TE OGH 1985/5/8 3Ob523/85

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Veröffentlicht am 08.05.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma Walter A Gesellschaft m.b.H., 4820 Bad Ischl, Pfandlerstraße 20, vertreten durch Dr. Peter Pfarl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagte Partei Peter B, Inhaber eines Ateliers für Werbung, 5020 Salzburg, Lastenstraße 12, vertreten durch Dr. Dietmar Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 27.000,- S samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 14. November 1984, GZ 32 R 136/84-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Oberndorf bei Salzburg vom 22. Februar 1984, GZ C 100/81-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Streitteile befassen sich u.a. mit der Herstellung von Reliefs aus dem kartografischen Fachgebiet und standen schon vor dem Streitfall in Geschäftsverbindung. Im Frühjahr 1979 trat die beklagte Partei an die klagende Partei mit dem Plan heran, für einen bestimmten Großkunden ein Weltrelief ganz bestimmter Art zu erzeugen, wobei die klagende Partei den Rohling herstellen sollte, während der beklagten Partei die Bemalung und Endfertigung obliegen sollte. über Ersuchen der beklagten Partei erstellte die klagende Partei dazu ein Anbot vom 15. Februar 1979, in dem die klagende Partei der beklagten Partei mitteilte, zu welchen Preisen sie für die beklagte Partei diese Rohlinge liefern könne. Weil der vorgesehene Großkunde, nämlich der zum Bertelmann-Konzern gehörige Reise- und Verkehrsverlag in München ein Muster wünschte, stellte die klagende Partei in der Folge zwei Musterreliefs her, welche die beklagte Partei sodann teilweise bemalte und vervollständigte und an die genannte deutsche Firma übersandte. Diese Firma erteilte dann aber keinen Auftrag, stellte aber die beiden Muster nicht zurück, weil sie sie an eine Schule verschenkt hatte. In erster und zweiter Instanz ist immer wieder von nur einem Muster die Rede, doch ergibt sich aus den Urkunden klar die Lieferung von zwei Rohlingen, und auch die Klagsforderung bezieht sich gemäß Beilage 3 auf beide Reliefmuster.

Die klagende Partei behauptete, daß diese Muster nur zum Zwecke der Vorführung bestellt worden seien und Eigentum der klagenden Partei bleiben sollten, was auch branchenüblich sei, zumal sie auch ein urheberrechtlich geschütztes Werk darstellten. Die klagende Partei habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie die Muster auch für einen ihr bekannten anderen Kunden benötige, so daß der beklagten Partei bekannt gewesen sei, daß sie darüber nicht nach Belieben verfügen könne. Die beklagte Partei habe aber dessen ungeachtet über diese Muster eigenmächtig und widerrechtlich verfügt, ihren deutschen Kunden habe die beklagte Partei der klagenden Partei nicht bekanntgegeben. Der Klagsanspruch enthalte insbesondere Elemente eines Werkvertrages, eines Schadenersatzanspruches oder einer Kondiktion. Ein Gesellschaftsverhältnis habe zwischen den Streitteilen nicht bestanden, weil die klagende Partei ausschließlich an die beklagte Partei liefern und fakturieren sollte. Die beklagte Partei habe ihre Rückgabeverpflichtung auch mehrfach anerkannt. Der Wert der beiden nicht mehr verfügten Muster betrage 27.000 S. Den in der Klage enthaltenen Hinweis auf ein Urheberrecht ließ die klagende Partei später fallen (S 24 d.A.). Die klagende Partei begehrte 27.000 S samt 12 % Zinsen seit 16. November 1980.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete im wesentlichen folgendes ein:

