TE OGH 1985/7/30 7Ob617/85

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Veröffentlicht am 30.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marie Theres A, akad. Maler, Salzburg, Griesgasse 29/2, vertreten durch Dr. Christoph Koller, Rechtsanwalt in Seekirchen a.W., wider die beklagte Partei Dr. Peter B, Arzt, Wien 18.,

Leschetitskygasse 50, vertreten durch Dr. Rainer-Maria Schilhan, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert S 60.000 s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 6. November 1984, GZ 45 R 513/84-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 21. Mai 1984, GZ 4 C 1102/82-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich weiteren Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Herausgabe der von ihr gemalten Bilder 'Portrait meiner Schwester', 'Portrait meiner Freundin' und 'Drei Nonnen', in eventu die Zahlung eines Betrages von S 60.000 s.A. (AS 25) und brachte vor, sie habe dem Beklagten die genannten Bilder in den Jahren 1976 und 1977 leihweise überlassen. Im Sommer 1981 habe die Klägerin den Beklagten zur Zurückgabe der Bilder aufgefordert. Der Beklagte habe die Rückgabe abgelehnt. Der Wert eines Bildes betrage S 20.000.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, die Klägerin habe ihm die Bilder als Honorar für ärztliche Leistungen überlassen. Die Herausgabe der Bilder sei dem Beklagten nicht möglich, weil sie sich im Eigentum seiner Gattin befänden. Das Erstgericht gab dem Eventualbegehren auf Zahlung von S 60.000 s.A. statt, ohne über das Hauptbegehren auf Herausgabe der Bilder zu erkennen. Es traf folgende Feststellungen:

Die Klägerin war vor dem Jahr 1975 Patientin des Beklagten und hat bei ihm zehn psychiatrische Therapiestunden a S 200 genommen und auch bezahlt. Zu dieser Zeit schenkte die Klägerin dem Beklagten vier von ihr gemalte Bilder und lieh ihm fünf weitere Bilder, darunter auch die klagegegenständlichen. über wiederholtes Verlangen der Klägerin gab der Beklagte zwei Bilder heraus; er verweigerte jedoch die Herausgabe der klagegegenständlichen Bilder. Der Wert dieser Bilder beträgt S 70.000. Der Beklagte hat diese Bilder seiner Gattin geschenkt, die zur Herausgabe nicht bereit ist. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Klägerin habe dem Beklagten drei Bilder im Wert von S 70.000 leihweise überlassen. Der Beklagte sei nicht in der Lage und nicht bereit, die geliehenen Bilder zurückzustellen. Er sei daher verpflichtet, der Klägerin den von ihr geforderten Betrag von S 60.000, der unter dem vom Sachverständigen ermittelten Betrag liege, als Ersatz für die Bilder zu bezahlen.

Das Berufungsgericht wies das Begehren auf Zahlung von S 60.000 s.A. ab und sprach aus, daß die Revision unzulässig sei. Es führte eine Beweiswiederholung durch und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte hat die ihm von der Klägerin in den Jahren 1975 und 1976 übergebenen Bilder 'Portrait meiner Schwester', 'Portrait meiner Freundin' und 'Drei Nonnen' noch in den selben Jahren seiner damaligen Freundin und nunmehrigen Ehegattin Waltraud B geschenkt; diese verfügt seither darüber.

In rechtlicher Hinsicht verwies das Berufungsgericht darauf, daß zwar das Erstgericht über das als Hauptbegehren gestellte Herausgabebegehren nicht entschieden habe, daß aber diese Unterlassung nicht angefochten worden sei. Die Interessenklage nach § 368 EO werde von der Rechtsprechung auch dann zugelassen, wenn eine Klage auf die primär geschuldete Leistung nicht vorausgegangen sei. Sie könne aber nur dann zum Erfolg führen, wenn ein Anspruch auf die primäre Leistung, deren Wert verlangt werde, erhoben werden kann. Die Herausgabe einer Sache könne nur verlangt werden, wenn der Beklagte sich im Zeitpunkt der Urteilsfällung oder wenigstens im Zeitpunkt der Klagezustellung im Besitz der Sache befunden habe. Dies gelte auch für die anstelle der Klage auf Herausgabe tretende Wertersatzklage. Der Kläger habe während des vorliegenden Rechtsstreites niemals eine rechtliche Verfügungsgewalt über die von ihm begehrten Bilder gehabt. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte, dem die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt wurde (§ 507 Abs 2 ZPO), beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, sie abzuweisen.

