TE OGH 1985/9/3 10Os86/85

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Veröffentlicht am 03.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.September 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schrott als Schriftführer, in der Strafsache gegen Robert A und Michael B wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG

und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten A und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Angeklagten sowie die Berufungen der Angeklagten A und B und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider

Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom 15.April 1985, GZ 12 b Vr 1380/84-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, des Angeklagten B und der Verteidiger Dr. Hauss und Dr. Hubalek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten A, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A wird verworfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und der Ausspruch der Unterbringung des Angeklagten A in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher gemäß § 22 Abs 1 StGB aus dem erstgerichtlichen Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, ausgeschaltet.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Robert A und Michael B des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG und des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z 1 und Z 2 dritter und vierter Fall SuchtgiftG, A überdies des Vergehens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt; gemäß § 22 Abs 1 StGB wurde A in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher eingewiesen.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten A nur in Ansehung des Schuldspruches wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG mit einer auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde angefochten; die Staatsanwaltschaft erhebt zu Gunsten dieses Angeklagten eine den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO relevierende Nichtigkeitsbeschwerde, die sich gegen den Ausspruch nach § 22 Abs 1 StGB wendet. Den Strafausspruch bekämpfen beide Angeklagten und die Staatsanwaltschaft (hinsichtlich beider Angeklagten) mit Berufungen.

Rechtliche Beurteilung

I.) Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A:

Beiden Angeklagten liegt unter anderem die Ende August 1984 vorgenommene Ausfuhr von 300 LSD-Trips aus den Niederlanden, deren Durchfuhr durch die Bundesrepublik Deutschland und die Einfuhr nach Österreich zur Last (Urteilsfakten A/I), sowie dem Angeklagten A das Inverkehrsetzen von etwa 140 Stück hievon in der Zeit von Ende August bis 16.September 1984 in Wien durch Weitergabe an Unbekannte (Urteilsfaktum A II 1).

Mit seiner Mängelrüge bekämpft der Angeklagte A die Feststellung des Erstgerichtes, wonach die Trips je 0,1 mg (= 0,0001 g) LSD, alle 300 Trips sohin 30 mg (= 0,03 mg) enthielten, welche Gesamtmenge über der 'Grenzmenge' für LSD im Sinn des § 12 Abs 1 SuchtgiftG (10 mg = 0,01 g; vgl Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 , S 848) liegt, als bloß theoretische Berechnung; im Zweifel sei von einem nach dem Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. C möglichen geringeren Wirkstoffgehalt von LSD-Trips (von 0,02 mg) auszugehen, womit sich keine überschreitung der bezeichneten 'Grenzmengen' ergäbe. Das Erstgericht stellte - insoweit der Verantwortung des Beschwerdeführers selbst folgend (S 188) - fest, daß es sich bei den urteilsgegenständlichen Trips um solche der Marke 'Fliegenpilz' handelte und stützte sich im übrigen auf das schriftlich erstattete (S 135 bis 137), in der Hauptverhandlung verlesene (S 193) und dort mündlich ergänzte Gutachten (S 188 bis 193) des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. C, wonach LSD-Trips der vorbezeichneten Art durch Eintauchen ganzer Bögen von Filterpapier, die nach Art von Briefmarkenbogen mit einer Perforation und einem Aufdruck (hier: einem Fliegenpilz) auf jeder 'Marke' versehen sind, in eine LSD-Lösung hergestellt werden, so daß sich das Suchtgift ziemlich gleichmäßig auf den ganzen Bogen verteilt, weiters daß der Aufdruck die Trips als 'Markenware' kennzeichnet, daß deren Hersteller im Interesse ihres Absatzes auf 'Qualität' achten, daß suchtgiftgehaltsmindernde Manipulationen (wie 'Strecken') durch Zwischenhändler schon aus technischen Gründen und als unwirtschaftlich nicht zu erwarten sind und daß schließlich eine Einzelpräparierung der Papierstückchen bei einer derartigen Massenware nicht eingehalten zu werden pflegt (S 204 ff). Von dieser aus dem Erfahrungswissen des Sachverständigen gewonnenen Bekundung konnte das Erstgericht ausgehen, auch wenn der Sachverständige mangels Sicherstellung der gegenständlichen (bereits veräußerten oder verbrauchten) Trips keine chemische Untersuchung vornehmen konnte, weil weder der Beschwerdeführer noch der Mitangeklagte B jemals konkret behaupteten, die gegenständlichen (zum geringen Teil von ihnen selbst konsumierten) Trips seien von schlechter Qualität gewesen und hätten keine entsprechende Wirkung gezeigt, oder sonst konkrete Hinweise dafür boten, daß die vorliegenden Trips entgegen der sonst eingehaltenen (rationelleren) übung (Eintauchen) diesfalls durch Auftropfen (und damit allenfalls in unterschiedlicher Qualität) hergestellt worden seien. Dabei konnte das Erstgericht in denkmöglicher (und lebensnaher) Würdigung auch davon ausgehen, daß der im Umgang mit Suchtgift sehr erfahrene Beschwerdeführer sein Geld in Amsterdam nicht in schlechtem (minderwirksamen) Suchtgift anlegte. Ein Begründungsmangel haftet somit dem erstgerichtlichen Urteil nicht an.

