TE OGH 1986/10/16 13Os120/86

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Veröffentlicht am 16.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Täuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Jeanne S*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146 ff. StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Ried im Innkreis als Schöffengerichts vom 28. Mai 1986, GZ. 7 Vr 719/84-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO. das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Auf diese Entscheidung werden verwiesen: die Angeklagte mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung.

Text

Gründe:

Die am 19. Jänner 1939 geborene Jeanne S*** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und 3, 148 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe sowie zu einer Zahlung an die Privatbeteiligte verurteilt.

Es liegt ihr (laut Urteilsspruch, II. Bd., S. 133/134) zur Last, im Jahr 1983 in Perwang mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Firma Ausstattungshaus-Warenvertrieb A***, Alois P*** KG (im folgenden als Firma A*** bezeichnet) durch die Vorgabe, bestellte Waren auftragsgemäß weiterzuverkaufen, wobei sie wiederholt Rechnungen mit fingierten Namen vorlegte und diese Rechnungen mit diesen Namen selbst unterschrieb, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Urkunden zur Ausfolgung von Bekleidungsgegenständen im Gesamtwert von 711.900,60 S, demnach zu Handlungen verleitet zu haben, welche die Firma A*** an ihrem Vermögen in diesem (100.000 S übersteigenden) Betrag schädigten; die Angeklagte habe die schweren Betrügereien in der Absicht begangen, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4 und 5 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch sowie im Privatbeteiligtenerkenntnis mit Berufung. Die Staatsanwaltschaft ficht das Ausmaß der Freiheitsstrafe mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof von einer nicht geltend gemachten, sich jedoch zum Nachteil der Angeklagten auswirkenden unrichtigen, Nichtigkeit in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. begründenden Gesetzesanwendung überzeugen:

In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (II. Bd., S. 137 ff.) fehlen nämlich hinreichende tatsächliche Feststellungen, welche den Ausspruch über ein Handeln der Angeklagten mit Schädigungsvorsatz decken. Das Erstgericht nahm lediglich an, die Angeklagte "wußte auch, daß sie durch ihre Handlungsweise der Firma A*** einen 100.000 S übersteigenden Schaden zufügte" (II. Bd., S. 140), und die Firma A*** habe auch tatsächlich einen Vermögensschaden im Betrag von 711.900,60 S erlitten (II. Bd., S. 145, 148). Damit stellte das Erstgericht zwar das Wissen der Angeklagten, daß zufolge ihres Verhaltens ein solcher Vermögensschaden eingetreten ist, fest, ohne jedoch Entscheidendes über die gleichermaßen erforderliche Willenskomponente in Ansehung des Deliktserfolges auszusagen. Für die Annahme vorsätzlichen Handelns ist jedoch nicht nur die Vorstellung des Täters von der Ernstlichkeit der Gefahr für das geschützte Rechtsobjekt, sondern auch das Vorliegen der erforderlichen Willensrelation zwischen dem Täterverhalten und der Tatbestandsverwirklichung (bezogen auf den Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung) wesentlich. Zudem ging das Schöffengericht ersichtlich von der - rechtsirrigen - Ansicht aus, daß schon durch die Vorgangsweise der Angeklagten als solche, also durch den rechtswidrigen Bezug von Waren aufgrund fingierter Bestellungen, um diese sodann in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu verkaufen, die Firma A*** um den Gesamtwert der Ware geschädigt worden ist und nach den Vorstellungen der Angeklagten geschädigt werden sollte. Dies träfe aber nur dann zu, wenn die Angeklagte von vornherein nicht vorgehabt haben sollte oder ihrem Wissen nach nicht in der Lage gewesen wäre, der Firma A*** den Gegenwert der Ware zukommen zu lassen. An Feststellungen über eine solche mangelnde Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit im jeweiligen Zeitpunkt der inkriminierten Tathandlungen mangelt es im Urteil. Entsprechende Konstatierungen wären aber schon deshalb geboten gewesen, weil nach den derzeit vorliegenden Verfahrensergebnissen bis zum Herbst 1983 die Zahlungen der Angeklagten bei der Firma A*** regelmäßig eingingen, also offensichtlich diese selbst die auf fingierte Bestellungen entfallenden Rechnungsbeträge für in ihrem Modegeschäft weiterverkaufte Ware (zunächst) bezahlte, weshalb die Firma A*** vorerst keine Bedenken gegen Redlichkeit der Beschwerdeführerin hegte (vgl. dazu die Zeugenaussage der Buchhalterin der Firma A***, Helga D***, II. Bd., S. 30). Soweit bei der Angeklagten die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit bei Warenübernahme gegeben und der Vermögensschaden der Firma A*** erst die Folge nachträglich aufgetretener Zahlungsschwierigkeiten gewesen sein sollte, welche schließlich in Zahlungsunfähigkeit und in ein Insolvenzverfahren mündeten (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Berufungsvorbringen, II. Bd., S. 166/167), könnte der Beschwerdeführerin hingegen Betrugsvorsatz unter Umständen bezüglich der widerrechtlich bezogenen Provisionen für fingierte Bestellungen angelastet werden, deren - wegen der zu beachtenden Wertgrenzen entscheidungswesentliche - ziffernmäßige Höhe aber im Urteil nicht festgestellt wurde.

Mithin zeigt sich, daß im Urteil die getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht ausreichen, um in rechtlicher Hinsicht ableiten zu können, daß nach dem Willen der Angeklagten durch die Herauslockung von Waren ein 100.000 S übersteigender Vermögensschaden der Firma A*** bewirkt werden sollte. Es war daher gemäß §§ 290 Abs. 1, 285 e StPO. mit Urteilsaufhebung und Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung vorzugehen.

Demgemäß waren die Angeklagte mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E09293

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00120.86.1016.000

Dokumentnummer

JJT_19861016_OGH0002_0130OS00120_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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