Die Klägerin macht geltend, daß sie einen vertragsmäßigen Anspruch auf Zurückstellung ihres Eigentums habe. Die Interessenklage sei in diesem Fall entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Nur die Eigentumsklage nach § 366 ABGB setzt den Besitz oder die Innehabung der geforderten Sachen durch den Beklagten voraus. Das ergibt sich sowohl aus § 366 ABGB, wonach der Eigentümer die ihm vorenthaltene Sache von jedem Inhaber gerichtlich fordern kann, wie auch aus § 369 ABGB, wonach der Eigentumskläger den Beweis führen muß, daß der Beklagte die eingeklagte Sache in seiner 'Macht' habe. Die Eigentumsklage erfordert daher die Gewahrsame des Beklagten oder wenigstens seinen sogenannten mittelbaren Besitz (Innehabung durch einen Dritten im Namen des Beklagten), und zwar im Zeitpunkt der Zustellung der Klage oder des Schlusses der mündlichen Verhandlung (EvBl 1978/173; Koziol-Welser, Grundriß 7 II 82, Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 369). Auch für die Interessenklage im Sinne des § 368 EO wäre daher bei Ableitung des Anspruches bloß aus dem Eigentum die Innehabung des Streitgegenstandes durch den Beklagten in einem der genannten Zeitpunkte erforderlich (SZ 27/154), weil § 368 EO keinen neuen materiellrechtlichen Anspruch gewährt, sondern das Bestehen eines in Geld zu ersetzenden Anspruches aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis voraussetzt (SZ 43/113).

Die Klägerin hat aber ihr Begehren gar nicht, zumindest nicht ausschließlich, auf den Rechtsgrund des Eigentums, sondern darauf gestützt, daß sie dem Beklagten bestimmte Bilder leihweise überlassen habe und daß der Beklagte die Rückgabe trotz mehrmaliger Aufforderung ablehne. Bei Zutreffen dieses Vorbringens - wie es vom Erstgericht ausdrücklich als erwiesen angenommen wurde; im angefochtenen Urteil wird in rechtlich unklarer Weise lediglich festgestellt, die Klägerin habe dem Beklagten die Bilder 'übergeben' - stünde der Klägerin ein vom Eigentum unabhängiger obligatorischer Herausgabeanspruch zu, zu dessen Abwehr nicht - wie bei der Eigentumsklage - der Nachweis genügte, daß der Beklagte im Zeitpunkt der Klagezustellung oder des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht mehr im Besitz des Streitgegenstandes war. Der Beklagte müßte zur Abwehr des Herausgabeanspruches vielmehr beweisen, daß die Bilder nicht mehr vorhanden sind und auch nicht mehr beschafft werden können. In diesem Fall könnte die Klägerin, wenn die Verletzung einer vertraglichen Rückstellungspflicht vorliegt, die Leistung des Interesses fordern (1 Ob 204/75, 8 Ob 276/75; im gleichen Sinn 4 Ob 556/79).

Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von der genannten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen. Die Revision war daher zulässig und, da das Berufungsgericht auf Grund der von ihm vertretenen Rechtsansicht zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, auch berechtigt. Es war deshalb der Revision Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da das Berufungsgericht, ausgehend von einer anderen Rechtsmeinung, die Berechtigung der vom Beklagten geltend gemachten Berufungsgründe - Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige Beweiswürdigung - nicht geprüft hat.

Anmerkung

E06282

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00617.85.0730.000

Dokumentnummer

JJT_19850730_OGH0002_0070OB00617_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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