TE OGH 1985/1/31 13Os212/84 (13Os213/84)

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Veröffentlicht am 31.01.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mahn als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs.1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 10. Feber 1984, GZ. 21 Vr 501/83-42, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichts Salzburg vom 13. November 1984, GZ. 21 Vr 501/83-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben.

über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil vom 10. Februar 1984 (ON. 42) erkannte das Schöffengericht den am 22. Mai 1951 geborenen Johann A der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs.1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs.1

StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe. Inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolls (ON. 41) meldete der Angeklagte nach der Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung (§ 268 StPO) die Berufung an. Dies nach Rücksprache mit seinem Verteidiger (S. 193).

Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung am 18. Oktober 1984 (Rückschein bei S. 203) führte der Angeklagte durch seinen gemäß § 41 Abs.2 StPO

beigegebenen Verteidiger mit dem am 2. November 1984 zur Post gegebenen Schriftsatz (ON. 43) die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung aus.

Daraufhin wies der Vorsitzende des Schöffengerichts (§ 285 b Abs.1 StPO) nach Einholung von Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft (siehe diese S. 1 i verso) und der Schriftführerin (S. 211) über den Inhalt der nach der Hauptverhandlung vom Angeklagten abgegebenen Rechtsmittelerklärung die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 a Z.1 StPO mit dem Beschluß vom 13. November 1984 zurück (ON. 45). Gegen diesen Beschluß erhob der Angeklagte (fristgerecht) die ihm gemäß § 285 b Abs.2 StPO zustehende Beschwerde, in welcher er - die Richtigkeit der Protokollierung seiner Rechtsmittelerklärung bestreitend - unter Vorlage der Aufzeichnung des Verteidigers über die Hauptverhandlung behauptet, nicht nur die Berufung, sondern auch die Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet zu haben.

Diese als Bescheinigungsmittel vorgelegte Aufzeichnung hält die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung fest (S. 219 in ON. 46).

Auch die Staatsanwaltschaft hatte erklärt, daß laut Eintragung des Sitzungsvertreters im Tagebuch der Angeklagte die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung angemeldet habe (S. 1 i verso).

Die Verhandlungsschriftführerin hatte berichtet, die stenografischen Unterlagen über die in Rede stehende Hauptverhandlung nicht mehr aufzufinden, sie 'glaube', sich erinnern zu können, daß der Angeklagte nur 'Berufung' gesagt habe. Wenn sie als Rechtsmittelerklärung die Anmeldung (nur) der Berufung angeführt habe, sei diese Erklärung 'mit Sicherheit' auch abgegeben worden, weil sie sonst 'Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung' geschrieben hätte (S. 211).

Der Vorsitzende des Schöffengerichts hielt in dem angefochtenen Beschluß fest, sich 'eindeutig' erinnern zu können, daß der Angeklagte nur die Berufung angemeldet habe (S. 213 unten/214). Den schon erwähnten Zurückweisungsbeschluß (ON. 45) stützte der Vorsitzende auf die Stellungnahme der als 'äußerst verläßlich anzusehenden' Schriftführerin und seine ('eindeutige') Erinnerung. Er erachtete damit die gegenteiligen Aufzeichnungen im Tagebuch der Staatsanwaltschaft für widerlegt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu:

Zwar ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels (hier: der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten) grundsätzlich vom Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls auszugehen (vgl. dazu u.a. Mayerhofer-Rieder 2 , Nr. 8 zu § 271 StPO und die dort zitierte Judikatur). Dies kann sich jedoch nur auf ein ungerügtes oder erfolglos gerügtes Hauptverhandlungsprotokoll beziehen. Im gegebenen Fall stellte der Angeklagte wohl keinen - nach herrschender Lehre und Praxis zulässigen (vgl. dazu u.a. Foregger-Serini, StPO, MKK 3 , Erl. VII zu § 271; Lohsing-Serini, Österreichisches Strafprozeßrecht 4 , S. 209) - Antrag auf Ergänzung oder Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls. Er brachte aber in seiner auf § 285 b Abs.2

StPO gestützten Beschwerde eine Rüge des Hauptverhandlungsprotokolls vor, die er durch die mehrfach erwähnte Aufzeichnung des Verteidigers über die Hauptverhandlung, u.a. auch über die Rechtsmittelerklärungen, bescheinigte.

Dieses Bescheinigungsmittel stimmt mit der Eintragung im Tagebuch der Staatsanwaltschaft überein und kann an Hand des (unauffindbaren) Originalstenogramms der Schriftführerin nicht mehr überprüft werden. Auf den Inhalt dieser Rüge ist im vorliegenden Fall im Beschwerdeverfahren (§ 285 b Abs.2 StPO) einzugehen. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs sind die unmittelbar schriftlich vorgenommenen, übereinstimmenden Aufzeichnungen des Verteidigers und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft gewichtiger als die rund neun Monate nach der Hauptverhandlung geäußerte Annahme der Schriftführerin, sie 'glaube', der Angeklagte habe nur die Berufung angemeldet, und die (wenn auch als 'eindeutig' bezeichnete) Erinnerung des Vorsitzenden. Die (weitere) Äußerung der Schriftführerin, der Angeklagte habe 'mit Sicherheit' die in der übertragung des Hauptverhandlungsprotokolls enthaltene Erklärung abgegeben, ist ein - keinesfalls zwingender - Schluß der Genannten, der die Möglichkeit eines Erinnerungsfehlers (nach rund neun Monaten !) nicht berücksichtigt und - wie angeführt - durch die in der Hauptverhandlung angefertigten stenografischen Aufzeichnungen wegen deren Unauffindbarkeit nicht überprüft werden kann. In dieser Situation ist im Zweifel davon auszugehen, daß der Angeklagte am Schluß der Hauptverhandlung auch das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet hat, sodaß spruchgemäß zu entscheiden war. Erhebungen (vgl. dazu Bertel, Grundriß des Strafprozeßrechts 2 S. 217) waren entbehrlich, weil die vorhandenen schriftlichen Aufzeichnungen über die Rechtsmittelerklärungen des Angeklagten (S. 1 i verso und 219 in ON. 46) sowie die Stellungnahmen der Schriftführerin (S. 211) und des Vorsitzenden (im angefochtenen Beschluß, S. 213 unten/214) dem Obersten Gerichtshof als Beschwerdegericht ohnehin zur Verfügung standen.

Anmerkung

E05179

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00212.84.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19850131_OGH0002_0130OS00212_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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