TE OGH 1986/3/25 14Ob20/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dipl.Ing. Otto Beer und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werwulf M***, Betriebsingenieur, Ingolstadt, Klenzestraße 4, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei T*** E*** Gesellschaft mbH in Vöcklabruck, Telefunkenstraße 6, vertreten durch Dr. Heinz Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen restl. S 374.103,-- brutto sA., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 4.Oktober 1985, GZ. 21 Cg 32/85-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Vöcklabruck vom 1.März 1985, GZ. Cr 13/84-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 14.389,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.133,55 Umsatzsteuer und S 1.920,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1.Juni 1958 bei der Firma AEG (später AEG-Telefunken AG), mit dem Sitz in Frankfurt angestellt. Im Jahre 1966 wurde er nach Vöcklabruck zur (späteren) beklagten Partei, einer 100 %-igen Tochtergesellschaft der AEG-Telefunken AG Frankfurt, entsandt, in der Folge ein (unmittelbares) Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen begründet und in den hierüber errichteten schriftlichen Verträgen der 1.Juni 1958 (Eintritt bei der Muttergesellschaft) als Eintrittsstichtag festgesetzt. Mit 31.Jänner 1980 wurde das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen einvernehmlich aufgelöst. Vom 1.Februar 1980 bis 30. Juni 1983 war der Kläger wiederum bei der Muttergesellschaft (oder einer anderen Tochtergesellschaft) in Ingolstadt beschäftigt. Der Kläger begehrt von der beklagten Partei eine Abfertigung in Höhe von 9 Monatsbezügen a S 41.741,--, zusammen S 375.679,-- sA und brachte vor, daß ihm die Vordienstzeiten seit 1.Juni 1958 uneingeschränkt, also auch für die Bemessung der Abfertigung, angerechnet worden seien. Seine letzten beiden Dienstverhältnisse zur beklagten Partei und deren Muttergesellschaft seien getrennt zu beurteilen. Die AEG-Telefunken AG habe ihm nur unter bestimmten Voraussetzungen seine Wiedereinstellung zugesagt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, zwischen dem Kläger und der Muttergesellschaft sei schon seinerzeit vereinbart worden, daß das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf die Dauer der Beschäftigung bei der beklagten Partei ruhe und sich die Muttergesellschaft das Recht vorbehalte, den Kläger in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuberufen. Dem Kläger sei zugesagt worden, daß er von der Muttergesellschaft auch für die Dienstzeit bei der beklagten Partei Ruhegeld nach den einschlägigen Richtlinien der für die Belegschaftsmitglieder der AEG-Telefunken AG bestehenden Ruhegeldeinrichtung erhalten werde. Der im Vertrag mit der beklagten Partei festgesetzte Eintrittsstichtag 1.Juni 1958 habe sich nur auf die Bemessung dieses Ruhegeldes bezogen. Da das Dienstverhältnis des Klägers am 31.Jänner 1980 nicht endgültig aufgelöst, sondern einvernehmlich in einem anderen Konzernbetrieb fortgesetzt worden sei, habe er in analoger Anwendung des § 23 Abs.3 AngG keinen Abfertigungsanspruch; dieser widerspräche dem Versorgungscharakter der Abfertigung. Wenn überhaupt, stehe dem Kläger der Anspruch auf Abfertigung nur für die tatsächlich bei der beklagten Partei zugebrachte Dienstzeit zu. Der Kläger müsse sich auf die Abfertigung die in der Bundesrepublik Deutschland nach Beendigung seines Dienstverhältnisses in Ingolstadt begehrte Abfindung aus dem Sozialplan (§§ 111, 112d BetrVG) anrechnen lassen. Diese Leistungen hätten dieselbe Rechtsnatur wie der Abfertigungsanspruch nach österreichischem Recht.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 374.103,-- brutto sA zu und wies ein Mehrbegehren von S 1.566,-- sA - insoweit unbekämpft - ab.

Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger trat am 1.Juni 1958 in die Dienste der AEG (später: AEG-Telefunken AG) ein und kam 1966 in die (damals noch unselbständige) Zweigniederlassung der Fa. Telefunken GesmbH Berlin nach Vöcklabruck, die am 25.Jänner 1971 als "AEG-Telefunken Elektronische Bauelemente GesmbH" ins Handelsregister eingetragen wurde (der Firmenwortlaut der beklagten Partei wurde während des Prozesses auf "Telefunken Elektronik GesmbH" geändert). Dem Kläger wurde vor seiner Entsendung nach Österreich mündlich zugesichert, daß ihm die Dienstzeiten in Österreich bei der Berechnung des Ruhegeldes angerechnet würden. 1967 wurde der Kläger endgültig nach Österreich versetzt. Im Jahre 1970 unterfertigte er einen Entsendungsvertrag und einen Dienstvertrag.

Im Entsendungsvertrag vom 1.Juni 1970 ist festgehalten, daß der Kläger mit Wirkung vom 1.November 1969 zur beklagten Tochtergesellschaft nach Vöcklabruck versetzt wurde, mit Wirkung von diesem Tag in die Dienste dieser Gesellschaft eingetreten ist und die Einzelbedingungen seiner Anstellung mit dieser Gesellschaft gesondert vereinbart worden seien. Mit Wirkung vom 1.November 1969 ruhe sein Arbeitsverhältnis zur Muttergesellschaft für die Dauer des Arbeitsverhältnisses zur beklagten Partei. Die Muttergesellschaft behalte sich vor, den Kläger mit einer Ankündigungsfrist von sechs Monaten zurückzuberufen. Da das Arbeitsverhältnis zur Muttergesellschaft nur ruhe, werde dem Kläger seine bisherige Dienstzeit und die Dienstzeit bei der Tochtergesellschaft als Dienstzeit für die Bemessung des (betrieblichen) Ruhegeldes angerechnet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur beklagten Partei lebe das Arbeitsverhältnis zur Muttergesellschaft wieder auf, sofern der Kläger unmittelbar im Anschluß an jenes zur Muttergesellschaft zurückkehre. Die Zusage, den Kläger nach seiner Rückkehr wieder in eine Stellung einzusetzen, die seinen Kenntnissen und Erfahrungen Rechnung trage, gelte unter der Voraussetzung, daß die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Geschäftslage der Muttergesellschaft nicht eine Entwicklung genommen habe, die die Einhaltung der Zusage unmöglich mache.

Im Dienstvertrag mit der Tochtergesellschaft vom 1. April/1.Juni 1970 wurde unter anderem vereinbart:

"........

4. Für die Regelung Ihres Dienstverhältnisses gelten, soweit in

diesem Schreiben nichts anderes festgelegt ist, unsere Ihnen

ausgehändigte Arbeitsordnung vom 1.Mai 1966, der österreichische

Rahmen-Kollektivvertrag für Angestellte der Industrie vom

1. Juli 1965 und das österreichische Angestelltengesetz in den

jeweils gültigen Fassungen, sowie der Entsendungsvertrag vom

1. Juni 1970.

..........

8. Ihr Eintrittsstichtag ist der 1.Juni 1958."

Nachdem der Kläger mit Wirkung vom 1.Jänner 1972 als technischer Betriebsleiter der Fertigungsstelle Braunau bestellt worden war, wurde ihm der Dienstvertrag vom 29.November 1972 vorgelegt, der in den Punkten 4. und 8. die schon im Dienstvertrag vom 1. April/1.Juni 1970 enthaltenen Bestimmungen (mit Ausnahme der Worte im Punkt 4.: "Sowie der Entsendungsvertrag vom 1.6.1970") aufwies. Der Geschäftsführer der beklagten Partei Dkfm.M*** sagte zum Kläger, daß er nunmehr ausgesorgt habe, da er neben dem österreichischen Abfertigungsanspruch auch Anspruch auf Ruhegeld laut Dienstvertrag Punkt 9. und 10. habe. Diese beiden Bestimmungen des Dienstvertrages vom 29.November 1972 lauten wie folgt:

"9. Im Falle Ihrer Versetzung in die BRD verpflichten wir uns, Ihnen eine Tätigkeit anzubieten, die Ihren Kenntnissen und Erfahrungen Rechnung trägt. Hiebei gehen wir jedoch von der Voraussetzung aus, daß die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Geschäftslage von AEG-Telefunken bis zu Ihrer Rückkehr nicht eine Entwicklung genommen haben, die die volle Einhaltung dieser Zusagen unmöglich macht.

10. Sofern Sie in den Diensten der AEG-Telefunken Elektronische Bauelemente GesmbH Vöcklabruck, Fertigungsstelle Braunau, gemäß den Versorgungsbestimmungen versorgungsfähig werden, sind wir bereit, Ihnen ein Ruhegeld und im Todesfall Hinterbliebenenbezüge zu zahlen, und zwar ausschließlich nach Maßgabe der zu diesem Zeitpunkt jeweils geltenden Versorgungsbestimmungen für AEG-Telefunken. Der Berechnung der Versorgungsleistungen werden wir die von Ihnen bei AEG-Telefunken und die im Rahmen des Vertrages bei der AEG-Telefunken Elektronische Bauelemente GesmbH Vöcklabruck, Fertigungsstelle Braunau verbrachten Dienstjahre zugrundelegen, unter Berücksichtigung des für die Errechnung ihrer AEG-Telefunken-Dienstzeit festgesetzten Eintrittsstichtages."

In einem vom Kläger gegen die "Fa. Telefunken Elektronik GmbH", Ingolstadt angestrengten Kündigungsschutzverfahren schlossen die dortigen Parteien vor dem Landesarbeitsgericht München am 16. August 1983 einen Vergleich, mit dem sich die dortige beklagte Partei verpflichtete, dem Kläger gemäß §§ 9, 10 KSchG (= deutsches Kündigungsschutzgesetz) einen Abfindungsbetrag von DM 10.000,-- zu behahlen.

Punkt 3. dieses Vergleiches lautet:

"Damit sind alle gegenseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung endgültig erledigt, unbeschadet etwaiger Ansprüche des Klägers aus unverfallbaren Versorgungsanwartschaften sowie etwaiger Ansprüche aus dem Sozialplan und eventueller Ansprüche auf Abfertigung, deren sich der Kläger aus seiner Tätigkeit bei der damaligen AEG-Telefunken Elektronische Bauelemente GmbH Vöcklabruck berühmt."

Am 27.September 1983 erhob der Kläger zu 18 C a 1266/83 des Arbeitsgerichtes München, Außenkammer Ingolstadt gegen die Fa."Telefunken Elektronik GmbH", Nürnberg Klage auf Zahlung einer restlichen Abfindung gemäß Sozialplan (§§ 111, 112 d BetrVG) vom 7. Februar 1980 in Höhe von DM 31.848,-- brutto. Der Kläger stützte diese Klage auf eine Betriebszugehörigkeit ab 1.Juni 1958. Dieses Verfahren wurde bis zum Abschluß des gegenständlichen Arbeitsgerichtsverfahrens ausgesetzt.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Annahme des Angebotes durch den Kläger, in einem anderen Konzernunternehmen weiterzuarbeiten, an der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zwischen den Streitteilen nichts geändert habe, sodaß dem Kläger gemäß § 23 AngG Abfertigung gebühre. Bei der Bemessung der Höhe der Abfertigung sei von einer Dauer des Dienstverhältnisses von 21 Jahren auszugehen, weil im letzten gültigen Dienstvertrag vom 29.November 1972 der 1.Juni 1958 als Eintrittsstichtag festgesetzt worden sei. Daß diese Klausel nur für einzelne Ansprüche aus dem Dienstverhältnis gelte, könne der Urkunde, die nicht mehr auf den Entsendungsvertrag vom 1.Juni 1970 Bezug nehme, nicht entnommen werden. Aus Punkt 8. und 10. des Dienstvertrages vom 29.November 1972 ergebe sich nicht, daß der Eintrittsstichtag nur für die Bemessung von Versorgungsleistungen gelte.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs.1 Z.3 ArbGG von neuem, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Die zweite Instanz war der Ansicht, daß aus der Versorgungs- und Überbrückungsfunktion der Abfertigung nicht die Rechtsfolge abgeleitet werden könne, daß der Anspruch bei Fehlen dieser Bedürfnisse im konkreten Einzelfall nicht gegeben sei. Die Abfertigung stehe vielmehr auch dann zu, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar nach Beendigung des Dienstverhältnisses ein neues beginne oder in den Ruhestand trete und somit versorgt sei. Eine analoge Anwendung des § 23 Abs.3 AngG auf den Wechsel eines Angestellten von einem Konzernunternehmen zu einem anderen komme nicht in Betracht, da diese Gesetzesstelle den Eigentumswechsel an ein und demselben Unternehmen regle. Der Entsendungsvertrag mit der Muttergesellschaft gehe davon aus, daß das mit der beklagten Partei geschlossene Dienstverhältnis von jenem mit der Muttergesellschaft in der BRD zu unterscheiden und rechtlich selbständig sei. Eine Fortsetzung ein und desselben Dienstverhältnisses in verschiedenen Betriebsstätten liege nicht vor.