Die Idee des strittigen Weltreliefs stamme großteils von der beklagten Partei. Als die beklagte Partei der klagenden Partei den Plan einer Zusammenarbeit nahegelegt habe, sei praktisch ein Gesellschaftsvertrag zustandegekommen. In Erwartung der künftigen Aufträge habe die klagende Partei die beiden Muster erstellt, damit sie die beklagte Partei an die der klagenden Partei bekanntgegebene deutsche Firma weiterleite. Die beklagte Partei habe also lediglich die von der klagenden Partei gewünschte Weiterleitung der Muster an die deutsche Firma vorgenommen, ohne irgendwie über sie zu verfügen. Die klagende Partei habe nie darauf hingewiesen, daß es sich um ein besonders wertvolles Muster handle, aus ihrem Anbot vom 15. Februar 1979 habe sich vielmehr nur ein Wert von etwa 1.300 bis 1.800 S ergeben.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Es steht nicht fest, ob die beklagte Partei der klagenden Partei schon bei Bestellung des Musters mitgeteilt hat, um welchen Großkunden es sich handle. Als der Auftrag erteilt wurde, wies aber andererseits die klagende Partei darauf hin, daß auch sie einen Kunden für ein solches Projekt in Österreich habe. Die beklagte Partei bestellte 'das' Muster mit dem Hinweis darauf, daß ihr Kunde ein solches unbemaltes Muster sehen wolle. über die nähere Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen den Streitteilen wurde zwischen den Parteien nicht gesprochen. Der Beklagte ging allerdings, ohne daß darüber gesprochen worden wäre, davon aus, er werde gegenüber dem deutschen Kunden neben der klagenden Partei selbständig auftreten. Es steht nicht fest, ob anläßlich der übergabe der Muster von der klagenden Partei an die beklagte Partei zwischen den Parteien über die Rückgabe derselben gesprochen wurde. Es ist nicht erwiesen, daß die beklagte Partei ihre Rückgabeverpflichtung einmal anerkannt hat.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß ein Werkvertrag nicht angenommen werden könne, weil die klagende Partei von der beklagten Partei immer auf Grund ihres Eigentumsrechtes, das auch die beklagte Partei nicht in Abrede stelle, die Rückgabe der Muster verlangt habe. Ein Gesellschaftsverhältnis sei nicht erwiesen, weil zumindest die beklagte Partei vom Gegenteil ausgegangen sei, nämlich bei dem deutschen Kunden getrennt fakturieren wollte. Anhaltspunkte für das konkludente Zustandekommen eines Gesellschaftsvertrages lägen nicht vor. Selbst wenn man aber ein Gesellschaftsverhältnis annehme, wäre der Klagsanspruch nicht berechtigt, weil die klagende Partei diesfalls den Verlust als reiner Arbeitsgesellschafter selbst tragen müßte. Ein Schadenersatzanspruch scheide aus, weil zwischen den Parteien vereinbart worden sei, daß 'das' Muster dem deutschen Kunden vorgelegt werde. Daß es die beklagte Partei unterlassen habe, gegenüber dem Reise- und Verkehrsverlag in München darauf hinzuweisen, daß die Muster sofort nach Nichtgebrauch zurückzustellen seien, könne nicht als schuldhaftes Verhalten gewertet werden, weil es, 'wie vom Beklagten angegeben', in der Geschäftsbeziehung mit diesem Konzern üblich gewesen sei, daß Muster nicht zurückgestellt würden, sondern dort verblieben. Ein Bereicherungsanspruch bestehe nicht, weil die beklagte Partei die Muster nicht ohne Rechtsgrund benützt habe, sondern hier genau im Sinne der Vereinbarung zwischen den Streitteilen vorgegangen sei. Ein konstitutives Schuldanerkenntnis sei nicht erwiesen. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es als Zwischenurteil aussprach, daß der Klagsanspruch dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß ein Schadenersatzanspruch der klagenden Partei zu Recht bestehe. Die klagende Partei sei immer Eigentümer ihrer Muster geblieben, woran auch die Bearbeitung durch die beklagte Partei nichts geändert habe. Dadurch, daß die beklagte Partei aber 'das' Musterstück dem Reise- und Verkehrsverlag München endgültig übergeben habe, habe die beklagte Partei widerrechtlich an diese Firma Eigentum übertragen wollen. Nach dem anzuwendenden deutschen Recht sei auf Grund des anzunehmenden guten Glaubens dadurch das Eigentum auch tatsächlich übertragen worden. Damit habe die klagende Partei ihr Eigentumsrecht verloren und daraus einen Schaden erlitten. Der beklagten Partei sei vorzuwerfen, daß sie bei der Weitergabe 'des' Musters nicht darauf hingewiesen habe, daß dieses zurückzustellen sei. Daraus ergebe sich eine Rückgabeverpflichtung der beklagten Partei wegen Verletzung einer vorvertraglichen Sorgfaltspflicht bzw. nach dem Verlust des Musters ein Anspruch auf Geldersatz. Da die Schadenshöhe nicht feststehe, könne derzeit nur ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruches gefällt werden.

