TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/29 2005/08/0058

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Veröffentlicht am 29.06.2005
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §24;
AlVG 1977 §25;
AlVG 1977 §38;
NotstandshilfeV §2 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. Manfred Michalek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Falkestraße 1/6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 17. Jänner 2005, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2003-124, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stand nach der Aktenlage im entscheidungswesentlichen Zeitraum vom 1. Jänner 2000 bis 31. Jänner 2002 (mit Unterbrechungen) auf Grund von Anträgen vom 5. Juli 1999, 3. Juli 2000 und 25. Juni 2001 im Bezug von Notstandshilfe. Im Antragsformular zu jedem dieser Anträge ist die Beschwerdeführerin zu der im vorgedruckten Text des Formulars zu Punkt 1 enthaltenen - als "Frage" bezeichneten - Feststellung :

"In meinem Haushalt leben Angehörige bzw. ich habe für Angehörige zu sorgen, die nicht im gemeinsamen Haushalt mit mir leben. Angehörige sind Ehegatten, Lebensgefährten, Kinder, Enkel, Stief-, Wahl- und Pflegekinder"

wie folgt verfahren: Sie hat in der zur handschriftlichen Ergänzung vorbereiteten Rubrik ihren Ehemann (unter Bekanntgabe des Namens, des Geburtsdatums, des Eheverhältnisses, seines monatlichen Einkommens und der Art seiner Beschäftigung - "selbständig") angegeben. In den Formularen zum Antrag vom 3. Juli 2000 und vom 25. Juni 2001 hat die Beschwerdeführerin an jener Stelle, an denen zu dieser Frage "ja" oder "nein" anzukreuzen ist, jeweils das Kästchen mit "ja" angekreuzt; im Formular zum Antrag vom 5. Juli 1999 ist das Ankreuzen unterblieben.

Mit Bescheid vom 16. Jänner 2003 hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Jänner 2000 bis 4. April 2001, vom 23. Juni 2001 bis 30. November 2001 und vom 27. Dezember 2001 bis 31. Jänner 2002 widerrufen und die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von EUR 8.684,66 verpflichtet. Dies wurde damit begründet, dass die Beschwerdeführerin die Notstandshilfe für die genannten Zeiträume zu Unrecht bezogen habe. Nach dem Inhalt der vorgelegten Steuerbescheide des Ehemannes sei Notlage in den angeführten Zeiträumen nicht vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Darin wendete sie sich gegen den erstinstanzlichen Bescheid unter zwei Gesichtspunkten: Zum einen sei die Berücksichtigung des Partnereinkommens aus näher bezeichneten gemeinschaftsrechtlichen Gründen (indirekte Diskriminierung von Frauen) rechtswidrig. Darüber hinaus sei der "allgemeine Verweis", es liege Notlage nicht vor, keine ausreichende Begründung. Die Beschwerdeführerin sei überdies "schwer herzkrank und leide an Bluthochdruck"; sie müsse jeden Tag "zwischen 3 bis 4 Medikamente" einnehmen. Die Ausgaben dafür wären ihrer Meinung nach bei der Freigrenzenerhöhung zu berücksichtigen gewesen. Die Rückforderung der Notstandshilfe für Jänner 2002 sei nicht gerechtfertigt, da der Einkommensteuerbescheid für dieses Jahr noch nicht vorliege.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens verwies die belangte Behörde zunächst auf die mittlerweile durch näher bezeichnete Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes geklärte Rechtsfrage der Vereinbarkeit der Bestimmungen über die Notstandshilfe mit dem Gemeinschaftsrecht. Die belangte Behörde habe den Anspruch der Beschwerdeführerin im Übrigen neuerlich überprüft. Diese habe in ihren Anträgen auf Notstandshilfe angegeben, dass ihr Ehemann selbständig erwerbstätig sei, und habe in der Folge Erklärungen über das Nettoeinkommen ihres Ehemannes aus selbständiger Erwerbstätigkeit beigebracht. Dieses "erklärte Einkommen" sei auf den Notstandshilfeanspruch angerechnet und dieser entsprechend verringert worden. Die Frage nach erhöhten Aufwendungen, in der Krankheiten als Beispiel genannt würden, habe sie bei jeder der erwähnten Antragstellungen verneint.

Der Einkommensteuerbescheid des Ehemannes für das Jahr 2000 weise ein Einkommen aus Gewerbebetrieb in der Höhe von S 228.102,--

und eine abzuführende Einkommensteuer von S 34.935,-- aus. Nach Hinzurechnung der Sonderausgaben gemäß § 18 EStG in der Höhe von S 3.418,-- und Abzug der Einkommensteuer ergebe dies ein Nettoeinkommen von S 196.585,-- jährlich und von S 16.382,08 monatlich.

Für das Jahr 2001 ergebe sich - wie in gleicher Weise dargestellt wird - ein monatliches Einkommen von S 14.156,67. Aus dem Einkommensteuerbescheid für 1999 ergebe sich bei gleicher Berechnungsweise ein monatliches Einkommen von S 16.330,75.

