TE OGH 1986/12/3 9Os130/86

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Veröffentlicht am 03.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Dezember 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kiss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herwig W*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 10. Juli 1986, GZ 35 Vr 1684/86-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, sowie des Verteidigers Dr. Payrits, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der österreichische Staatsbürger Herwig W*** (zu I/) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG (nF) und (zu II/ und III/) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (nF) schuldig erkannt und hiefür nach §§ 28 StGB, 12 Abs 1 SGG (nF) zu einer Freiheitsstrafe von 16 (sechzehn) Monaten verurteilt. Als das erstbezeichnete Verbrechen liegt ihm zur Last, am 18. August 1985 in Herzogenrath/Straß (Bundesrepublik Deutschland) im gemeinsamen Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Susanne B*** den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in großer Menge eingeführt zu haben, indem er 14,1325 Gramm Heroin über die niederländisch-bundesdeutsche Staatsgrenze schmuggelte.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich diesen Punkt des Schuldspruchs bekämpft der Angeklagte mit seiner auf die Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher er reklamiert, daß hinsichtlich der ihm insoweit angelasteten Auslandstat die inländische Gerichtsbarkeit nach Lage des Falles weder nach § 64 Abs 1 Z 4 StGB noch nach § 65 StGB gegeben sei.

Zwar trifft es zu, daß die inländische Gerichtsbarkeit in Ansehung im Ausland begangener Verbrechen nach § 12 SGG nicht mehr auf § 64 Abs 1 Z 4 StGB gestützt werden kann, weil diese Strafanwendungsvorschrift bisher an die (durch die SGG-Novellen 1980 und 1985) geänderte Rechtslage im Bereich des Suchtgiftstrafrechts nicht angeglichen worden ist (13 Os 45/86 [verstärkter Senat]; Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 2. ErgH 1985, 54). Im vorliegenden Fall kann die österreichische Gerichtsbarkeit auch nicht gemäß § 64 Abs 1 Z 6 StGB in Anspruch genommen werden, weil die auf Art. 36 Abs 2 lit a Z IV der Einzigen Suchtgiftkonvention (BGBl. 1978/531) beruhende Verpflichtung Österreichs zur Verfolgung schwerer Verstöße gegen die Konvention (unter anderem) voraussetzt, daß der Täter hiefür noch nicht verfolgt und verurteilt worden ist, der Angeklagte aber wegen der gegenständlichen Straftat mit Urteil des Amtsgerichtes Aachen vom 6. Dezember 1985, AZ 30 Ls 10 Js 746/85-130/85, rechtskräftig verurteilt wurde. Demnach ist § 64 StGB auf diese Auslandstat nicht anwendbar. Das bedeutet aber nicht, daß die Tat deshalb ein für allemal der österreichischen Strafgewalt entzogen ist. Denn für im Ausland begangene Taten, die weder von § 63 StGB noch von § 64 StGB erfaßt werden, gelten - zumal der Einleitungssatz des § 65 StGB (was insbesondere die Zitierung des § 63 StGB deutlich macht) nur auf die Unanwendbarkeit einer der beiden darin angeführten Strafanwendungsvorschriften in Ansehung der konkret-individuellen (Auslands-)Tat abstellt, nicht aber auf den Deliktstypus als solchen - die österreichischen Strafgesetze unter den Voraussetzungen des § 65 StGB, die vorliegend erfüllt sind: Die Einfuhr von Suchtgift ohne Erlaubnis ist auch durch die Gesetze des Tatortstaates (Bundesrepublik Deutschland) mit (gerichtlicher) Strafe bedroht (§ 29 BtMG), der Angeklagte war zur Zeit der Tat österreichischer Staatsbürger (§ 65 Abs 1 Z 1 StGB) und es ist der Strafanspruch auch nicht im Sinn des § 65 Abs 4 StGB erloschen, weil der Angeklagte zwar von einem ausländischen Gericht rechtskräftig verurteilt, die Strafe jedoch nicht nur Gänze vollstreckt oder, soweit sie nicht vollstreckt wurde, erlassen worden ist (§ 65 Abs 4 Z 3 StGB). Wurde doch die vom Amtsgericht Aachen mit dem bereits erwähnten Urteil über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten bisher lediglich im Ausmaß der angerechneten Untersuchungshaft (von 111 Tagen) vollzogen (S 285), während der Strafrest unvollstreckt aushaftet (siehe abermals S 285), ohne daß dessen Vollstreckbarkeit nach bundesdeutschem Recht verjährt wäre (vgl. § 79 III Nr. 3 dStGB). Der Auffassung des Erstgerichtes, daß für das dem Beschwerdeführer zu Punkt I/ des Schuldspruchs angelastete, von ihm im Ausland verübte Suchtgiftverbrechen die österreichischen Strafgesetze "jedenfalls nach § 65 StGB" gelten (S 311), haftet somit ein Rechtsirrtum nicht an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie zu verwerfen war.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend die mehrfachen einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen; als mildernd hielt es dem Angeklagten das umfassende Geständnis, weiters den Umstand, daß er schwer krank ist (Leukämie und Aids) und infolge seiner schweren Leukämieerkrankung zweifellos für den Drogenkonsum anfällig wurde, sowie die Sicherstellung des eingeführten Suchtgifts zugute.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte der Sache nach, davon ausgehend, daß auf das erwähnte Urteil des Amtsgerichtes Aachen vom 6. Dezember 1985 gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen wäre, das Absehen von der Verhängung einer Zusatzstrafe bzw. in eventu die Herabsetzung der Strafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Das Begehren, auf das zitierte bundesdeutsche Urteil gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen, übersieht, daß dieses Urteil die nämliche Straftat zum Gegenstand hatte, die den Gegenstand des Punktes I/ des Schuldspruches im angefochtenen Urteil bildet, und § 31 StGB nur bei getrennter Aburteilung nicht identer Straftaten zur Anwendung kommen kann (SSt. 49/66 [im Text S 281]; 10 Os 220/84; 10 Os 88, 89/86 u.a.); daß im angefochtenen Urteil auch noch über andere Straftaten (Punkte II/ und III/ des Schuldspruches) abgesprochen wurde, vermag daran nichts zu ändern. Mithin fehlt es aber an den gesetzlichen Voraussetzungen für die angestrebte Bedachtnahme. Die im Ausland in Haft zugebrachte Zeit wurde aber ohnedies (gemäß § 38 StGB) auf die vom Erstgericht verhängte Strafe angerechnet (S 301, 309 f).

Alles was die Berufung zugunsten des Angeklagten ins Treffen führt, hat das Erstgericht ohnedies bei der Strafbemessung berücksichtigt und ersichtlich nur im Hinblick auf diese Umstände - trotz der mehrfachen einschlägigen Vorstrafen und des raschen Rückfalls - die Strafe (lediglich) mit 16 Monaten ausgemessen. Die Verhängung einer noch geringeren Strafe kann aber nicht in Erwägung gezogen werden, sodaß auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E09675

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00130.86.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19861203_OGH0002_0090OS00130_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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