Die Zulassung der Revision begründete das Berufungsgericht mit der Bedeutung des Umfanges vorvertraglicher Pflichten und der nicht ganz sicheren Abgrenzung in Lehre und Rechtsprechung.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern oder es aufzuheben.

Die klagende Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben. Da zur Frage der überlassung von Musterstücken und der sich daraus ergebenden Rechtsbeziehungen, soweit erkennbar, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorhanden ist, kommt einer Klärung des Bestehens und Umfanges der Pflichten der beklagten Partei im Interesse der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zu, so daß die Revision hinsichtlich des Revisionsgrundes nach § 503 Abs 1 Z. 4 ZPO zulässig ist. Hingegen vermag die Revision zu den Revisionsgründen nach § 503 Abs 1 Z. 2 u. 3 ZPO eine solche erhebliche Bedeutung nicht aufzuzeigen, wozu kurz folgendes bemerkt sei:

Zum Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO:

Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Zwischenurteiles sind entgegen der Ansicht der beklagten Partei gegeben, denn es steht sehr wohl fest, daß den beiden Musterstücken ein gewisser Wert zukommt. Die beklagte Partei hat im Prozeß lediglich den Standpunkt vertreten, daß dieser Wert geringer sei, als dies von der klagenden Partei veranschlagt werde, hat aber nie vorgetragen, es handle sich um völlig wertlose Gegenstände. Ob der klagenden Partei überhaupt ein Ersatzanspruch zusteht, ist eine andere Frage, die nichts mit der Zulässigkeit des Zwischenurteiles über den Grund des Anspruches zu tun hat, sondern auf die erst bei Behandlung der Rechtsrüge eingegangen werden kann.

Zum Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 3 ZPO:

Die Annahme des Berufungsgerichtes, die klagende Partei habe sich nicht auf bestimmte Rechtsgründe festgelegt, ist nicht aktenwidrig, sondern aktenwidrig ist die gegenteilige Ansicht der beklagten Partei. Die klagende Partei hat nämlich durch die Benützung des Wortes 'insbesondere' klar zum Ausdruck gebracht, daß sie lediglich bestimmte Klagsgründe besonders hervorhebe, sich aber nicht auf sie beschränken wolle.

Die Darstellung des Berufungsgerichtes, aus der Urkunde Beilage 5 und der Parteienaussage des Beklagten ergebe sich, daß die überlassung der Muster an den deutschen Kunden 'endgültig' sein sollte, widerspricht nicht der Aussage des Beklagten, der ausdrücklich ausführte, der deutsche Kunde verlange immer Muster, die man nie zurückbekomme, und er (der Beklagte) habe dem Bertelsmann-Konzern gegenüber nicht erwähnt, daß die Muster wieder zurückzustellen seien (Parteienaussage S 50 d.A.). Was daraus in rechtlicher Hinsicht abzuleiten ist, kann gleichfalls erst im Rahmen des Revisionsgrundes nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO erörtert werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber auch hinsichtlich der zulässigerweise geltendgemachten Rechtsrüge unbegründet:

Die beklagte Partei vertritt den Standpunkt, daß sie nicht verpflichtet gewesen sei, den Bertelsmann-Verlag darauf hinzuweisen, daß die Muster der klagenden Partei dieser wieder zurückgestellt werden müßten. Die klagende Partei habe diesbezüglich bei der beklagten Partei keine bestimmte Weisung geäußert, so daß die beklagte Partei die Muster ohne weiteren Kommentar an ihren deutschen Kunden weiterleiten habe dürfen. Wenn aber der klagenden Partei an der Rückgabe der Muster gelegen wäre, hätte sie selbst dafür Vorsorge treffen müssen, unter welchen Bedingungen die Muster zum deutschen Kunden der Streitteile gelangen sollen. Im übrigen sei allenfalls der Bertelsmann-Verlag nach wie vor verpflichtet, die Muster der klagenden Partei zurückzustellen oder dafür Ersatz zu leisten, weil es nie zu einer Eigentumsübertragung gekommen sei, während die beklagte Parei diesbezüglich passiv nicht legitimiert sei. Schließlich müsse gesagt werden, daß sowohl die Aufwendungen der klagenden Partei wie jene der beklagten Partei von beiden Kaufleuten selbst zu tragen seien, weil es sich um Auslagen für ein erhofftes, dann aber nicht zustandegekommenes Geschäft handle. Mag es vielleicht auch nicht zum Abschluß eines Gesellschaftsvertrages gekommen sein, so könne im Vorstadium der gemeinsam versuchten Geschäftsanbahnung mit dem deutschen Kunden doch auch hier nichts anderes gelten, wie dies auch sonst für einen reinen Arbeitsgesellschafter nach Gesellschaftsrecht gelten würde.

Diesen Ausführungen ist indes folgendes entgegenzuhalten:

Die Rechtsbeziehungen der Streitteile können nicht als gesellschaftsähnliches Vertragsverhältnis aufgefaßt werden. Nach den getroffenen Feststellungen hat die klagende Partei der beklagten Partei über deren Bestellung eine ganz bestimmte Ware hergestellt, die diese weiterverarbeiten und dann als Probe oder Musterstück an einen der klagenden Partei zunächst nicht bekanntgegebenen erhofften späteren Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland weiterleiten sollte, was die beklagte Partei auch getan hat. Es war zwischen den Parteien nie vereinbart, daß sie gemeinsam nach Art einer Arbeitsgemeinschaft Waren herstellen und anbieten wollten, mag auch die beklagte Partei in Kontakt mit dem zunächst nur ihr bekannten präsumptiven Kunden davon ausgegangen sein, es würden ihre Leistungen und die Leistungen der klagenden Partei getrennt fakturiert werden. Denn selbst ein solches gesondertes Fakturieren hätte ja nur bedeutet, daß dann der erhoffte Kunde einen Teil bei der klagenden Partei und einen Teil bei der beklagten Partei in Auftrag gibt. Und auch sonst gibt es keinerlei Hinweise dafür, daß die Streitteile irgendwie anders zusammenarbeiten wollten, als daß sich eben die klagende Partei Großaufträge der beklagten Partei über die Lieferung möglichst vieler Relief-Rohlinge erhoffte. Daß also die klagende Partei nach Art eines sogenannten Arbeitsgesellschafters analog §§ 1183, 1192 ABGB ihre Arbeitsleistungen mangels eines eingetretenen Gewinnes auf jeden Fall selbst tragen müsse, kann nicht angenommen werden. Weil in diesem Sinne keine Gesellschaft vorliegt und der Reise- und Verkehrsverlag München mit der klagenden Partei selbst auch nie in eine Geschäftsverbindung getreten war, muß zwischen den Rechtsbeziehungen der Streitteile untereinander einerseits und den Rechtsbeziehungen zwischen der beklagten Partei und ihrem deutschen Kunden andererseits unterschieden werden. Der beklagten Partei war nach den getroffenen Feststellungen bekannt, daß diese deutsche Firma Musterstücke nicht zurückstellt, sondern davon ausgeht, daß ihr diese zu ihrer freien Verfügung überlassen werden. Die beklagte Partei mußte daher davon ausgehen, daß sie die strittigen Musterstücke dem Reise- und Verkehrsverlag München zumindest stillschweigend unentgeltlich in deren Eigentum übertrug, wenn sie nicht bei übersendung der Muster ausdrücklich auf die entgegen der bisherigen übung gewünschte Rückstellungspflicht hinwies. Die unentgeltliche überlassung von Proben von nicht so großem Wert ist auch durchaus handelsüblich (Brüggemann in Großkommentar HGB 3 Anm. 124 vor § 373 HGB). Damit hat aber der Reise- und Verkehrsverlag München, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, unabhängig davon, welche Rechte der beklagten Partei diesbezüglich zustanden, gutgläubig Eigentum an den beiden Musterstücken erworben, weil ihr die Sache im Sinne des § 366 Abs 1 HGB im Betriebe des Handelsgewerbes der beklagten Partei veräußert wurde.

