Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Carmen-Margaritha H***, geboren am 21. Mai 1985, infolge Revisionsrekurses der Mutter Lillian H***, Wien 22., Eipeldauerstraße 23/30/2/7, gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgerichtes vom 3.September 1986, GZ 15b R 8/86-35, womit der Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom 15.Jänner 1986, GZ 26 P 183/84-17, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die am 21.5.1985 geborene Carmen-Margaritha H*** ist das uneheliche Kind der Lillian H*** und des Edward D***. Der Vater trennte sich von der Mutter, als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Die Mutter erklärte während der Schwangerschaft, sie weigere sich, ihr Kind im Spital zur Welt zu bringen, sie wolle es lieber sterben lassen, auch ihr selbst mache der Tod nichts aus. Sie äußerte auch Mordrohungen gegen ihre erstgeborene Tochter, die mj. Carmen H***. Am 1.8.1985 wurde die Mutter dabei beobachtet, wie sie in der Filiale Alfred Rubin-Platz der Einkaufsgenosenschaft Konsum den Säugling anschrie und drohte, sie werde das Baby in den Keller stecken, wenn es in der Nacht wieder schreie. Außerhalb des Geschäftes schlug die Mutter mit den Fäusten auf den im Kinderwagen liegenden Säugling ein. Eine Beobachterin dieses Vorfalls erstattete hierüber Anzeige. Ende Juli, Anfang August 1985 äußerte die Mutter im Verein "Rettet das Leben", nachdem ihr von einer Mitarbeiterin des Vereins mitgeteilt worden war, sie werde ihre ältere Tochter Carmen wohl kaum von der Pflegestelle zurückerhalten, dafür werde Carmen-Margaritha büßen müssen. Sie riß dem Säugling die Decke weg und beschädigte böswillig seinen Schnuller; um das Weinen des Kindes kümmerte sie sich nicht.
Das Erstgericht ordnete in Ansehung der mj. Carmen-Margaritha H*** die gerichtliche Erziehungshilfe nach § 26 Abs.2 JWG an, genehmigte die Unterbringung des Kindes in einem Kinderheim in der Zeit vom 2.8.1985 bis 7.8.1985 und die Unterbringung in einer "magistratischen" Pflegefamilie ab 7.8.1985.
Der Jugendgerichtshof Wien gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Mutter nicht Folge. Die gerichtliche Erziehungshilfe bezwecke, die bei einem Minderjährigen bestehende Verwahrlosungsgefahr zu bekämpfen und den Eintritt der Verwahrlosung zu verhüten. Sie habe grundsätzlich vorbeugenden Charakter und umfasse alle Maßnahmen, die dem Ziel einer sachgemäßen, verantwortungsbewußten Erziehung dienen, wie zB. die Heimunterbringung und die Unterbringung bei Pflegefamilien. Das erwiesene aggressive Verhalten der Mutter werde durch das im Verfahren 21 b Vr 1378/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erstattete Gutachten des Sachverständigen Prim. Dr. Herbert H*** erhärtet, der zum Ergebnis gelangte, daß es sich bei Lillian H*** um eine neurotisch-psychopathisch gestörte Persönlichkeit mit einer Tendenz zu hysteriformen Verhaltensweisen handle. Sie neige zu kurzschlüssigen Trotzhandlungen mit situationsinadäquaten Verhaltensabweichungen bzw. überschießenden Reaktionen. Diese Verhaltensstörungen hätten bereits zu wiederholten Einweisungen in das psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien geführt. Lillian H*** habe auch im Rahmen eines Partnerkonfliktes zweimal Selbstmordversuche gesetzt. Die auffallende Persönlichkeitsstruktur der Mutter mache die Anordnung der gerichtlichen Erziehungshilfe notwendig, weil die Mutter nicht in der Lage sei, ihre mit der Erziehungsgewalt verbundenen Rechte und Pflichten zum Wohl des Kindes auszuüben.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Lillian H***, der unzulässig ist.
Da das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigte, ist der Revisionsrekurs nur mit den Einschränkungen des § 16 AußStrG zulässig. Als Rechtsmittelgrund kommt der Sache nach nur offenbare Gesetzwidrigkeit in Betracht. Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die für die Entscheidung maßgebende Frage im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß an der Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden kann und dennoch anders entschieden wurde (EFSlg.44.642, 42.237 u.a.). Offenbare Gesetzwidrigkeit kann auch darin liegen, daß das Pflegschaftsgericht bei seiner Entscheidung das Wohl des Pflegebefohlenen völlig außer acht gelassen hat (EFSlg.44.648, 42.350 u.a.). Welche tatsächlichen Umstände im konkreten Einzelfall die Anordnung der Maßnahmen gemäß § 26 JWG rechtfertigen, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Es vermag daher die Behauptung, daß diese Umstände im Einzelfall zur Rechtfertigung einer derartigen Maßnahme nicht ausreichen, sofern nicht offensichtlich das Wohl des Kindes völlig außer acht gelassen wurde, den Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit iS des § 16 AußStrG nicht herzustellen (EFSlg.44.673, 44.672 u.a.).
Die Rechtsmittelwerberin verweist in ihrem Rechtsmittel nur darauf, daß sie nunmehr einer geregelten Arbeit nachgehe, ihr Baby ordnungsgemäß versorge und es sehr lieb habe. Sie habe auch in ihrer Wohnung für das Kind ein 12 m 2 großes Zimmer eingerichtet. Mit diesem Rekursvorbringen wird aber eine offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung im vorangeführten Sinn nicht dargetan; sie liegt nach der Aktenlage auch nicht vor, so daß der Revisionsrekurs zurückzuweisen ist.
Anmerkung
E09518European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00677.86.1117.000Dokumentnummer
JJT_19861117_OGH0002_0010OB00677_8600000_000