Die Rechtsrüge (Z 10) des Angeklagten A ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht von den Feststellungen des Erstgerichtes über den LSD-Gehalt der verfahrensgegenständlichen LSD-Trips ausgeht, sondern von der urteilsfremden Annahme, es habe sich um Trips mit einem Gehalt von 0,02 mg LSD gehandelt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A war daher zu verwerfen.

II.) Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft

zugunsten des Angeklagten A:

Gemäß § 22 Abs 1 StGB wurde die Unterbringung des Angeklagten A in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet.

Gemäß § 22 Abs 2 StGB ist von einer solchen Unterbringung jedoch unter anderem dann abzusehen, wenn der Rechtsbrecher mehr als zwei Jahre in Strafhaft zu verbüßen hat. Hiebei darf - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausführt - die Prüfung, ob dem Täter zur Zeit der Entscheidung über seine Unterbringung in einer Anstalt nach § 22 StGB (vgl EvBl 1984/126) noch eine mehr als zweijährige Strafhaft bevorsteht, nicht allein auf die Strafe wegen der Anlaßtat selbst und auch nicht etwa bloß zusätzlich auf Freiheitsstrafen aus Vorverurteilungen beschränkt werden, zu denen die Anlaßtat im Verhältnis der § 31, 40 StGB steht; sie hat sich vielmehr auf sämtliche Freiheitsstrafen zu erstrecken, die im Urteilszeitpunkt bereits in Vollzug gesetzt wurden oder gemäß § 397 StPO, § 3 Abs 1 StVG in Vollzug zu setzen wären (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB 2 RN 11 zu § 22;

EvBl 1985/4 = ÖJZ-LSK 1984/188, 189 zu § 22 Abs 2 StGB). Der Angeklagte A wurde mit dem vorliegenden Urteil vom 15. April 1985 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt, wobei die Vorhaft vom 19.September 1984, 9 Uhr 40, bis 1. Oktober 1984, 12 Uhr, (mithin in der Dauer von rund 13 Tagen) gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB angerechnet wurde. Wie sich aus einer Mitteilung des kreisgerichtlichen Gefangenenhauses Wiener Neustadt vom 1.Oktober 1984 (S 31) ergibt, wurde bei diesem Angeklagten die Untersuchungshaft für die Zeit vom 1.Oktober 1984, 12 Uhr, bis 19. Juni 1985, 12 Uhr, zum Vollzug zweier Freiheitsstrafen in der Dauer von 8 Monaten und 18 Tagen unterbrochen. Er hatte daher am Tag der Urteilsfällung erster Instanz im vorliegenden Verfahren noch Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren (teils aus dem gegenständlichen, teils aus anderen Strafverfahren) zu verbüßen. Da das Erstgericht sohin zum Nachteil des Angeklagten A zwingende und nicht dem richterlichen Ermessen überlassene Vorschriften über die Verhängung vorbeugender Maßnahmen verletzte, ist das angefochtene Urteil insoweit mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO behaftet. Der zugunsten dieses Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt somit Berechtigung zu; der bekämpfte Ausspruch war aus dem erstgerichtlichen Urteil auszuscheiden.

III. Zu den Berufungen:

Das Erstgericht verurteilte beide Angeklagten nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG unter Anwendung des § 28 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar Robert A in der Dauer von zwei Jahren und Michael B in der Dauer eines Jahres, sowie beide Angeklagten gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG zu Geldstrafen in der Höhe von je 15.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von 2 Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung bei beiden Angeklagten als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die mehrfache Qualifikation (beim Vergehen nach § 16 Abs 1 SuchtgiftG), bei A überdies einschlägige Vorstrafen und einen raschen Rückfall, als mildernd bei beiden Angeklagten ein Teilgeständnis und das Alter unter 21 Jahren zu den Tatzeiten.

Das Ausmaß der Freiheitsstrafen wird von der Staatsanwaltschaft, die hinsichtlich beider Angeklagten die Erhöhung beantragt, sowie von beiden Angeklagten mit dem Begehren auf Herabsetzung bekämpft. Der Angeklagte B strebt überdies die Gewährung bedingter Strafnachsicht an. Die ausgesprochenen Geldstrafen blieben unangefochten.

Keiner der Berufungen kommt Berechtigung zu.

Die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht zutreffend festgestellt. Vom Angeklagten A wird dies auch eingeräumt. Aber auch die Berufungsbehauptung des Angeklagten B, wonach ihm zu Unrecht anstelle eines vollen Geständnisses nur ein Teilgeständnis als mildernd zugute gehalten worden sei, geht fehl. Seine Verantwortung in der Hauptverhandlung ging dahin, nur etwa 30 Trips weitergegeben zu haben (S 175 in Verbindung mit S 187), womit er im Urteilsfaktum A II 2 (Weitergabe von etwa 140 Trips) in der Tat nur teilweise geständig war.

Die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht auch in ihrem Gewicht durchaus zutreffend gewürdigt. Zu einer Herabsetzung der Freiheitsstrafe besteht weder bei dem mehrfach einschlägig vorbestraften und immer wieder rückfälligen Angeklagten A, noch auch beim - wenn auch nicht einschlägig vorbestraften - Angeklagten B Anlaß; bei letzterem wurde augenscheinlich im Hinblick darauf, daß er bisher noch nicht wegen eines Suchtgiftdeliktes abgeurteilt wurde, ohnedies mit der Verhängung der Mindeststrafe vorgegangen. Gründe für eine außerordentliche Strafmilderung liegen nicht vor.

Aber auch eine bedingte Strafnachsicht kommt beim Angeklagten B nicht mehr in Frage. Er wurde nämlich nach Widerruf einer bedingten Strafnachsicht (zum AZ 9 Vr 1603/82 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt) und Verbüßung dieser Freiheitsstrafe (bis zum 2.August 1984) überaus rasch neuerlich straffällig: Er verübte das ihm nun zur Last fallende Verbrechen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG bereits Ende August 1984. Es zeigt sich somit, daß weder die Androhung einer Freiheitsstrafe noch deren Vollziehung bisher eine nachhaltige resozialisierende Wirkung zu erzielen vermochte. Es kann unter diesen Umständen füglich nicht angenommen werden, daß nunmehr eine neuerliche bloße Androhung einer Freiheitsstrafe genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 43 Abs 1 StGB). Vielmehr bedarf es bei ihm aus spezialpräventiven Gründen des Vollzuges einer entsprechend fühlbareren Freiheitsstrafe.

Andererseits sind aber die über die beiden Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen im Hinblick darauf, daß beim strafsatzbestimmenden Verbrechen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG die sogenannte Grenzmenge nicht in einem hohen Ausmaß überschritten wurde, durchaus dem Unrechtsgehalt der Taten angemessen. Es bedarf daher nicht der von der Staatsanwaltschaft begehrten Erhöhung der Freiheitsstrafen.

Allen Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E06316

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00086.85.0903.000

Dokumentnummer

JJT_19850903_OGH0002_0100OS00086_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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