TE OGH 1986/2/20 7Ob515/86 (7Ob516/86)

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Veröffentlicht am 20.02.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1.) Dipl.Ing. Peter M***, Pensionist, Wien 9.,

Nordbergstraße 10/22, und 2.) Dr. Martin B***, Facharzt, Wien 19., Wildbrandtgasse 11, beide vertreten durch Gerhard Brichar, Gebäudeverwalter, Wien 19., Weimarerstraße 82, dieser vertreten durch Dr. Hans G. Mondl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr. Gerhard K***, Hofrat der Finanzprokuratur,

2.) Irmgard K***, Hausfrau, 3.) Dr. Hildegard B***, Fachärztin, 4.) Dr. Lothar B***, Facharzt, und 5.) Lothar W***, Angestellter, alle Wien 19., Hardtgasse 19, der 1. und die

2. Beklagte vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, die 3., der 4. und der 5.Beklagte vertreten durch Dr. Dieter Böhmdorfer und Dr. Wolfram Temmer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Räumung (Streitwert S 100.000 und S 24.000), infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 28.Februar 1985, GZ 41 R 702/85-29, womit infolge der Berufungen der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 7.Mai 1985, GZ 5 C 1043/84-21, sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klagen 5 C 1043/84 und 5 C 109/85 des Bezirksgerichtes Döbling zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung über die Berufungen der beklagten Parteien unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungs- und Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Der Erstkläger ist Miteigentümer des Hauses EZ 14,

KG Oberdöbling, Hardtgasse 19, zu 894/1023-Anteilen, der Zweitkläger ist Miteigentümer zu 129/1023-Anteilen. Mit den Miteigentumsanteilen des Zweitklägers ist Wohnungseigentum an "W 8" verbunden. Es handelt sich hiebei um den Dachboden des Hauses, den der Zweitkläger auszubauen beabsichtigt. Die Beklagten sind Mieter im Haus Hardtgasse 19, und zwar der Erst- und die Zweitbeklagte der Wohnung Nr.7, die Dritt- und der Viertbeklagte der Wohnung Nr.5 und der Fünftbeklagte der Wohnung Nr.6. Die Wohnungen Nr.6 und 7 liegen direkt unterhalb des Dachbodens.

Mit der Klage AZ 5 C 1043/84 stellt der Erstkläger das Begehren, die beklagten seien schuldig, die Benützung des Dachbodens des Hauses Hardtgasse 19 zu unterlassen. Im Mietvertrag mit dem Erst- und der Zweitbeklagten sei über ein Benützungsrecht des Dachbodens bzw. über den Trockenboden nichts vereinbart. Der Erst- und die Zweitbeklagte behaupteten allerdings, sie hätten bei Abschluß des Mietvertrages die Berechtigung erhalten, sich einen Schlüssel für den Dachboden zu machen. Die Dritt-, der Viert- und der Fünftbeklagte seien nach dem Mietvertrag berechtigt, die Waschküche und den Trockenboden gemäß der Hausordnung mitzubenützen. Der Erstkläger habe im Mai 1984 auf dem Schwarzen Brett des Hauses durch einen Anhang mitgeteilt, daß wegen des bevorstehenden Ausbaues der Dachboden freigemacht werden müsse. Die Beklagten hätten daraufhin alle Gegenstände vom Dachboden entfernt. Der Erstkläger habe den Beklagten - in zulässiger Änderung der Hausordnung - Einzelräume zur Verfügung gestellt, die als Abstell- und Trockenraum baubehördlich genehmigt worden seien. Die Beklagten machten nunmehr Rechte am Dachboden geltend, um dessen Ausbau zu unterbinden. Der geplante Ausbau des Dachbodens stelle eine nützliche Bauführung des Vermieters dar.

In der Klage AZ 5 C 109/85 stellen beide Kläger das Begehren, der Erst-, die Zweit- und der Fünftbeklagte seien schuldig, den Dachboden des Hauses Hardtgasse 19 von ihren Fahrnissen zu räumen und den Klägern geräumt zu übergeben. Die genannten Beklagten hätten zwar den Dachboden im Mai 1984 geräumt, in der Folge aber dort wieder Gegenstände untergebracht, obwohl sie keinerlei Miet- oder sonstige Benützungsrechte an dem Dachboden hätten.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klagen und machen geltend, ihre Mietrechte bezögen sich auch auf die gemeinsame Benützung des Dachbodens. Die Kläger versuchten, mit ihren Klagen eine Duldung von Eingriffen in die Mietrechte der Beklagten zur Ermöglichung der Vornahme von Änderungsarbeiten durch den Zweitkläger durchzusetzen. Dabei handle es sich jedoch um einen Anspruch, über den im Außerstreitverfahren (§ 37 Abs1 Z 5 MRG) zu entscheiden sei. Der Rechtsweg sei daher unzulässig. Beide Rechtsstreite wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht gab beiden Klagen statt. Es kam nach Durchführung eines Beweisverfahrens zum Ergebnis, daß die Beklagten weder Miet-, noch sonstige Rechte zur Benützung des Dachbodens hätten.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die beiden Klagen zurück. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Streit- bzw. Beschwerdegegenstand S 15.000 übersteigt. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß die Ansprüche der Kläger die Durchsetzung eines Eingriffs in die Mietrechte der Beklagten aus wichtigen Gründen zum Gegenstand hätten und daher ins Außerstreitverfahren gehörten.

