TE OGH 1986/11/13 13Os153/86

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Veröffentlicht am 13.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Täuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Manfred L*** wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127 f. StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 15.September 1986, GZ. 12 Vr 1341/86-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB sowie im Strafausspruch samt Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 31.Mai 1946 geborene Fernfahrer Manfred L*** wurde des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB (I) und des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB (II) schuldig erkannt. Darnach nahm er im Oktober und November 1985 in Graz aus dem von ihm gemieteten Haus des Josef V*** sen. anläßlich der Räumung (im Urteil näher bezeichnete) Einrichtungsgegenstände und Geräte in einem 5.000 S nicht aber 100.000 S übersteigenden Wert mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weg (I). Mit eben diesem Vorsatz lockte er am 8. August 1985 dem Johann B*** unter der Vorspiegelung, er werde bei ihm Dachdeckerarbeiten verrichten, 15.000 S heraus (II). Nur den Schuldspruch I ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an.

Das Gericht stützt diesen Schuldspruch auf die Aussagen der sowohl im Vorverfahren als auch in der Hauptverhandlung vernommenen Belastungszeugen Josef V*** sen. und jun. und Margareta D*** (ON. 11, 13, 14 in Verbindung mit S. 114 bis 117) sowie auf das in der Hauptverhandlung verlesene Protokoll über einen vom Untersuchungsrichter (ohne Beiziehung der Parteien) durchgeführten Lokalaugenschein im fraglichen Haus (ON. 12 in Verbindung mit S. 119). Der Angeklagte verantwortete sich hingegen schon nach seiner Einlieferung beim Untersuchungsrichter (ON. 8) und später in der Hauptverhandlung (S. 113, 114) im wesentlichen damit, daß er das der Anzeige beiliegende Inventarverzeichnis (S. 15) niemals unterschrieben und die darin angeführten Gegenstände auch nicht gestohlen habe. Bei der Räumung des Hauses (einige Wochen vor der Delogierung) habe er nur die ihm und seiner Lebensgefährtin Maria K*** gehörenden Fahrnisse mitgenommen, er habe allerdings auch jene Installationen demontiert, die er selbst finanziert und hergestellt habe, habe es allerdings verabsäumt, den beim Einzug vorgefundenen Zustand wiederherzustellen.

Zum Beweise der Richtigkeit dieser Verantwortung und des Mangels an Haftgründen beantragte die Verteidigung schon während der Voruntersuchung die Besichtigung des geräumten Hauses unter Zuziehung und Vernehmung der Lebensgefährtin des Angeklagten (ON. 15), drang damit aber nicht durch. In der Hauptverhandlung gab der Beschwerdeführer bekannt, daß seine Lebensgefährtin Maria K*** ihm geschrieben habe, nicht erscheinen zu können, weil sie eben erst eine neue Arbeitsstelle in Wien angetreten habe. Hierauf beantragte der Verteidiger (unter Angabe der neuen Adresse) die Vernehmung dieser Zeugin zum Beweis dafür, daß der Angeklagte "nur jene Sachen aus dem Haus verbracht hat, die ihm selbst und der Lebensgefährtin gehörten", und die Durchführung eines (weiteren) Lokalaugenscheines zur Überprüfung der bisherigen Erhebungen und zum Nachweis dafür, daß sich die vom Geschädigten als gestohlen angegebenen Gegenstände noch zum Teil auf dem Dachboden des Hauses befinden (S. 117). Die Vernehmung dieser Zeugin lehnte das Schöffengericht unter Hinweis, daß sie nicht erschienen sei und "offenbar" gegen ihren Lebensgefährten nicht aussagen wolle, vor allem mit der im Urteil wiederholten und konkretisierten Begründung ab, daß der Sachverhalt durch die vernommenen (oben genannten) Belastungszeugen ausreichend geklärt sei und die Zeugin K*** diese Angaben schon deshalb nicht entkräften könnte, weil der Angeklagte auch ohne ihr Wissen etwas verbracht haben könnte und der Umfang und die Bewertung des Diebsguts sich aus den Ergebnissen des vom Untersuchungsrichter durchgeführten Lokalaugenscheins ergebe (S. 120, 121, 131 bis 134). Zu Recht fühlt sich der Angeklagte durch die Ablehnung dieser Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt (§ 281 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 3 StPO). Wurde doch im gesamten Verfahren nicht einmal der Versuch unternommen, die Zeugin Maria K***, die nach dem Akteninhalt auch noch nach dieser Tat mit dem Angeklagten in Bad Gleichenberg zusammenlebte (ON. 26), zu vernehmen oder zumindest zu befragen, ob sie von ihrem Entschlagungsrecht (§ 152 Abs. 1 Z. 1 StPO) Gebrauch machen wolle. Nach dem angegebenen Beweisthema und der bisher nicht widerlegten Behauptung, daß diese Zeugin im Tatzeitraum mit dem Angeklagten im tatgegenständlichen Haus gewohnt hat, läßt sich somit ein verwertbares zur Aufklärung des Sachverhalts relevantes Ergebnis der begehrten Beweisaufnahme von vornherein nicht ausschließen, sodaß der Beweisantrag auf Vernehmung dieser (angeblichen) Tatzeugin nicht abgewiesen werden durfte (SSt. 52/17, 13 Os 97/84, 13 Os 71/86). Das Gericht ist im Rahmen der ihm gemäß §§ 3, 232 Abs. 2, 254, 258 StPO obliegenden Pflichten nicht berechtigt, schon auf Grund einer vorzeitig gewonnenen Überzeugung das Beweisverfahren einzuschränken und angebotene, aber nicht durchgeführte Beweise vorgreifend auf ihren Beweiswert zu würdigen (Mayerhofer-Rieder 2 , E. 78 bis 87 zu § 281 Z. 4 StPO). Die für die Ablehnung der zeugenschaftlichen Vernehmung der Lebensgefährtin des Angeklagten herangezogene Begründung verstößt somit gegen die aufgezeigten Grundsätze eines (fairen) Strafverfahrens und erfordert allein bereits die Wiederholung der Hauptverhandlung in erster Instanz, wobei es deren Ergebnissen vorzubehalten sein wird, ob aus der neuerlichen Durchführung eines Ortsaugenscheins (nach mehr als einem Jahr!) noch verwertbare Aufschlüsse zu erwarten sind.

Rechtliche Beurteilung

Es waren somit in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Schuldspruch wegen Diebstahls (I) und die hievon untrennbaren Aussprüche über die Strafe und die Vorhaftanrechnung schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zu kassieren (§ 285 e StPO), ohne daß es noch des Eingehens auf weitere diesen Schuldspruch betreffende Beschwerdeeinwände bedurft hätte.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E09752

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00153.86.1113.000

Dokumentnummer

JJT_19861113_OGH0002_0130OS00153_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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