Nach Hinweis auf den Wortlaut des § 33 AlVG erläuterte die belangte Behörde den von ihr vorgenommenen Rechenvorgang dahin, dass vom Nettoeinkommen des Partners zunächst die Freigrenzen (für das Jahr 2000 S 5.816,--, für das Jahr 2001 S 5.863,-- und für das Jahr 2002 EUR 435,--) abgezogen würden. Diese Freigrenzen könnten auf Grund außergewöhnlicher finanzieller Belastungen infolge von Krankheit, Schwangerschaft, eines Todesfalls sowie Rückzahlungsverpflichtungen infolge von Hausstandsgründung um bis zu maximal 50 % erhöht werden, wobei Kreditraten zu höchstens 50 % der Ratenhöhe anerkannt würden. Die Anrechnung habe immer auf den Leistungsanspruch des Folgemonates zu erfolgen. Es sei daher das Einkommen des Partners im Jänner auf den Notstandshilfeanspruch im Februar anzurechnen. Da der Ehemann selbständig erwerbstätig sei, sei gemäß § 36a Abs. 5 AlVG sein Einkommen anhand des Einkommensteuerbescheides zu beurteilen, wobei das jährliche Einkommen auf ein monatliches umzurechnen sei. Zum Einwand, die Beschwerdeführerin leide an einer Herzkrankheit, seien keine Befunde angefordert worden, da auch unter Berücksichtigung einer Freigrenzenerhöhung für "innere Krankheit" von S 600,-- das anrechenbare Einkommen von "EUR 325,08 täglich" (richtig: S 325,08) den Anspruch auf Notstandshilfe von S 183,50 deutlich übersteige. Dies wird im angefochtenen Bescheid für den gesamten Zeitraum vom 1. Februar 2000 bis 31. Jänner 2002 im Einzelnen dargelegt und auch der sich daraus ergebende - eingangs genannte - Rückforderungsbetrag im Einzelnen aufgeschlüsselt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde nur mehr unter einem Gesichtspunkt gegen den Widerruf und die Rückforderung der Notstandshilfe: Sie verweist darauf, dass gemäß § 2 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners zu berücksichtigen seien, stellt dann Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zur Frage dar, nach welchen Gesichtspunkten die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zu beurteilen sei und behauptet dann, dass "alle diese Fakten" in ihrem Falle vorlägen, weshalb die belangte Behörde zu Unrecht und rechtswidrig das Einkommen ihres Ehemannes bei der Frage, ob sie in einer Notlage lebe oder nicht, berücksichtigt habe. Da sie mit ihrem Mann nicht mehr in häuslicher Gemeinschaft lebe, sei die Bestimmung des § 2 Abs. 2 zu Unrecht und rechtswidrig herangezogen worden. Ein Rückforderungsanspruch bestehe daher nicht.

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, von einer anwaltlich nicht vertretenen Partei mit keiner wie immer gearteten juristischen Erfahrung könne nicht erwartet werden, dass sie über die Entscheidungen, wann eine häusliche Gemeinschaft aufgehoben sei, Kenntnis habe. Die belangte Behörde hätte daher im Ermittlungsverfahren entsprechende Fragen an sie stellen müssen, um die im Bescheid enthaltene Feststellung zu überprüfen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt lebe.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in keinem ihrer Anträge auf Notstandshilfe, die für den Streitzeitraum maßgeblich sind, angegeben hat, mit ihrem Ehemann nicht im gemeinsamen Haushalt zu leben. Eine solche Behauptung der Beschwerdeführerin findet sich auch sonst in keinem Stück der vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere auch nicht in der von der belangten Behörde vorgelegten EDV-Dokumentation. Weder die regionale Geschäftsstelle des AMS noch die belangte Behörde hatten daher Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt lebe.

Soweit die Beschwerdeführerin daher behauptet, im entscheidungswesentlichen Zeitraum mit ihrem Ehemann nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben, verstößt dies gegen das sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebende Neuerungsverbot.

Der belangten Behörde ist in diesem Zusammenhang aber auch kein Verfahrensmangel vorzuwerfen: Die Beschwerdeauffassung, dass die belangte Behörde die Verpflichtung hätte, jeglicher denkbaren, für die Höhe des Anspruchs potenziell relevanten Frage des Privatlebens von Antragstellern durch gezielte Nachfrage nachzugehen, entbehrt der Rechtsgrundlage. Das bundeseinheitlich aufgelegte Antragsformular, in dem ua. auch die Frage nach dem gemeinsamen Haushalt in einer dem Verständnis auch von Laien durchaus zugänglichen Weise gestellt wird, reicht im Allgemeinen aus, um alle für die Beurteilung des Anspruches notwendigen Daten zu erheben. Es wäre an der Beschwerdeführerin gelegen gewesen, auf nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwartende Umstände ihres Ehelebens aus eigenem hinzuweisen. Einen solchen Hinweis ließ die Beschwerdeführerin aber auch noch in ihrer Berufung vermissen, deren Textierung, die ausdrücklich auf das Diskriminierungsverbot des Gemeinschaftsrechtes und andere, wesentlich komplexere rechtliche Umstände Bedacht nimmt, im Übrigen erkennen lässt, dass entweder die Beschwerdeführerin selbst über ein höheres Maß an Rechtskenntnissen verfügt als sie in ihrer Beschwerde einräumen möchte, oder aber bei Verfassung ihrer Berufung ohnehin rechtlich beraten gewesen ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005080058.X00

Im RIS seit

16.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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