TE OGH 1986/10/22 1Ob634/86

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Veröffentlicht am 22.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** Z*** AM Z*** UND U***

REG.GEN.M.B.H., Zell am Ziller, vertreten durch Dr. Franz Wallentin und Dr. Josef Thaler, Rechtsanwälte in Zell am Ziller, wider die beklagte Partei Maria K***, HOTEL "M*** T***", Gerlos Nr. 36 a, vertreten durch Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen S 1,618.621,28 s.A. über Rekurse der klagenden und der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. April 1986, GZ. 1 R 37/86-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. Dezember 1985, GZ. 8 Cg 342/85-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Beiden Rekursen wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen.

Text

Begründung:

Die Beklagte war bis 1976 Eigentümerin der Liegenschaften EZ 218 II KG Gerlos, GASTHOF "G*** HOF", und EZ 301 II KG Gerlos, HOTEL UND PENSION "M*** T***". Sie nahm in den Jahren 1972/73 bei der Sparkasse Schwaz zwei Darlehen zu je S 2 Mio. auf, die in der EZ 218 II KG Gerlos als Haupteinlage (COZ 13 und 45) und in der EZ 301 II KG Gerlos als Nebeneinlage (COZ 1 und 2) simultanpfandrechtlich sichergestellt wurden. Mit Übergabsvertrag vom 3.9.1976 übergab die Beklagte die Liegenschaft EZ 218 II KG Gerlos ihrem Sohn Johann K***. In Punkt III dieses Vertrages wurde folgende

Vereinbarung getroffen:

"Als Übergabsleistung übernimmt Johann K*** die beiden im Grundbuch in C-OZl 13 und 15 einverleibten Darlehen der Sparkasse Schwaz in der derzeitigen Höhe zur Rückzahlung, wobei das Darlehen C-OZl 13 mit S 1,793.732,01 und das Darlehen C-OZl 15 mit S 1,885.039,59 veranschlagt wird. Da diese beiden Darlehen auf der Übergabsliegenschaft als Haupteinlage und ob der der Übergeberin verbleibenden Einlage EZl 301 II KG Gerlos als Nebeneinlage sichergestellt sind, übernimmt Johann K*** seiner Mutter Maria K*** gegenüber ausdrücklich die Haftung für die Rückzahlung, solange die Nebeneinlage noch bücherlich aufrecht ist. ..."

In der Folge gewährte die klagende Partei dem Johann K*** Darlehen, die auf der Liegenschaft EZ 218 II KG Gerlos im Rang nach den Pfandrechten der Sparkasse Schwaz pfandrechtlich sichergestellt wurden. Am 4.1.1982 wurde über das Vermögen des Johann K*** das Ausgleichsverfahren und am 29.6.1982 zu S 98/82 des Landesgerichtes Innsbruck der Konkurs eröffnet. Im Verfahren E 53/82 des Bezirksgerichtes Zell am Ziller machte die Sparkasse Schwaz von ihrem Recht Gebrauch, sich allein aus dem Erlös der Liegenschaft EZ 218 II KG Gerlos zu befriedigen. Die zugunsten der klagenden Partei auf dieser Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellte Forderung kam dadurch nicht mehr zum Zug. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 16.4.1985 wurden zugunsten der klagenden Partei auf der der Beklagten gehörigen Liegenschaft EZ 301 II KG Gerlos Ersatzpfandrechte einverleibt. Die Sparkasse Schwaz hat mit der am 10.3.1983 zu 8 Cg 156/83 des Erstgerichts erhobenen Klage von der Beklagten die Bezahlung des Betrages von S 2,265.665,49 s.A. begehrt; in diesem Verfahren trat am 5.12.1984 Ruhen des Verfahrens ein.

Die klagende Partei begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung des Betrages von S 1,618.691,28 s.A. und brachte vor, zu ihren Gunsten seien auf der der Beklagten gehörigen Liegenschaft EZ 301 II KG Gerlos Ersatzpfandrechte eingetragen worden, die Beklagte weigere sich jedoch, Zahlung zu leisten.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil die Einverleibung der Ersatzpfandrechte zu Unrecht erfolgt sei. Im Hinblick auf ihr internes Verhältnis zum Eigentümer der Liegenschaft EZ 218 II KG Gerlos Johann K*** sei eine unverhältnismäßige Befriedigung der Sparkasse Schwaz im Zuge des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht erfolgt. Die Sparkasse Schwaz habe nach Kenntnisnahme des mit Johann K*** abgeschlossenen Übergabsvertrages der Rückzahlungsverpflichtung durch Johann K*** zugestimmt und die beiden bei ihr auf den Namen der Beklagten geführten Darlehenskonten auf den Namen des Johann K*** umgeschrieben. Sie sei zwar formell Mitschuldnerin der von der Sparkasse Schwaz gewährten Darlehen geblieben, hafte jedoch für deren Rückzahlung nur mehr als Interzedentin. Mit der Zahlung des der Sparkasse Schwaz geschuldeten Betrages im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens E 53/82 des Bezirksgerichtes Zell am Ziller sei ihre Verpflichtung erloschen.

Die klagende Partei hielt dem entgegen, die Beklagte sei auch nach Übergabe der Liegenschaft an Johann K***

Hauptschuldnerin geblieben. Die mit Johann K*** getroffene Vereinbarung betreffe nur das Innenverhältnis und könne ihr als Nachhypothekar nicht zum Nachteil gereichen.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und stellte fest, die Sparkasse Schwaz habe die Beklagte nicht aus der Haftung entlassen, sie habe nur ihre Forderung (zunächst) bei Johann K*** einbringlich gemacht.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, nach dem mit Johann K*** abgeschlossenen Vertrag sei er zur Rückzahlung der aufgenommenen Darlehen an die Sparkasse Schwaz verpflichtet gewesen. Dies könne die Beklagte auch der klagenden Partei entgegenhalten. Ein Vertrauen der klagenden Partei auf den Buchstand sei nicht zu schützen, weil dem im Pfandrang vorangehenden Gläubiger gestattet sei, auf das ihm eingeräumte Pfandrecht zu verzichten und damit dem Nachhypothekar die Möglichkeit der Ausnutzung einer allfällig freiwerdenden Pfandstelle zu nehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Nach Lehre und Rechtsprechung seien die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen den Eigentümern simultan haftender Liegenschaften dafür maßgebend, ob ein Mitschuldner auf Grund einer auf seiner simultan haftenden Liegenschaft eingetragenen Ersatzhypothek zur Haftung für die Forderung des ersatzberechtigten Gläubigers auch dann herangezogen werden könne, wenn die Forderung des im Rang vorangehenden Hypothekargläubigers aus der Liegenschaft des Hauptschuldners zur Gänze oder in einem größeren Verhältnis, als es § 222 Abs. 4 EO entspreche, getilgt wurde. Bestehe zwischen den Eigentümern simultan haftender Liegenschaften das Verhältnis Hauptschuldner-Bürge und sei die Schuld allein aus der Liegenschaft des Hauptschuldners getilgt worden, so könne der Bürge nicht mehr zur Zahlung an den Nachhypothekar herangezogen werden. Dies gelte auch dann, wenn derjenige, auf dessen Liegenschaft eine Ersatzhypothek einverleibt wurde, nach außen zwar formell als Mitschuldner auftrete, im Innenverhältnis jedoch nur mehr Interzedent sei. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte bei der Sparkasse Schwaz Darlehen aufgenommen, für die sie persönlich und mit den verpfändeten Liegenschaften hafte. Im Innenverhältnis habe Johann K*** nach dem Inhalt des mit der Beklagten abgeschlossenen Übergabsvertrages die Verpflichtung zur Zahlung der Schuld an die Sparkasse Schwaz übernommen. Eine Entlassung der Beklagten aus der Haftung sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe aber vorgebracht, daß sie für die beiden Darlehen nur mehr als Interzedentin hafte und die Sparkasse Schwaz mit der Schuldübernahme nicht nur konkludent, sondern auch ausdrücklich einverstanden gewesen sei. Träfe diese Behauptung zu, so wäre eine Inanspruchnahme der Beklagten nach Tilgung der Schuld aus der dem Johann K*** gehörigen Liegenschaft auf Grund des zugunsten der klagenden Partei einverleibten Ersatzpfandrechtes nicht berechtigt. Das Erstgericht habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob und inwieweit die Behauptungen der Beklagten zutreffen. Es sei daher im fortgesetzten Verfahren zu klären, ob die Sparkasse Schwaz zugestimmt habe, daß Johann K*** der Schuld der Beklagten beitrete und für die gesamte Schuld primär haften sollte, wogegen die Haftung des Beklagten nach Art der Haftung eines bloßen Bürgen eingeschränkt sein sollte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wenden sich die Rekurse beider Streitteile, denen im Ergebnis Berechtigung zukommt. Die Bestimmung des § 15 Abs. 2 GBG 1955 räumt dem Simultanpfandgläubiger das Recht ein, die Bezahlung der ganzen Forderung aus jeder einzelnen Pfandsache zu verlangen. Für die Nachhypothekare bringt dies die Unsicherheit mit sich, daß nicht von vornherein feststeht, ob und inwieweit sich der Simultanpfandgläubiger gerade aus jener Liegenschaft befriedigen wird, die auch ihnen zur Sicherheit dient. Um die nachstehenden Berechtigten vor den daraus entstehenden Nachteilen soweit als möglich zu schützen, bestimmt § 222 Abs. 2 u. 4 EO, in welchem Maß die Bezahlung der Simultanpfandforderung aus dem Erlös einer Liegenschaft gefordert werden kann, um verhältnismäßig zu sein; für den Fall unverhältnismäßiger Befriedigung gewährt § 222 Abs. 3 und Abs. 4 EO den nachstehenden Berechtigten einen Ersatzanspruch aus den für die Simultanpfandforderung mitverhafteten Liegenschaften durch Ersatzzuweisung aus den Meistboten oder durch Einräumung einer Ersatzhypothek (Heller-Berger-Stix, Komm. 4 1515; Koziol-Welser, Grundriß 7 II 121; Klang in seinem Komm 2 II 476 f). Der Nachpfandgläubiger hat einen Ersatzanspruch, wenn der Simultanpfandgläubiger das Meistbot einer Liegenschaft im Übermaß in Anspruch genommen hat. Dies trifft nach herrschender Rechtsprechung und Lehre dann nicht zu, wenn das Verhältnis, in dem der Simultanpfandgläubiger befriedigt wurde, dem Rechtsverhältnis zwischen ihm und den Eigentümern der simultan belasteten Liegenschaften entspricht (Heller-Berger-Stix a.a.O. 1523, 1524; Klang a.a.O. 477), so etwa wenn der Simultangläubiger nur die Liegenschaft des Hauptschuldners, nicht auch die des Bürgen (und Zahlers) zur Befriedigung heranzog (SZ 17/103; SZ 13/124; GlUNF 4273; Heller-Berger-Stix a.a.O. 1524; Klang a.a.O. 477; Swoboda, JBl. 1931, 136). Wenn dem Simultanpfandgläubiger nach herrschender Ansicht sogar das Recht zusteht, eine Liegenschaft aus der Pfandhaftung zu entlassen, auch wenn dadurch den nachstehenden Hypothekargläubigern die Möglichkeit der Einräumung einer Ersatzhypothek genommen wird (SZ 42/17; SZ 30/12; Klang a.a.O. 476, 480 Anm. 207; Heller-Berger-Stix a.a.O. 1524; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 14 zu § 451), muß ihm umso mehr das Recht zustehen, die Haftung eines Schuldners auf die eines Bürgen zu beschränken. Hoyer,

Die Simultanhypothek 2 38, trat dieser Auffassung entgegen und leitet aus § 458 ABGB die Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers gegenüber dem vertraglichen Nachhypothekar ab, die übermäßige Ausnützung der Simultanhypothek und jede Verschlechterung des Haftungsverhältnisses zu Lasten des Nachhypothekars hintanzuhalten (a.a.O. 39). § 458 ABGB beinhalte nicht nur die Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers, jede Beeinträchtigung der Pfandsache in tatsächlicher Hinsicht, sondern auch ein rechtliches Hintansetzen der Position des Gläubigers durch Beeinträchtigung seines Befriedigungsranges zu unterlassen. Hoyer scheint damit den Standpunkt zu vertreten, daß auch ein Hypothekargläubiger, der kein Simultanpfandrecht an einer Liegenschaft erworben hat, im Ergebnis so zu behandeln ist wie ein Simultanpfandgläubiger. Ob dieser jedenfalls nicht selbstverständlichen Auffassung zu folgen wäre, kann dahingestellt bleiben. Die klagende Partei hat für ihre Forderung nur auf der dem Johann K*** gehörigen Liegenschaft ein Pfandrecht eingeräumt erhalten. Die Beklagte hingegen stand und steht mit der klagenden Partei in keiner vertraglichen Rechtsbeziehung, die sie verpflichten konnte, Rechtshandlungen, die eine Beeinträchtigung des Befriedigungsrechtes der klagenden Partei mit sich bringen konnten, zu unterlassen.

Die Beklagte hat im Verfahren vor dem Erstgericht behauptet, daß die Sparkasse Schwaz ausdrücklich (und konkludent) der Schuldübernahme durch Johann K*** zugestimmt habe und sie für die gewährten und auf ihrer Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellten Darlehen nur mehr als Interzedentin haften sollte. Unter Interzession ist das Einstehen für eine materiell fremde Verbindlichkeit zu verstehen (EvBl. 1972/86; Gamerith in Rummel a. a.O. Rdz 2 zu §§ 1342 bis 1344; Wolff in Klang Komm 2 VI 199). Das Vorbringen der Beklagten wurde vom Berufungsgericht zutreffend dahin verstanden, daß sie vertragsgemäß nur mehr nach Johann K*** haften sollte. Daß die Beklagte formell Mitschuldnerin blieb, stünde einer vertraglichen Beschränkung der Gläubigerrechte in diesem Sinne nicht entgegen (8 Ob 311/68; SZ 17/103). Der Erstrichter stellte nur fest, daß die Sparkasse Schwaz einer privativen Schuldübernahme durch Johann K*** nicht

zugestimmt hat, Feststellungen darüber, ob die Beklagte vereinbarungsgemäß nur mehr die subsidiäre Haftung treffen sollte, fehlen. Die Auffassung des Rekurses der Beklagten, daß die Sparkasse Schwaz an die im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und Johann K*** getroffene Vereinbarung gebunden sei, ist nicht beizupflichten. Sie hätte die Beklagte vielmehr aus der primären Zahlungsverpflichtung entlassen müssen. Da die erforderlichen ergänzenden Feststellungen vom Berufungsgericht, wie beide Parteien in ihrem Rekurs bzw. der Rekursbeantwortung dartun, voraussichtlich ohne erheblichen Mehraufwand an Kosten getroffen werden können, ist den Rekursen beider Streitteile Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden (§ 496 Abs. 3 ZPO).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E09314

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00634.86.1022.000

Dokumentnummer

JJT_19861022_OGH0002_0010OB00634_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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