Die Kläger bekämpfen den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragen, ihn aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung über die Berufung aufzutragen. Sie machen geltend, sie hätten ihr Begehren in beiden Klagen ausdrücklich darauf gestützt, daß den Beklagten keinerlei Rechte am Dachboden zustünden. Die Beklagten beantragen in den von ihnen erstatteten Rekursbeantwortungen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend (SZ 44/165 ua; Fasching I 63). Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluß sind hingegen die Einwendungen des Beklagten sowie, ob der behauptete Anspruch begründet ist. Darüber ist in der Sachentscheidung abzusprechen (SZ 44/165 ua).

Nach § 37 Abs1 Z 5 MRG entscheidet über Anträge auf Duldung von Eingriffen in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungs-, Verbesserungs- und Änderungsarbeiten einschließlich des Anspruches auf angemessene Entschädigung (§ 8 Abs2 und 3) das Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen (mit den in § 37 Abs3 MRG angeführten Besonderheiten). Nach § 8 Abs2 MRG hat der Hauptmieter die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstandes unter bestimmten, in den Z 1 und 2 dieser Bestimmung näher angeführten Voraussetzungen zuzulassen. Nach § 8 Abs3 MRG sind alle Arbeiten, die ein Mieter zuzulassen hat, so durchzuführen, daß eine möglichste Schonung des Mietrechtes des betroffenen Mieters gewährleistet ist. Außerdem ist der Mieter für eine wesentliche Beeinträchtigung angemessen zu entschädigen.

§ 8 Abs2 und § 37 Abs1 Z 5 MRG setzen demnach zu ihrer Anwendung Eingriffe in ein Mietrecht voraus, die der Vermieter (im Fall des § 8 Abs2 Z 2 ein anderer Mieter) beabsichtigt. Gerade das Vorliegen von Miet- oder sonstigen Benützungsrechten der Beklagten am Dachboden des Hauses Hardtgasse 19 wird von den Klägern in beiden Klagen bestritten. Dies geschieht in der Klage AZ 5 C 109/85 ausdrücklich und geht auch aus dem Vorbringen zur Klage AZ 5 C 1043/84 unmißverständlich hervor, da in dieser hervorgehoben wird, es sei im Mietvertrag mit dem Erst- und der Zweitbeklagten über ein Benützungsrecht des Dachbodens nichts vereinbart worden und auch die Dritt-, der Viert- und der Fünftbeklagte seien nur berechtigt, den Trockenboden gemäß der Hausordnung mitzubenützen. Nach der geänderten Hausordnung stünden aber den Mietern die Räume der ehemaligen Hausbesorgerwohnung zum Trocknen und Abstellen zur Verfügung.

Stützen aber die Kläger ihr Räumungs- und Unterlassungsbegehren auf die Behauptung, die Benützung des Dachbodens durch die Beklagten geschehe titellos, hat die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch im Streitverfahren zu erfolgen. Dabei ist es ohne Belang, daß die Beklagten Miet- (oder sonstige Benützungs-)Rechte an dem Dachboden behaupten, und daß bei Vorliegen von Mietrechten über die Ansprüche der Kläger im Außerstreitverfahren zu entscheiden wäre. Es ist auch unerheblich, daß die Kläger mit ihren Klagen letztlich den geplanten Dachbodenausbau durchsetzen wollen. Ebensowenig ist im vorliegenden Verfahren zu erörtern, ob die Kläger dieses Ziel durch eine erfolgreiche Klageführung erreichen.

Der Oberste Gerichtshof stimmt daher der Ansicht des Berufungsgerichtes, es wäre über den geltend gemachten Anspruch im besonderen Außerstreitverfahren des § 37 MRG zu verhandeln und zu entscheiden gewesen, nicht zu. Der Rekurs erweist sich damit als begründet, sodaß ihm Folge zu geben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung über die Berufung der Beklagten unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen war. Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 52 ZPO.

Anmerkung

E07801

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00515.86.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19860220_OGH0002_0070OB00515_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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