststellungen sowie die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes bekämpft liegt auch ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 467 Z 3 ZPO nicht vor (8 Ob 20/73, 8 Ob 258/82, vgl. auch EvBl 1961/274 u.a.).

Die Zurückweisung der Berufung erscheint daher nicht gerechtfertigt. Demgemäß war dem Berufungsgericht die sachliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen

Eine Kostenentscheidung entfällt, weil Kosten nicht verzeichnet wurden.

Anmerkung

E08871

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00510.85.0129.000

Dokumentnummer

JJT_19850129_OGH0002_0020OB00510_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten