TE OGH 1986/6/12 6Ob561/86

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Veröffentlicht am 12.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** DER S*** M***, Hauptplatz 1, 2130 Mistelbach, vertreten durch Dr. Karl Claus, Rechtsanwalt in Mistelbach, wider die beklagte Partei H***-A*** Gesellschaft m.b.H., Seitenhafenstraße 15, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Friedrich Weber, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 388.937,56 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Dezember 1985, GZ 4 R 201/85-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 10. Juni 1985, GZ 11 Cg 150/82-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

1.

Die eingeklagte Forderung besteht mit S 388.937,56 zu Recht.

2.

Die Gegenforderung der beklagten Partei besteht bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht.

              3.              Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 388.937,56 samt 5 % Zinsen seit 20. Juli 1982 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 169.680,58 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten S 13.502,33 Umsatzsteuer und S 21.155,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die L*** F*** Gesellschaft mbH (in der Folge kurz Firma L***) führte auf Grund eines mit der beklagten Partei am 14.März 1981 getroffenen Übereinkommens samt Beschäftigungsverträgen Transporte von Flüssigstoffen, Schüttgütern und verflüssigten Gasen aus. Nach Punkt X. Z 1 und 2 dieses Übereinkommens war es beiden Teilen untersagt, die wechselseitigen Zahlungsansprüche an Dritte abzutreten, ohne zuvor die schriftliche Genehmigung des anderen Teiles einzuholen, und ferner war es der Firma L*** untersagt, ihre Verpflichtungen aus Transportaufträgen sowie die sonstigen Rechte und Verpflichtungen aus diesem Vertrag ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung der beklagten Partei an Dritte zu übertragen. Z 3 dieser Vertragsbestimmung sah vor, daß es der beklagten Partei untersagt war, ihre Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag an dritte Unternehmungen weiterzugeben, die in keinem gesellschaftsrechtlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Die Firma L*** legte der beklagten Partei vom 14.April 1981 bis 22.Oktober 1981 insgesamt 56 Rechnungen über einen Gesamtbetrag von S 3,666.514,69. Dem stehen - aus dieser Geschäftsbeziehung - 148 Gegenrechnungen der beklagten Partei, die diese der Firma L*** in der Zeit vom 6.April 1981 bis 31. Dezember 1981 legte, gegenüber. Die sich daraus ergebende Gesamtforderung der beklagten Partei wird durch sechs Gutschriften vom Juni und September 1981 getilgt und ergibt sich danach ein weiteres Guthaben der Firma L*** von S 23.044,59. Deren Gesamtforderung von S 3,689.559,28 stehen Zahlungen der beklagten Partei von insgesamt S 3,300.621,72 gegenüber, die sie im Zeitraum vom 20.August 1981 bis 5.Oktober 1981 leistete. Die restliche Gesamtforderung der Firma L*** gegen die Beklagte beträgt sohin S 388.937,56. Die Firma L*** wurde noch vor Klagseinbringung zahlungsunfähig; ein Konkurseröffnungsantrag wurde jedoch mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen.

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 388.937,56 und führte aus, die Firma L*** habe ihr zur Sicherung ihrer Forderungen aus einem unberichtigt aushaftenden Kredit am 1.Juni 1981 sämtliche gegen die beklagte Partei zustehenden und künftig entstehenden Forderungen aus Frachtleistungen abgetreten. Die klagende Partei habe die beklagte Partei von der Abtretung verständigt; diese habe im Antwortschreiben zwar auf eine "Garantie- und Haftungserklärung" verwiesen, die Abtretung jedoch keineswegs bestritten. Außerdem habe die beklagte Partei in der Folge Zahlungen an die klagende Partei geleistet. Damit habe sie die Zession anerkannt und auf das in den Verträgen mit der Firma L*** vereinbarte Zessionsverbot schlüssig verzichtet. Die Garantie der C*** SA, Belgien, gegenüber habe sie ohne Wissen und Zustimmung der Firma L*** übernommen. Diese habe auch niemals zugestimmt, daß die ihr aus der Erfüllung von Frachtaufträgen zustehenden Erlöse zur Zahlung etwaiger Mietzinse verwendet werden. Die klagende Partei stütze ihr Begehren auch auf den Titel des Schadenersatzes, weil die beklagte Partei ihrer Verpflichtung zur Aufklärung der klagenden Partei nicht nachgekommen sei. Die klagende Partei habe im Vertrauen auf die bisherige Abwicklung des Zahlungsverkehrs der Firma L*** bis zur völligen Einstellung des Geschäftsbetriebes Betriebsmittel zur Verfügung gestellt und hiedurch einen entsprechenden Ausfall erlitten. Die beklagte Partei wendete ein, in den zwischen ihr und der Firma L*** geschlossenen Verträgen sei ein Abtretungsverbot vereinbart worden. Die Firma L*** habe zur Durchführung der mit der beklagten Partei getroffenen Übereinkommen am 19.März 1981 von der C*** SA fünf Tankauflieger angemietet. Voraussetzung sei die Bürgschaft der beklagten Partei für den Mietzins gewesen. Die beklagte Partei habe im Einvernehmen mit der Firma L*** die Haftung als Bürge und Zahler für die Mietzinsschuld übernommen. Da die Firma L*** ihrer Zinszahlungsverpflichtung nicht nachgekommen sei, habe die beklagte Partei auf Grund ihrer Bürgschaft die Mietzinse für die Monate September 1981 bis Februar 1982 im Gegenwert von S 486.552,-- bezahlt. Soweit die beklagte Partei Zahlungen an die Klägerin geleistet habe, sei dies über Wunsch des Geschäftsführers der Firma L*** ohne Bezug auf die Zession geschehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; es stellte fest:

Der alleinvertretungsbefugte Geschäftsführer der Firma L***, Walter W***, bot der beklagten Partei, die sich vorwiegend mit dem europaweiten Transport von Flüssigkeitschemikalien befaßt, deren Dienste als Frachtführer an. Da die Firma L*** nur über sieben Zugmaschinen verfügte, kam man - im Gespräch an Hand von Musterverträgen - überein, daß ihr die beklagte Partei zwei Tankauflieger überlasse und fünf weitere bei der C*** SA in Belgien angemietet werden sollten. Nach entsprechenden Verhandlungen in Belgien mietete Walter W*** für die Firma L*** in der Folge am 19.März 1981 tatsächlich fünf Tankauflieger zum monatlichen Zins von je S 20.000,-- bei der Firma C*** SA an; Bedingung für die mietweise Überlassung war die Übernahme der Bürgschaft für den Jahresmietzins durch die beklagte Partei, was Walter W*** "ausdrücklich klar war". Die beklagte Partei hatte deshalb die geforderte Bürgschaft am 18.März 1981 für das gesamte Jahr erklärt; die offene Monatsmiete sollte danach jeweils nach Bekanntgabe des Rückstandes durch die C*** SA von ihr beglichen werden. Auf Grund der Verträge vom 14.März 1981 nahm die Firma L*** die vereinbarte Tätigkeit noch im März 1981 auf. Punkt IX Z 3 dieser Übereinkommen, wonach die beklagte Partei die von der Firma L*** gelegten Rechnungen binnen 14 Tagen ab Rechnungslegung zu begleichen hatte, war so zu verstehen, daß die Frachtkosten jeweils zum 15. des Folgemonates abzurechnen waren; damit war der beklagten Partei eine Sicherheit für die übernommene Bürgschaft eingeräumt, weil sie die monatlich auflaufenden Beträge von etwa S 750.000,-- gegebenenfalls zurückhalten konnte. Angesichts der finanziellen Lage der Firma L*** mußte die beklagte Partei schon von Beginn an Akontozahlungen leisten, doch wurde dabei auf den monatlichen Haftungsbetrag von S 100.000,-- Bedacht genommen.

Infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten geriet die Firma L*** immer wieder in Leistungsverzug. Es wurden deshalb Zahlungspläne erstellt, die von der Firma L*** jedoch nicht eingehalten wurden. Die beklagte Partei leistete in der Folge auf Anweisung teils der Firma L***, teils der C*** SA beträchtliche Zahlungen an die klagende Partei; stets wurde jedoch "auf den offenen Garantiebetrag geachtet". Da die Leistungen der Firma L*** immer mangelhafter erbracht wurden, kam es zwischen der beklagten Partei und ihr im September/Oktober 1981 zur einvernehmlichen Auflösung des Vertragsverhältnisses. Die Firma L*** stellte die beiden Tankauflieger der beklagten Partei an diese zurück; da die C*** SA die beklagte Partei jedoch aus der Bürgschaft nicht entließ, mußte diese schließlich am 26.Juli 1982 den offenen Mietzinsrest von S 405.460,-- an jene überweisen.

Die klagende Partei gewährte der Firma L*** Ende 1980 einen revolvierbaren Betriebsmittelkredit bis zu einer Höhe von S 500.000,--. Da sich das Obligo in der Folge auf 1,3 Mill.S ausgeweitet hatte, kam es, nachdem die klagende Partei vom Vertragsverhältnis der Firma L*** mit der beklagten Partei Kenntnis erlangt hatte, am 1.Juni 1981 zum Abschluß eines Generalzessionsvertrages (Beilage D), mit welchem die Firma L*** der klagenden Partei alle gegenwärtigen und in Hinkunft erwachsenden Forderungen gegen die beklagte Partei aus erbrachten Transportleistungen abtrat. Hievon verständigte die klagende Partei mit Schreiben vom 24.Juli 1981 die beklagte Partei und bezeichnete darin auch das von ihr geführte Konto, auf welches Zahlungen ab nun allein mit schuldbefreiender Wirkung geleistet werden könnten (Beilage B). Darauf antwortete die beklagte Partei mit Schreiben vom 29. Juli 1981 (Beilage K) wie folgt:

"Betrifft Abtretungsanzeige.

Nach Erhalt Ihres Schreibens vom 24.7.1981 haben wir mit der L*** Flüssigkeitstransport Ges mbH Kontakt aufgenommen und erwarten wir von dieser eine Bestätigung mit Einverständniserklärung. Wir möchten nicht verabsäumen, darauf hinzuweisen, daß bei Vertragsbeginn mit dem Unternehmer W*** wir an die Firma C*** Transport, Hamme, eine Garantie- und Haftungserklärung für ausständige Aufliegermieten gegeben haben. Wir kommen schnellstens auf die Angelegenheit zurück und warten lediglich die Reaktion der Firma L*** ab."

Schon vorher hatte die beklagte Partei im Gespräch mit dem Steuerberater der Firma L*** eine Zession an die klagende Partei abgelehnt.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß dem vereinbarten Abtretungsverbot absolute Wirkung zukomme. Es liege auch kein ausdrückliches oder schlüssiges Anerkenntnis der beklagten Partei vor. Schadenersatzansprüche stünden der klagenden Partei deshalb nicht zu, weil die beklagte Partei zu einer Auskunftserteilung an sie nicht verpflichtet gewesen sei. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil. Es traf im Wege der Beweisergänzung abweichend vom Erstgericht die Feststellung, die beklagte Partei habe sich gegenüber der klagenden Partei auf das Zessionsverbot erstmals im Schreiben des Beklagtenvertreters vom 2.November 1981 berufen. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dem Zessionsverbot komme auch nach jüngster Rechtsprechung Wirkung gegen Dritte zu. Die klagende Partei hätte sich durch Einsichtnahme in die ihr bekannten Vertragsurkunden hievon ohne weiteres Kenntnis verschaffen können. Diese Unterlassung falle ihr als Nachlässigkeit in eigenen Angelegenheiten zur Last, sodaß sie sich auch auf Erwägungen eines angemessenen Verkehrsschutzes nicht berufen könne. Da ein ausdrückliches Anerkenntnis im Sinne des § 1396 zweiter Satz ABGB nicht festgestellt sei, bleibe zu prüfen, ob die beklagte Partei durch ihr Verhalten die Forderung der klagenden Partei schlüssig anerkannt oder auf das Zessionsverbot wenigstens schlüssig verzichtet habe. Beides sei zu verneinen, weil es sich um die Verständigung von einer Generalzession handle, die auch erst künftig entstehende Forderungen der Firma L*** betroffen habe. Die Abtretung solcher Forderungen sei jedoch von vornherein durch deren Entstehen bedingt. Ausgehend vom maßgeblichen Empfängerhorizont der klagenden Partei habe diese die nachfolgenden Zahlungen der beklagten Partei nur dahin verstehen können, daß diese damit lediglich bereits entstandene Forderungen der Firma L*** und diese auch nur im Umfang der geleisteten Zahlungen habe tilgen wollen. Nur insoweit habe hieraus redlicherweise ein Verzicht der beklagten Partei auf Einwendungen gegen die Zession bzw. die davon betroffenen Forderungen abgeleitet werden können. Soweit zu den jeweiligen Zahlungszeitpunkten noch weitere Forderungen der Firma L*** offen gewesen seien, habe aus der Zahlung kein Rückschluß auf eine Willenserklärung in bezug auf diese Forderungen gezogen werden können. Das gelte umsomehr für Forderungen, die überhaupt erst später entstanden seien. Die Tatsache der einzelnen Zahlungen lasse somit keinen sicheren Schluß auf die Fortsetzung solcher Zahlungen zu, zumal die beklagte Partei in ihrem Antwortschreiben auf die Zessionsverständigung auf die übernommene Bürgschaft hingewiesen habe. Da der Schuldner grundsätzlich auch zur Auskunft an den Zessionar nicht verhalten und weder ein schlüssiges Anerkenntnis noch ein solcher Verzicht auf das Zessionsverbot anzunehmen sei, kämen auch keine Schadenersatzansprüche in Betracht. Auf die Frage der Regreßforderungen der beklagten Partei aus der von ihr übernommenen Bürgschaft müsse somit nicht mehr eingegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist im Ergebnis teilweise berechtigt.

Die geltend gemachten Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen - soweit nicht überhaupt unbeachtliche Neuerungen vorgebracht werden, die in dritter Instanz nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen angefochten wird oder mit der Rechtsrüge zu bekämpfende Feststellungsmängel ins Treffen geführt werden - nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs3 ZPO). Die beklagte Partei begehrte in erster Linie die Abweisung des Klagebegehrens, weil das Zessionsverbot, das die klagende Partei gegen sich gelten lassen müsse, zwischen ihr und der Firma L*** wirksam zustande gekommen sei. Ob das zutrifft, kann ungeprüft bleiben, weil die beklagte Partei der Zession zugestimmt hat. Sie hat trotz des nach ihrer Ansicht wirksamen Abtretungsverbotes beträchtliche Zahlungen in Kenntnis der Abtretung auf das in der Zessionsverständigung angeführte Konto überwiesen, ohne sich dabei auch nur ein einziges Mal auf das Zessionsverbot berufen oder deshalb Vorbehalte für künftige Verrechnungen geltend gemacht zu haben. Überdies reagierte die beklagte Partei auf die Verständigung von der Zession aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen nicht etwa mit Schweigen, sondern antwortete, sie erwarte nur noch eine Bestätigung der Firma L***, müsse aber auf die von ihr für die Firma L*** der C*** SA gegenüber übernommene Haftungsverpflichtung ausdrücklich hinweisen. Sie kündigte darin auch eine unverzügliche Äußerung nach Stellungnahme durch die Firma L*** an, beschränkte sich aber in der Folge auf die schon erwähnten Zahlungen, ohne - in welcher Weise auch immer - gegen die Zessionsvermerke zu remonstrieren. Dieses Verhalten in seiner Gesamtheit konnte die klagende Partei nur dahin verstehen, daß die beklagte Partei die Zessionen auch der künftig entstehenden Forderungen hinnehmen und von Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Abtretungen - auch aus dem Zessionsverbot - keinen Gebrauch machen wollte. Ihrem Verhalten konnte von der klagenden Partei kein anderer Erklärungsinhalt als der Verzicht auf Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Zessionen zugemessen werden. Daß die klagende Partei die Zession trotz des vereinbarten Abtretungsverbotes hinnehmen wollte, beweist nicht zuletzt ihr Fernschreiben vom 19.Oktober 1981 (Beilag O), in dem sie ausdrücklich darauf hinwies, sie werde der Zession an die Bank der Firma L*** Folge leisten. Dieser Verzicht erschien wirtschaftlich auch durchaus sinnvoll (vgl. Wilhelm, JBl 1984, 308, in seiner Kritik an der Entscheidung des verstärkten Senats, SZ 57/8 = JBl 1984, 311), weil die zeitgerechte und klaglose Verrichtung der Transportaufträge der beklagten Partei ein besonderes Anliegen sein mußte, die problemlose Abwicklung jedoch ohne die Zessionen in Frage gestellt sein konnte; außerdem mußte die beklagte Partei aus dem Verzicht keinerlei Nachteile gewärtigen, weil ihr - wie noch zu zeigen sein wird - die besondere Aufrechnungslage auf Grund ihrer Haftungserklärung auch der klagenden Partei gegenüber erhalten blieb.

Zutreffend hat das Berufungsgericht dagegen das von der klagenden Partei behauptete schlüssige Anerkenntnis nach § 1396 zweiter Satz ABGB verneint. Ein solches Anerkenntnis darf nur angenommen werden, wenn der Schuldner den Zessionar als seinen Gläubiger anerkannt und ihm gegenüber eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat; nicht dagegen reicht es aus, daß er nur den Zessionar (oder die Zession) anerkannte. Ein solches Anerkenntnis wäre bloß ein tatsächliches Zugeständnis, aber keine verpflichtende Erklärung, die den Schuldner seiner Einwendungen beraubte (JBl 1974, 373 u.a.; Ertl in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 1396). Die Annahme der vom § 1396 zweiter Satz ABGB in diesem besonderen Zusammenhang verfügten Wirkung eines den Streit oder doch Zweifel über die Forderung und ihren Umfang bereinigenden Anerkenntnisses, das nur dann einen selbständigen Verpflichtungsgrund darstellt (Bydlinski in Klang 2 IV/2 402), setzt eine diesen Verpflichtungswillen dartuende ausdrückliche oder doch unzweifelhaft schlüssige Erklärung des Schuldners voraus (JBl 1986, 383 u.a.; Ertl aa0). Abgesehen davon, daß die beklagte Partei laufend Gegenverrechnungen vorgenommen hat, hat sie die abgetretenen Forderungen der Höhe nach nie anerkannt. Die klagende Partei stützte ihr Begehren auch auf die Schadenersatzpflicht der beklagten Partei infolge Verstoßes gegen die ihr gegenüber bestehenden Schutz- und Aufklärungspflichten. Solche könnte die beklagte Partei nur dadurch verletzt haben, daß sie auf die Zessionsverständigung lediglich durch das Schreiben vom 29. Juli 1981 reagiert hatte. Es trifft zu, daß Aufklärungspflichten des Zessionars gegenüber dem Schuldner nach Verständigung von der Zession in einem besonderen Fall bejaht wurden (SZ 55/116). Geht man aber davon aus, daß die Rechtsstellung des Schuldners durch die Abtretung nicht verschlechtert werden darf, er seine Einwendungen gegen den Zedenten, soweit sie bis zur Verständigung entstanden sind, behält und nicht verpflichtet ist, dem Zessionar Auskunft über den Stand der Forderungen zu geben (Bydlinski aaO 403; Ertl aaO), kann in der Unterlassung weiterer Reaktionen der beklagten Partei auf die Übermittlung der einzelnen Rechnungen kein rechtswidriges Verhalten der beklagten Partei erblickt werden. Mit einer Bestreitung der Forderung muß der Zessionar rechnen; er trägt das Risiko der Zession (JBl 1986, 383 u.a.). Im übrigen war weder aus dem Zessionsvermerk noch aus der Abtretungsanzeige ersichtlich, daß die klagende Partei der Firma L*** weitere Kredite nur mit Rücksicht auf die durch die Generalzession erlangte Sicherheit gewähren würde. Daß die beklagte Partei das wußte, ist nicht festgestellt.

Ist aber der schlüssige Verzicht der beklagten Partei auf das Zessionsverbot zu bejahen und ein schlüssiges Anerkenntnis gemäß § 1396 zweiter Satz ABGB sowie eine Verletzung ihr gegenüber der klagenden Partei obliegender Aufklärungspflichten zu verneinen, ist nun auf die Aufrechnungseinrede einzugehen.

Die beklagte Partei wendete ihren Anspruch auf Ersatz der von ihr als Bürgin für die in Verzug geratene Firma L*** geleisteten Mietenentgeltzahlungen im Betrag von S 486.552,-- bis zur Höhe des Klagsbetrages zur Aufrechnung ein. Nach den vom Berufungsgericht nach Erledigung der Beweisrüge übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes mußte die beklagte Partei aus der von ihr mit Zustimmung der Firma L*** übernommenen Bürgschaft an restlichen Mietentgelten am 26.Juli 1982 den Betrag von S 405.460,-- an die C*** SA bezahlen. Die Lösung der Frage, ob und inwieweit die beklagte Partei wegen der Inanspruchnahme als Bürgin gegen die Firma L*** Rückgriff (vgl. § 1358 ABGB) nehmen kann, setzt die Beantwortung der Frage voraus, nach welchem Recht die behauptete Gegenforderung zu beurteilen ist, weil der Bürgschaftsvertrag der beklagten Partei ebenso wie der Mietvertrag der Firma L*** mit einer in Belgien ansässigen Aktiengesellschaft (C*** SA) geschlossen wurden. Die Regreßansprüche des Bürgen unterliegen dem Bürgschaftsstatut und dieses wiederum ist gemäß § 45 IPR-Gesetz nach dem Sachrecht des Staates zu beurteilen, dessen Sachnormen für die zu sichernde Verbindlichkeit maßgebend sind (vgl. IPRE 1/77; Schwimann in Rummel, ABGB, Rdz 1 und 6 zu § 45 IPR-Gesetz). Durch die Bürgschaft der beklagten Partei sollte die Entgeltzahlungspflicht der Firma L*** aufgrund des Mobilienmietvertrages mit der C*** SA gesichert werden. Dieses Rechtsgeschäft ist als gegenseitiger Vertrag nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Vermieter seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 36 IPR-Gesetz und Schwimann a.a.O Rdz 1 hiezu). Demnach wären der Mietvertrag, die Bürgschaft als abhängiges Rechtsgeschäft und damit auch der Regreßanspruch der beklagten Partei als Bürgin nach belgischem Recht zu beurteilen. Während aber die akzessorische Anknüpfung des § 45 IPR-Gesetz eine Sachnormverweisung ist, die das abhängige Rechtsgeschäft der gleichen Sachrechtsordnung unterstellt, die auch das Hauptschuldverhältnis beherrscht (so daß insoweit Rück- oder Weiterverweisung des Hauptstatutes unbeachtlich sind - vgl. Schwimann a.a.O. Rdz 4 zu § 45 IPR-Gesetz), beinhaltet die Verweisungsnorm des § 36 IPR-Gesetz eine Gesamtverweisung. Deshalb ist noch zu prüfen, ob nach belgischem internationalen Privatrecht in bezug auf das danach für den Mietvertrag maßgebliche Sachrecht Rück- oder Weiterverweisung (§ 5 Abs2 IPR-Gesetz) anzunehmen ist. Soweit den spärlichen zur Verfügung stehenden Unterlagen (Johan Erauw, Beginselen van internationaal Privatrecht (1985); Wittenstein, Ausländisches Wirtschaftsrecht, Belgien; vgl. auch Lucia Serick und Heinrich Harries in RabelsZ 1960, 544 und 562) entnommen werden kann, ist das belgische internationale Privatrecht nicht kodifiziert, sondern ganz überwiegend von der Rechtsprechung des Kassationshofes ausgeformt. Dieser geht bei schuldrechtlichen Verträgen ganz allgemein davon aus, daß das anzuwendende Recht - außer bei Rechtswahl, die im vorliegenden Fall nicht feststeht - nicht vorgegen ist, sondern durch Abwägung der Anknüpfungselemente in ihrer Gesamtheit bestimmt werden muß. Als solche kommen vor allem der Abschluß- und der Erfüllungsort und ferner die übereinstimmende Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz im selben Staat, die Vertragssprache, Klauseln oder allgemeine Geschäftsbedingungen, die in einem bestimmten Staat üblich sind, der Gerichtsstand und die Vertragsübung der Parteien in Betracht (Erauw aaO 232 f; Wittenstein 1040, 1; die so gefundene Anknüpfung trägt somit dem Grundsatz der stärksten Beziehung (vgl. § 1 IPR-Gesetz) Rechnung. Die meisten dieser Anknüpfungsmomente fehlen dem zu beurteilenden Rechtsgeschäft (Mietvertrag). Das Personalstatut der am Vertrag beteiligten Parteien ist ebenso verschieden wie der Sitz der beteiligten Gesellschaften, für eine bestimmte Rechtsordnung typische Klauseln sind nicht feststellbar und eine Vertragsübung zwischen den Parteien entfällt schon deshalb, weil der Vertrag ganz augenscheinlich das erste Geschäft zwischen der C*** SA und der Firma L*** war. Der Abschlußort und der Erfüllungsort lassen jedoch - soweit den Feststellungen der Vorinstanzen entnommen werden kann - ebensowenig eine eindeutige Anknüpfung zu wie Vertragssprache und Gerichtsstand (Beilage G). Scheint nämlich der Mietvertrag in Belgien abgeschlossen worden zu sein (arg. "nach Verhandlungen in Belgien") und ist Antwerpen als Gerichtsstand vereinbart, so liegt der Erfüllungsort der hier maßgeblichen Entgeltzahlungsverpflichtung nach dem für die Qualifikation des Anknüpfungselementes maßgeblichen belgischen Recht (vgl. Schwimann aaO Rdz 10 zu § 5 IPR-Gesetz) in Österreich, weil der Erfüllungsort danach grundsätzlich der Wohnsitz des Schuldners ist (Art.1247 Code Civil Belge - CCB; vgl. Ferid, Das französische Zivilrecht, 1.Band, 472 f; Hubrecht, Das französische Zivilrecht (1974), 103); außerdem ist die Vertragssprache Deutsch. Einer eingehenden Überprüfung dieser Anknüpfungselemente bedarf es aber nicht, weil der Regreßanspruch des Bürgen, der die gesicherte Forderung eingelöst hat, im belgischen Recht, das insoweit mit dem französischen wörtlich übereinstimmt (sodaß auf das Schrifttum zum französischen Zivilrecht zurückgegriffen werden kann), und im österreichischen Recht inhaltlich gleich geregelt ist

Nach belgischem Recht steht dem Bürgen neben dem nach dem Rechtsverhältnis, aufgrund dessen die Bürgschaft zustande gekommen ist, zu beurteilenden Regreßanspruch (Art. 2028 CCB) der als "subrogation" bezeichnete Rechtsbehelf gemäß Art.1251 Z 3 CCB zu:

Hat der Bürge für den Schuldner geleistet, tritt er als neuer Gläubiger in das Schuldverhältnis zwischen altem Gläubiger und Schuldner ein; er kann den gesamten Anspruch anstelle des Gläubigers selbst geltend machen, wobei ihm alle bis dahin bestellten Sicherheiten zugute kommen. Diese "subrogation" entspricht inhaltlich - jedenfalls in den im vorliegenden Fall maßgeblichen Belangen - der im § 1358 ABGB zugunsten des einlösenden Interzedenten angeordneten Legalzession, so daß die beklagte Partei für ihre Zahlung an die C*** SA nach belgischem wie nach österreichischem Recht gegen die Firma L*** Regreß nehmen kann. Zu prüfen bleibt noch, ob die beklagte Partei mit dieser Forderung gegen die abgetretene Frachtforderung auch nach deren Abtretung an die klagende Partei dieser gegenüber aufrechnen kann, wurde sie doch von der Generalzession bereits mit Schreiben vom 24. Juli 1981 verständigt, während ihr Regreßanspruch erst mit der Einlösung am 26.Juli 1982 (unbedingt) entstanden ist. Es entspricht aber herrschender Lehre (Ertl in Rummel aaO Rdz 1 zu § 1396 mwN) und ständiger Rechtsprechung (SZ 56/190; SZ 53/1, SZ 36/40; 1 Ob 572/81 ua), daß der Zessus gegenüber dem Zessionar auch mit Gegenforderungen aufrechnen kann, die im Zeitpunkt der Abtretung bzw. der Verständigung des Zessus hievon noch nicht alle Erfordernisse der Aufrechenbarkeit aufwiesen, somit vor allem mit Forderungen, die in diesem Zeitpunkt erst bedingt entstanden sind. Das trifft im vorliegenden Fall zu, weil die beklagte Partei die Bürgschaft schon vor der Generalzession der (auch erst künftig entstehenden) Frachtforderungen an die klagende Partei übernommen hatte. Die klagende Partei mußte demnach - da die Rechtstellung der beklagten Partei durch die Generalzession nicht verschlechtert werden durfte (§ 1394 ABGB) - die (bedingte) Aufrechnungslage hinnehmen. Jede andere Auffassung müßte eine durch die Zession entgegen § 1394 ABGB bewirkte Verschlechterung der Rechtsposition der beklagten Partei in Kauf nehmen, weil diese gegen die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft gerade durch die Aufrechnungslage abgesichert war und diese Sicherheit durch die Zession dann verloren gegangen wäre.

Ist die beklagte Partei somit zur Kompensation mit ihrem Regreßanspruch auch der klagenden Partei als Zessionarin gegenüber berechtigt, dringt sie mit ihrer Aufrechnungseinrede durch. Es steht fest, daß sie mit einem die Klagsforderung übersteigenden Betrag in Anspruch genommen wurde.

In teilweiser Stattgebung der Revision war mit dreigliedrigem Spruch (§ 545 Abs3 Geo) auszusprechen, daß die eingeklagte Forderung und die Gegenforderung - diese bis zur Höhe der ersteren - zu Recht bestehen; damit bleibt es aber - wie bei den Vorinstanzen - bei der Abweisung des Klagebegehrens. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Da die Kostenersatzpflicht nach den §§ 41 ff ZPO auf dem Erfolgsprinzip beruht, ist die klagende Partei trotz ihres Teilerfolges im Revisionsverfahren - die beklagte Partei mußte, um die Abweisung des Klagebegehrens zu erwirken, immerhin eine Gegenforderung in gleicher Höhe opfern - zum Ersatz der gesamten Verfahrenskosten verpflichtet, weil sie im Ergebnis doch zur Gänze unterlegen ist.

Anmerkung

E08580

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00561.86.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19860612_OGH0002_0060OB00561_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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