Eine Anrechnung von Ruhegeldansprüche auf die Abfertigung finde gemäß § 23 a Abs.4 AngG nur auf Grund von Vereinbarungen statt. Das Vorliegen einer solchen Vereinbarung habe die beklagte Partei nicht einmal behauptet. Der Kläger habe daher Anspruch auf die gesetzliche Abfertigung.

Der in den Dienstverträgen vom 1.April/1.Juni 1970 und 29. November 1972 festgesetzte Eintrittsstichtag gelte nicht nur für die Bemessung des Ruhegeldes. Werde nicht ausdrücklich vereinbart, wofür die Vordienstzeiten anzurechnen seien, dann habe die Anrechnung überall

dort zu erfolgen, wo sie rechtlich relevant sei, also auch für die Berechnung der Abfertigung. Daß Vordienstzeiten im Ausland zugebracht worden seien, wo ein gleichartiger Abfertigungsanspruch womöglich nach der dortigen Gesetzeslage nicht entstehen könne, sei kein Hindernis für ihre rechtsgeschäftliche Anrechnung. Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Gemäß § 44 Abs.1 IPRG sind Arbeitsverträge nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. Dieses Recht bleibt auch maßgebend, wenn der Arbeitnehmer an einen Arbeitsort in einem anderen Staat entsandt wird. Gemäß § 44 Abs.3 IPRG ist eine Rechtswahl nur beachtlich, wenn sie ausdrücklich getroffen worden ist. In Einklang mit diesen Bestimmungen vereinbarten die Streitteile für den Arbeitsvertrag des Klägers durch Anführung des österreichischen Angestelltengesetzes und des österreichischen Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie vom 1.Juli 1965 (Punkt 4. der Verträge vom 1. April/1.Juni 1970 und vom 29.November 1972) die Anwendung österreichischen Arbeitsrechtes. Sie trafen damit eine beachtliche Rechtswahl iS des § 44 Abs.3 Satz 1 IPRG. Das Recht des Entsendungsstaates (vgl. dazu Schwimann in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 44 IPRG) kommt daneben nur für die Rechtsbeziehungen zwischen der Muttergesellschaft und dem Kläger, nicht aber zwischen den Streitteilen in Betracht. Davon gehen auch beide Parteien in ihren Rechtsausführungen aus.

Die beklagte Partei bestreitet den Abfertigungsanspruch des Klägers mit der Begründung, er habe das Dienstverhältnis einvernehmlich in einem anderen Betrieb desselben Konzerns fortgesetzt, sodaß ihm in analoger Anwendung des § 23 Abs.3 AngG keine Abfertigung gebühre. Die Bezahlung einer Abfertigung widerspräche dem Versorgungs- und Überbrückungscharakter dieses Rechtsinstitutes.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Schon die

unmittelbare - hier mangels einer Unternehmensübertragung nicht in Betracht kommende - Anwendung des § 23 Abs.3 AngG hat zur Voraussetzung, daß der Erwerber des Unternehmens die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unter den bisherigen Bedingungen angeboten und sich verpflichtet hat, die bei seinem Vorgänger geleistete Dienstzeit (für alle sich daraus ergebenden Rechtsfolgen) als bei ihm selbst verbracht zu betrachten. Damit soll sichergestellt werden, daß der Abfertigungsanspruch des Dienstnehmers bei späterer Auflösung seines Dienstverhältnisses zum Unternehmenserwerber so gewahrt bleibt, als ob eine Unternehmensübertragung nicht erfolgt wäre. Diese Regelung ist auf den in Österreich bestehenden gesetzlichen Abfertigungsanspruch abgestellt und auf einen Fall der Weiterbeschäftigung eines Dienstnehmers in einem anderen ausländischen Konzernunternehmen in einem Land, das Abfertigungsansprüche, wie sie sich im österreichischen Arbeitsrecht entwickelten, in dieser Form (- das deutsche KschG gewährt Abfindungen bei sozial ungerechtfertigter Kündigung -) nicht kennt, unanwendbar, weil eine die Rechte des Klägers wahrende Erklärung diesfalls dahin lauten müßte, daß sich der neue Dienstgeber verpflichtet, den Abfertigungsanspruch unbeschadet der abweichenden Rechtslage im Ausland im Falle einer späteren Auflösung des Dienstverhältnisses zu erfüllen oder gleichartige Leistungen zu erbringen. Eine derartige Verpflichtung hat die Muttergesellschaft nicht übernommen.

