TE OGH 1986/5/28 9Os10/86

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Veröffentlicht am 28.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Lachner und Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Krenn als Schriftführer in der Strafsache gegen Dieter K*** und Adolf R*** wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. September 1985, GZ 11 Vr 2620/85-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr.Gehart als Vertreter der Generalprokuratur sowie der Verteidiger Dr.Pewny und Dr.Jahn, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem schuldigsprechenden Teil unberührt bleibt, insoweit, als das bei Begehung der zu Punkt A/ des Schuldspruchs beschriebenen Tat erfolgte Ansichbringen von je 1.000 S nicht auch dem Tatbestand der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 dritter Fall StGB unterstellt wurde, weiters in dem diesbezüglich (wenngleich rechtsirrig) gefällten Freispruch der Angeklagten Dieter K*** und Adolf R*** sowie in der rechtlichen Beurteilung der im Punkt B/ des Schuldspruchs bezeichneten Tat des Angeklagten Dieter K*** als Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 StGB und demgemäß auch in dem die beiden Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Dieter K*** und Adolf R*** sind weiters schuldig, sie haben dadurch, daß sie bei Begehung der zu Punkt A/ des erstgerichtlichen Schuldspruchs beschriebenen Tat die dort bezeichneten Geldbeträge an sich nahmen, eine Sache, die ein anderer durch ein Verbrechen, nämlich jenes des Diebstahls durch Einbruch, erlangt hat, an sich gebracht, wobei die mit Strafe bedrohte Handlung, durch welche die Sache erlangt worden war, aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit fünf Jahre erreichender Freiheitsstrafe bedroht ist und ihnen die Umstände bekannt waren, die diese Strafdrohung begründen.

Sie haben hiedurch, Dieter K*** überdies auch durch die zu Punkt B/ des erstgerichtlichen Schuldspruchs beschriebene Tat das Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 dritter Fall StGB begangen und werden hiefür sowie für das ihnen nach dem unberührt gebliebenen Teil des Ersturteiles weiters zur Last fallende Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB nach § 11 JGG und §§ 28, 144 Abs. 1 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar

Dieter K*** zu 4 (vier) Monaten und Adolf R*** zu 5 (fünf) Monaten.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die über Dieter K*** verhängte Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die getroffene Sachentscheidung verwiesen.

Gemäß §§ 389, 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die zur Tatzeit jugendlichen Angeklagten Dieter K*** und Adolf R*** (zu A/) des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB, Dieter K*** überdies (zu B/) des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 StGB schuldig erkannt. Darnach haben

(zu A/) Dieter K*** und Adolf R*** im Feber oder März 1985 in Köflach im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Sandra S*** durch die Äußerung, sie seien von der Gendarmerie wegen des von der Genannten begangenen Einbruchsdiebstahls in das Wochenendhaus des Adolf M*** überprüft worden und hätten nicht verraten, daß S*** den Einbruchsdiebstahl verübt hat, wenn sie ihnen aber kein Schweigegeld gebe, dann werden sie sie anzeigen, sohin durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, die diese am Vermögen schädigte, nämlich zur Übergabe von je 1.000 S aus der Diebsbeute, genötigt; (zu B/) Dieter K*** überdies am 18. oder 19. Feber 1985 in Voitsberg eine Sache, die Thomas L*** durch ein Vergehen gegen fremdes Vermögen, nämlich durch Diebstahl zum Nachteil des Landeskrankenhauses Voitsberg, erlangt hat, und zwar Valiumtabletten in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert, an sich gebracht. Den in der Anklage darüber hinaus erhobenen Vorwurf, die Angeklagten hätten durch die zu A/ beschriebene Tat überdies (idealkonkurrierend) das Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 dritter Fall StGB begangen, verneinte das Jugendschöffengericht, was es (rechtsirrig: vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 61 zu § 259) durch einen Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO (anstatt richtig bloß in den Entscheidungsgründen) zum Ausdruck brachte.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen die Nichtunterstellung des zu Punkt A/ des Schuldspruchs beschriebenen Tatverhaltens (auch) unter den Tatbestand der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 letzter Fall StGB wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a (richtig: Z 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Nach den zu Punkt A/ des Schuldspruchs getroffenen Feststellungen des Schöffengerichtes haben die Angeklagten der Sandra S***, die einen Einbruchsdiebstahl begangen hatte, einen Teil der erlangten Diebsbeute durch gefährliche Drohung erpresserisch abgenötigt, wobei sie wußten, woher das erhaltene Geld stammt (S 232 in Verbindung mit S 234). Solcherart haben die Angeklagten aber eine Sache, die ein anderer, nämlich Sandra S***, durch ein Verbrechen (im technischen Sinn) erlangt hat, an sich gebracht, womit sie alle Tatbestandsmerkmale der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 StGB, qualifiziert nach Abs. 3 dritter Fall leg. cit., erfüllt haben. Zwar wird im Schrifttum (vgl. Kienapfel BT II § 164 RN 17, 18) die Auffassung vertreten, daß für die Hehlerei generell (und damit auch für den Fall des sonstigen Ansichbringens einer bemakelten Sache) "das eigentümliche Zusammenspiel des Vortäters (bzw. des Vorbesitzers) mit dem Hehler" charakteristisch sei und Hehlerei (mit Ausnahme des Verheimlichens) stets "ein einverständliches, nicht unbedingt 'kollusives' Zusammenwirken zwischen Vortäter (bzw. Vorbesitzer) und Hehler" erfordere, woran die Umwandlung der früheren "Teilnehmung" (§ 185 StG) zum eigenständigen Vermögensdelikt (§ 164 StGB) nichts geändert habe. Das Strafgesetzbuch bietet indes für den vorliegend aktuellen Fall des sonstigen Ansichbringens einer aus einer hehlereibegründenden Vortat stammenden Sache keinen Anhaltspunkt dafür, ein solches Einverständnis zwischen Vortäter (Vorbesitzer) und Hehler zu verlangen. Das Strafgesetzbuch hat vielmehr die Hehlerei als ein eigenständiges Vermögensdelikt und nicht etwa als einen speziellen Fall einer "Teilnehmung" an der Vortat oder einer Begünstigung des Vortäters konstruiert. Es stellt in § 164 Abs. 1 Z 2 jede Gestion mit Sachen unter Strafsanktion, die mit dem Makel behaftet sind, daß sie ein anderer durch ein Verbrechen, ein Vergehen gegen fremdes Vermögen oder ein Vergehen nach den §§ 304 bis 311 StGB erlangt hat, und bringt damit zum Ausdruck, daß das Wesen der Hehlerei im Festigen oder Verlängern der widerrechtlichen Sachentziehung, also in der Aufrechterhaltung des durch die Vortat geschaffenen widerrechtlichen Vermögenszustandes besteht, womit es insoweit der sogenannten Perpetuierungstheorie folgt (Kienapfel aaO § 164 RN 9). Die solcherart pönalisierte Aufrechterhaltung der (objektiv) durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Vermögenslage ist aber von einem Zusammenspiel zwischen Vortäter (Vorbesitzer im Falle der "Kettenhehlerei") und Hehler unabhängig, womit erhellt, daß für die Begehungsform des sonstigen Ansichbringens ein vom Vortäter (Vorbesitzer) gewollter Gewahrsamsübergang auf den Hehler weder nach dem Wortlaut noch nach der ratio des § 164 Abs. 1 Z 2 StGB erforderlich ist. Im übrigen ist auch nach Kienapfel (aaO § 164 RN 140) der Tatbestand der Hehlerei dann erfüllt, wenn der Nachtäter sich oder einem Dritten die Verfügungsgewalt über eine hehlereitaugliche Sache dadurch verschafft, daß er sie dem Vortäter (Vorbesitzer) "ablistet", in welchem Fall er Hehlerei in Tateinheit mit Betrug zu verantworten habe. Dasselbe muß aber - entgegen Kienapfel (aaO) - auch für den Fall gelten, daß die Sache dem Vortäter (Vorbesitzer) nicht abgelistet, sondern abgenötigt oder abgepreßt wird. Ist doch ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche rechtliche Behandlung der in Rede stehenden Fallkonstellationen nicht ersichtlich. Folglich wird auch im bundesdeutschen Schrifttum (vgl. etwa Dreher-Tröndle, dStGB 42 RN 16, 30, Ruß in LK 10 RN 17, 47, Stree in Schönke-Schröder, Kommentar 22 RN 42, 62 jeweils zu § 259 dStGB) der Tatbestand der Hehlerei sowohl für den Fall des Ablistens als auch für jenen des Abnötigens (Abpressens) der Sache zum Nachteil des Vortäters als erfüllt angesehen und Idealkonkurrenz zwischen Hehlerei einerseits und Betrug bzw. Erpressung andererseits bejaht.

Demnach haben die Angeklagten - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend geltend macht und die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme richtig aufzeigt - durch die zu Punkt A/ des Schuldspruchs beschriebene (erpresserische) Tat zugleich auch den Tatbestand der Hehlerei verwirklicht (vgl. hiezu auch EvBl. 1970/289 = JBl. 1970, 482) und es bleibt lediglich zu prüfen, ob das Delikt der Hehlerei vorliegend nicht allenfalls von jenem der Erpressung verdrängt wird. Auf die gegebene Fallkonstellation trifft jedoch keine der in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Formen scheinbarer (Ideal-) Konkurrenz (vgl. hiezu Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 28 RN 23 ff; Burgstaller JBl. 1978, 394 ff) zu:

Daß Hehlerei und Erpressung zueinander im Verhältnis von Gattung und Art stünden, letztere also als das an Begriffsmerkmalen weitere, an Umfang aber engere, somit spezielle Delikt die Hehlerei verdränge, ist - deliktsvergleichend - zu verneinen. Spezialität als Rechtsgrund einer Verdrängung scheidet daher aus. Unter dem Gesichtspunkt einer Konsumtion hinwieder käme nur der Fall einer straflosen Nachtat in Betracht, von welcher aber schon deshalb nicht gesprochen werden kann, weil Hehlerei und Erpressung jeweils andere Rechtsgüter zu schützen bestimmt sind. Wurden doch durch die Erpressung die Freiheit der Willensbestätigung und des Vermögens der Erpreßten beeinträchtigt, während Schutzobjekt der Hehlerei das Vermögen des (von der Vortäterin) Bestohlenen ist. Auch Konsumtion scheidet daher aus (vgl. ÖJZ-LSK 1981/100 u.a.).

Letztlich liegt aber auch kein Fall materieller Subsidiarität vor, kann doch - entgegen der von Liebscher im Wiener Kommentar (§ 164 Rz 19) unter zustimmender Zitierung von Foregger-Serini StGB 3 Anm II/2 zu § 164 vertretenen These eines generell subsidiären Charakters der Hehlerei gegenüber originären deliktischen Handlungen in bezug auf eine hehlereitaugliche Sache - von einer bloß hilfsweisen Geltung des Tatbestandes der Hehlerei gegenüber jenem der Erpressung in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, nach dem abstrakten Verhältnis der beiden Tatbestände zueinander, nicht gesprochen werden. Die Rechtsprechung hat im übrigen auch schon bisher die Möglichkeit einer echten Idealkonkurrenz zwischen Eigentumsdelikten, im besonderen echtes eintätiges Zusammentreffen von Hehlerei und Veruntreuung (nämlich Hehlerei an einer vom Treugeber nach Wissen des Angeklagten einem Dritten gestohlenen Sache) grundsätzlich bejaht (vgl. abermals EvBl. 1970/289 = JBl. 1970, 482 mit Judikaturzitaten). Die Angeklagten haben somit in bezug auf die zu A/ des Schuldspruchs beschriebene Tat neben dem Verbrechen der Erpressung auch jenes der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 dritter Fall StGB zu verantworten, sodaß in Stattgebung der staatsanwaltschaftlichen Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu erkennen war.

Bei der im Hinblick auf die getroffene Sachentscheidung vorzunehmenden Neubemessung der verwirkten Strafen wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend bei beiden Angeklagten das Zusammentreffen zweier verschiedener strafbarer Handlungen und überdies beim Angeklagten K*** eine einschlägige Vorverurteilung und die Wiederholung der Hehlerei sowie beim Angeklagten R*** drei einschlägige Vorverurteilungen, als mildernd hingegen das Geständnis beider Angeklagter sowie die erfolgte Schadensgutmachung; von einer Tatbegehung bloß aus Unbesonnenheit im Sinn des § 34 Z 7 StGB kann hingegen nach den Verfahrensergebnissen nicht gesprochen werden. Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen erachtete der Oberste Gerichtshof die Verhängung von Freiheitsstrafen in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß als schuldangemessen. Beim Angeklagten K*** kann - trotz einer einschlägigen Vorverurteilung - davon ausgegangen werden, daß bei ihm die bloße Androhung der Strafvollstreckung genügen werde, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Die über diesen Angeklagten verhängte Strafe war daher - da dem auch generalpräventive Erwägungen nicht entgegenstehen - unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen (§ 43 Abs. 1 StGB). Beim Angeklagten R*** kam dagegen eine bedingte Strafnachsicht nicht (mehr) in Betracht, da dieser Angeklagte insgesamt drei einschlägige Vorverurteilungen aufweist, was gegen die Annahme spricht, daß die bloße Androhung der Vollstreckung der Strafe genügen werde, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten; bei ihm bedarf es vielmehr aus spezialpräventiver Sicht des Vollzuges der verhängten Strafe.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den bezogenen Gesetzesstellen.

Anmerkung

E08467

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00010.86.0528.000

Dokumentnummer

JJT_19860528_OGH0002_0090OS00010_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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