Damit bleibt zu untersuchen, welcher Art die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen selbst waren. War die beklagte Partei auf Grund dieser Rechtsbeziehung zur unentgeltlichen Veräußerung der beiden Musterstücke an ihren erhofften deutschen Großkunden berechtigt, dann wäre das Klagebegehren unberechtigt, war sie dazu aber nicht berechtigt, dann hätte die beklagte Partei widerrechtlich über die im Eigentum der klagenden Partei oder allenfalls im Sinne des § 415 ABGB im gemeinsamen Eigentum der Streitteile (vgl. SZ 49/138) stehenden Musterstücke verfügt und wäre der klagenden Partei in Höhe des gemeinen Wertes der Sachen bzw. des gemeinen Wertes des auf die klagende Partei entfallenden Anteiles ersatzpflichtig (vgl. dazu auch Spielbüchler in Rummel Rz 6 zu § 415 ABGB).

Da die klagende Partei in den Vertragsverhandlungen, welche der Anfertigung und Bestellung der beiden Musterstücke vorausgingen, darauf hingewiesen hatte, daß auch sie einen Kunden für ein ähnliches Projekt habe, und der beklagten Partei immerhin bekannt war, daß die Herstellung der beiden Rohlinge mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sei, konnte die beklagte Partei nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß die klagende Partei ihr die beiden Musterstücke unentgeltlich zur freien Verfügung überlassen wolle. Allerdings kann auch nicht angenommen werden, daß die beklagte Partei die beiden Rohlinge sozusagen endgültig erwarb und der klagenden Partei daher einen bestimmten Werklohn oder Kaufpreis schulde. Vielmehr war das Verhalten der klagenden Partei dahin zu werten, daß diese der beklagten Partei die beiden Rohlinge überließ, um diese zu Musterstücken weiterzuverarbeiten, die dann einem Kunden probeweise überlassen werden sollten (vgl. dazu JBl 1971, 256). In diesem Fall bestand aber für die beklagte Partei die Nebenpflicht, mit den beiden Rohlingen so sorgsam zu verfahren, daß diese für die klagende Partei nicht endgültig verloren gehen konnten. Solche Pflichten werden nach herrschender Ansicht sowohl im vorvertraglichen Bereich als auch als neben der vertraglich vereinbarten Hauptleistung bestehende Schutz- und Nebenpflichten im Rahmen eines Vertrages bejaht und erstrecken sich vor allem auch darauf, daß die Vertragspartner Vorsorge dafür treffen müssen, daß der andere Vertragspartner an den in seine Sphäre gelangten Gütern nicht Schaden leidet (Koziol-Haftpflichtrecht 2 II 73, Koziol-Welser 6 I 156, Entscheidungen wie SZ 51/26, HS 9457 u.a.). Aus dieser Nebenpflicht ergab sich dann aber für die beklagte Partei naturgemäß die Verpflichtung, den Reise- und Verkehrsverlag München bei Weiterleitung der beiden Musterstücke darauf hinzuweisen, daß er diese nicht wie sonst durchaus üblich, nach seinem eigenen Gutdünken verwende, sondern daß sie für den Fall, als es nicht zu einem Auftrag komme, zurückgestellt werden müßten. Daß die klagende Partei hier keine ausdrücklichen Wünsche in dieser Richtung geäußert hat, ändert nichts daran, daß es für die beklagte Partei nach dem oben Gesagten auch ohne solche ausdrückliche Vereinbarung erkennbar war, daß die klagende Partei die beiden Rohlinge auch für andere Zwecke weiter benützen wolle.

Die Entscheidung der zweiten Instanz ist damit frei von Rechtsirrtum.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 52 Abs 2, 393 Abs 4 ZPO.

Anmerkung

E05966

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00523.85.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19850508_OGH0002_0030OB00523_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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