Der in § 23 Abs.3 AngG geregelte Fall der Unternehmensübertragung und der hier vorliegende Fall einer "Weiterbeschäftigung" des Dienstnehmers in einem anderen rechtlich selbständigen Unternehmen desselben Konzerns sind aber auch insofern nicht rechtsähnlich, als bei der Unternehmensübertragung das für die Bezahlung der Abfertigung haftende Unternehmen (§ 1409 Abs.1 ABGB) dasselbe bleibt, im "Weiterbeschäftigungsfall" aber dem Dienstnehmer der neue Dienstgeber als für den Abfertigungsanspruch privativ haftender Schuldner aufgedrängt würde, wenn der Dienstnehmer von seinem bisherigen Dienstgeber keine Abfertigung verlangen könnte. Auch aus der "Versorgungs- und Überbrückungsfunktion" der Abfertigung ist nicht abzuleiten, daß der Kläger keinen Abfertigungsanspruch hat. Über den sozialpolitischen Zweck der Abfertigung bestehen keine einheitlichen Auffassungen. Es werden ihr verschiedene Motivationen zugeschrieben, die einander nicht ausschließen müssen. So wird sie als (zusätzliches) Entgelt für die Erfüllung (aller) arbeitsrechtlichen Verpflichtungen durch den Arbeitnehmer oder bloß als Treueprämie wegen langer Betriebszugehörigkeit oder als Beteiligung am Unternehmensgewinn betrachtet. Auch die Funktion der Abfertigung als Versorgung und Überbrückung nach dem Verlust des Arbeitsplatzes wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum hervorgehoben (zB Arb.5271 mwN; zu allem Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte 83 ff, Rz 158 bis 166; Martinek-Schwarz, AngG 6 443 ff; dieselben, Abfertigung und Auflsöung des Dienstverhälntisses 314; auch Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht 2 I 129 ff), doch kommt diesem Regelungsmotiv keine rechtliche Bedeutung zu (Migsch aa0 85), weil das Entstehen des Abfertigungsanspruches nur vom Vorliegen der im Gesetz angeführten Voraussetzungen (hier: § 23 AngG), nicht aber von einem konkreten Bedürfnis des betroffenen Dienstgebers, infolge Verlustes des Arbeitsplatzes eine Versorgung und Überbrückung zu erhalten, abhängt. Der Abfertigungsanspruch entsteht vielmehr, wie schon die zweite Instanz zutreffend hervorhob, ohne Rücksicht darauf, ob der ausgeschiedene Dienstnehmer sofort einen anderen Posten findet oder (entsprechend versorgt) in Pension geht.

Die Anrechnung (privater) Versorgungsleistungen iS des § 23 a Abs.4 AngG auf die Abfertigung setzt eine Vereinbarung über die Anrechnung voraus (vgl.Migsch aa0 145 f); da eine solche Vereinbarung von den Streitteilen nicht getroffen wurde, kommt eine Anrechnung des dem Kläger von der Muttergesellschaft nach den Bestimmungen der Ruhegeldeinrichtung der AEG-Telefunken AG zugesagten Ruhegeldes nicht Betracht. Ob wegen Funktionsgleichheit eine automatische Anrechnung (vgl.Migsch aa0 148 ff) jener Leistungen auf den österreichischen Abfertigungsanspruch in Betracht käme, die der Kläger von der Fa. Telefunken Elektronik GmbH auf Grund des Sozialplanes vom 7.Februar 1980 fordert, kann dahingestellt bleiben, da die beklagte Partei zwar behauptete, daß diese Leistungen ihrer Rechtsnatur nach der Abfertigung nach österreichischem Recht entsprächen, im übrigen aber nicht vorbrachte, worin der Inhalt dieses betrieblichen Sozialplans iS der §§ 111, 112 d BetrVG besteht und ob und unter welchen Voraussetzungen der Kläger überhaupt einen Rechtsanspruch auf diese Leistungen hat. Ob der Kläger mit dem Begehren auf Leistungen aus dem Sozialplan vom 7.Februar 1980 und dem vorliegenden Klagebegehren eine "doppelte Abfertigung" zu erhalten versucht, ist daher im vorliegenden Verfahren nicht zu klären. Ob der Zuspruch der Abfertigung nach österreichischem Recht allenfalls Kürzungen der begehrten Sozialplanleistungen zur Folge haben wird, wird in dem betreffenden Verfahren vor dem deutschen Arbeitsgericht zu entscheiden sein.

Daß es sich bei der "Weiterbeschäftigung" in einem anderen

rechtlich selbständigen Konzernunternehmen (vgl. zum Konzernbegriff

SZ 56/101) um keinen Dienstgeberwechsel handelt, behauptet die

Revisionswerberin nicht mehr. Zu dieser Frage führte die zweite

Instanz zutreffend aus, daß die von den Streitteilen und der

Muttergesellschaft gewählte Vertragskonstruktion (Entsendungsvertrag

mit der Muttergesellschaft, "Ruhen" des Dienstverhältnisses mit

dieser; gesonderte Regelung des Dienstvertrages zwischen

Dienstnehmer und Tochtergesellschaft; Vorbehalte der

Muttergesellschaft bei der Übernahme der Verpflichtung, dem Kläger

nach Ende des Dienstverhältnisses bei der Tochtergesellschaft wieder in einer entsprechenden Position anzustellen) das Bestehen getrennter Dienstverhältnisse des Klägers mit der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft voraussetzt.

Auch der Ansicht der beklagten Partei, daß der Bemessung der Abfertigung des Klägers nur die tatsächlich bei der beklagten Partei zugebrachte Dienstzeit zugrundzulegen sei, ist nicht zu folgen. Die im - letztlich maßgebenden - Dienstvertrag vom 29.November 1972 (gleichlautend mit dem Dienstvertrag vom 1.April/1.Juni 1970) gebrauchte Wendung "Ihr Eintrittsstichtag ist der 1.Juni 1958" ist in Verbindung mit der Tatsache, daß der Kläger zunächst bei der Muttergesellschaft beschäftigt war und durch die Entsendung zur Tochtergesellschaft seine bisherige Rechtstellung gewahrt bleiben sollte, eindeutig und zwanglos dahin zu verstehen, daß er von der beklagten Partei so behandelt werden sollte, als ob er bei ihr am 1. Juni 1958 eingetreten wäre. Die Klausel drückt daher mit anderen Worten dasselbe wie eine Vereinbarung aus, mit der Vordienstzeiten angerechnet werden.

Der Vertrag vom 29.November 1972 enthält neben der allgemeinen, nicht auf besondere Rechtsfolgen beschränkten Festsetzung des Eintrittsstichtages 1.Juni 1958 (Punkt 8.) die besondere Bestimmung (Punkt 10.), daß der Berechnung der Versorgungsleistungen die vom Kläger bei AEG-Telefunken und im Rahmen dieses Vertrages bei der beklagten Partei verbrachten Dienstjahre zugrundeliegen. Damit wurde aber dem Kläger die Anrechnung seiner Vordienstzeiten neben der Sonderregelung des Punktes 10. ganz allgemein und ohne Beschränkung auf den Bereich der Versorgungsleistungen zugesichert, sodaß diese Vordienstzeiten auch bei der Berechnung der Abfertigung zu berücksichtigen sind (Arb 9.014, 7.683, 6.687; Dittrich, RdA 1963, 365; Martinek-Schwarz, AngG 6 451; dieselben, Abfertigung, Auflösung des Dienstverhältnisses 322 f; Migsch aa0 118).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E07772

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00020.86.0325.000

Dokumentnummer

JJT_19860325_OGH0002_0140OB00020_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten