TE OGH 1987/1/20 5Ob1/86

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Veröffentlicht am 20.01.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Karl E***'S E***, Apotheke, Bayerhamerplatz 7, 5400 Hallein, vertreten durch Dr. Helmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die Antragsgegner

1) Dfkm.Oktavian F***, Pensionist, Schwarzstraße 43, 5020 Salzburg, und 2) Marianne O***-R***, Botschafterswitwe, Herbertstraße 1, 9020 Klagenfurt, vertreten durch Dr. Friedrich Gehmacher, Dr. Florian Gehmacher und Dr. Helmut Hüttinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 12. September 1985, GZ 33 R 203/85-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 1. Februar 1985, GZ Msch 21/82-17, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluß wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung in die zweite Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die antragstellende Kommanditgesellschaft ist Hauptmieterin eines Geschäftslokals samt Nebenräumen in dem im Miteigentum der beiden Antragsgegner stehenden Haus Bayerhamerplatz Nr 7 in Hallein. Sie betreibt in den gemieteten Räumen eine öffentliche Apotheke. Auf Grund verschiedener Beanstandungen durch das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz, das mehrmals notwendige Umbauarbeiten urgierte, verständigte der persönlich haftende Gesellschafter der Antragstellerin, Mag. E***, den damaligen Vertreter der Antragsgegner, Dr. Erich J***, von der Notwendigkeit eines Umbaues der Apotheke in Hinblick auf die Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung und übermittelte diesem in der Folge auch die dazu bereits erstellten Architektenpläne samt Baubeschreibung mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme. Dr. J*** antwortete in Vertretung der Antragsgegner, daß die geplanten Umbauarbeiten in Ordnung gingen, wenn die Mietangelegenheiten - worüber Streit zwischen den Vertragspartnern besteht - geregelt seien. Am 1. Februar 1982 stellte Mag. E*** beim Stadtbauamt Hallein ein den Plänen entsprechendes Bauansuchen. Bei der darüber im März 1982 durchgeführten Bauverhandlung hatte die Baubehörde keine Einwände gegen die beabsichtigten Umbauarbeiten, konnte aber eine Baubewilligung in Ermangelung einer Zustimmungserklärung der Antragsgegner nicht erteilen. Die Antragstellerin zog deshalb ihr Bauansuchen zurück, begann jedoch im Frühjahr 1982 mit den Umbauarbeiten, deren umfangreiche Einzelheiten den Entscheidungen der Vorinstanzen entnommen werden können. Bei der nach Vollendung der Umbauarbeiten durchgeführten Bauverhandlung am 7. September 1982 kam der bautechnische Amtssachverständige Ing. Horst H*** zu dem Ergebnis, daß vom bautechnischen Standpunkt keine Bedenken gegen die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung der Umbauten bestünden, daß es aber in Hinblick auf die - gegenüber den Bauplänen - geänderten Abstützungen erforderlich sei, die statische Berechnung für die Abfangungen noch durch einen Statiker korrigieren zu lassen und die abgeänderte statische Berechnung der Baubehörde vorzulegen. Der Vertreter der nunmehrigen Antragsgegner als Hauseigentümer behielt sich die Abgabe der erforderlichen Zustimmungserklärung vor. Diese Zustimmung wird seither von den Antragsgegnern verweigert.

Am 13. September 1982 beantragte die einschreitende Kommanditgesellschaft beim Erstgericht, die in der beigelegten Baubeschreibung zum Einreichplan 820.125 im einzelnen beschriebenen und in den Parterreräumen des Hauses Bayerhamerplatz Nr 7 in Hallein bereits durchgeführten Baumaßnahmen gemäß § 9 Abs 1 MRG zu genehmigen.

Die Antragsgegner begehrten die Abweisung des Antrages. Sie wendeten im wesentlichen ein:

Eine nachträgliche Genehmigung eigenmächtig vorgenommener Umbauarbeiten sei in § 9 MRG nicht vorgesehen und deshalb nicht zulässig. Vielmehr seien die Vorschriften der Bauordnung über die Wiederherstellung des früheren Zustandes und des ABGB über die Besitzstörung anzuwenden. Die durchgeführten Bauarbeiten beeinträchtigten im übrigen schutzwürdige Interessen der Vermieter und der anderen Mieter. Es werde durch die Veränderungen an der tragenden Mauer des Hauses dessen Statik verändert und dies gereiche dem alten Haus zum Nachteil. Überdies entstünden durch den Verlust von Abstellmöglichkeiten Nachteile für die anderen Mieter und die Brandgefahr werde durch die Behinderung des Zutritts zu den Hinterräumen für das ganze Haus erhöht. Insgesamt werde dadurch eine Verletzung schutzwürdiger Interessen sowohl der Vermieter als auch der anderen Mieter herbeigeführt.

Das Erstgericht gab dem Antrag der Hauptmieterin statt. Es kam zur Auffassung, daß sämtliche Voraussetzungen für eine nachträgliche Genehmigung der von der Hauptmieterin durchgeführten Baumaßnahmen gemäß § 9 Abs 1 MRG gegeben seien: es bestünden nach der Erklärung des bautechnischen Amtssachverständigen der Baubehörde keine Bedenken bautechnischer Art; die Arbeiten seien von befugten Gewerbetreibenden durchgeführt worden und entsprächen dem derzeitigen Stand der Technik; die Veränderungen dienten einem wichtigen Interesse der Hauptmieterin, denn sie seien vom Bundesministerium für Bauten und Umweltschutz verlangt worden, und sie entsprächen auch der Übung des Verkehrs; die mit dem Umbau verbundenen Kosten seien gänzlich von der Hauptmieterin getragen worden; durch die Veränderungen sei es zu keiner Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Vermieter oder anderer Mieter gekommen; die beiden weiteren Hauptmieter Editha W*** und Notar Dr. K*** hätten bei Gericht entsprechende Erklärungen deponiert und eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Vermieter sei nicht ersichtlich; die Vermieter hätten im übrigen ihre Zustimmung zu den Umbauarbeiten ohnedies erteilt, wenn nicht Differenzen zwischen den Parteien über das Mietrechtsverhältnis bestanden hätten; eine Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses oder irgend eine andere Schädigung des Hauses ergäbe sich durch die Umbauarbeiten ebensowenig wie eine Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen. Einer nachträglichen gerichtlichen Genehmigung der Bauarbeiten stehe die Formulierung: "beabsichtigte wesentliche Veränderung..." in § 9 Abs 1 MRG nicht entgegen, denn sie beziehe sich nur auf die Anzeigepflicht des Hauptmieters, welcher die Hauptmieterin ohnedies nachgekommen sei; eine unmittelbare Sanktion für die Unterlassung der Anzeige werde im Gesetz auch nicht ausgesprochen; mittelbar ergebe sich gemäß § 10 Abs 2 MRG freilich der Verlust des Aufwandersatzanspruchs. Der Hauptmieter trage das Risiko, im Falle der Versagung der nachträglichen Genehmigung die (rechtswidrige) Baumaßnahme wieder beseitigen und, soweit dies nicht mehr möglich sei, Entschädigung in Geld zu leisten zu müssen; er laufe auch Gefahr, im Besitzstörungsverfahren zur Unterlassung und Wiederherstellung des vorigen Zustandes verhalten zu werden. Dies alles stünde jedoch einer nachträglichen gerichtlichen Genehmigung nicht entgegen.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Vermieter Folge und wies den Antrag der Hauptmieterin in Abänderung des Sachbeschlusses des Erstgerichtes ab. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen so:

Es zeige sich, daß neben dem klaren Wortsinn des § 9 Abs 1 MRG - arg. "beabsichtigten wesentlichen Veränderung des Mietgegenstandes.." - auch der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck zweifellos der ist, zuerst ein Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 6 MRG zur Klärung der Berechtigung von wesentlichen Veränderungen des Mietgegenstandes durch den Mieter durchzuführen und erst dann Baumaßnahmen nach § 9 Abs 1 MRG für zulässig zu erklären. Aus diesem Grunde müsse der nachträgliche Genehmigungsantrag der Hauptmieterin abgewiesen werden, ohne daß es nötig wäre, sich mit der weiteren Frage auseinanderzusetzen, ob nicht doch durch die Veränderung der tragenden Mauern die Statik des Hauses verändert wurde (§ 9 Abs 1 Z 6 MRG), weil infolge der gegenüber dem Einreichplan nachträglich geänderten Bauausführung auch noch eine korrigierende Berechnung durch einen Statiker erforderlich gewesen wäre (Seite 4 der Bauakten des Stadtamtes Hallein).

Diesen Sachbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz bekämpft die antragstellende Hauptmieterin mit Revisionsrekurs. Sie begehrt die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes. Die Vermieter als Antragsgegner begehren in ihrer Rechtsmittelgegenschrift, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die entscheidende und von den Vorinstanzen gegensätzlich beurteilte Rechtsfrage ist bereits einmal an den Obersten Gerichtshof herangetragen und im Sinne der vom Erstgericht geäußerten Rechtsansicht beantwortet worden: In der Entscheidung vom 11. März 1986, 5 Ob 7/86 (bisher unveröffentlicht), sprach der

5. Senat des Obersten Gerichtshofes aus, daß der Einleitungssatz des § 9 Abs 1 MRG nur auf den Regelfall abstelle, daß der Mieter eine beabsichtigte wesentliche Veränderung zunächst dem Vermieter anzuzeigen hat und die dann verweigerte Zustimmung des Vermieters bei Vorliegen der dort (Z 1 bis 7) festgelegten Zustimmungsvoraussetzungen durch den Sachbeschluß des Außerstreitrichters erzwingen kann, doch sei aus der Bezugnahme auf diesen Regelfall keinesfalls ein Anspruchsverlust des Mieters abzuleiten, der zunächst die ihm obliegende Anzeigepflicht verletzt hat; deshalb stehe dem vom Vermieter im streitigen Rechtsweg auf Unterlassung oder Beseitigung der baulichen Veränderungen in Anspruch genommenen Mieter auch die Einwendung zu, der Vermieter sei gemäß § 9 Abs 1 MRG zur Zustimmung in die Bauführung verpflichtet (mit Berufung auf Krejci in Korinek, HBzMRG 259, und Würth ebendort 506).

Liegen nämlich die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verpflichtung des Vermieters zur Erteilung seiner Einwilligung in die vom Mieter gewollten baulichen Veränderungen vor, dann wäre es schikanöser Formalismus, den Mieter, der ohne vorherige Einwilligung des Vermieters oder den diese ersetzenden Sachbeschluß des Außerstreitrichters die baulichen Veränderungen bereits vorgenommen hat, zunächst zur Beseitigung der vorgenommenen baulichen Veränderungen zu zwingen, ihm dann aber nach Erlangung der (freiwilligen oder ersatzweisen gerichtlichen) Zustimmung die neuerliche Durchführung der gleichen baulichen Maßnahme zu gestatten. Es kann deshalb auch gar nicht ernstlich in Frage gestellt werden, daß auch eine nachträgliche Genehmigung der ohne vorherige Zustimmung des Vermieters oder den diese ersetzenden Sachbeschlusses des Außerstreitrichters vom Mieter durchgeführten baulichen Veränderungen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Zustimmungspflicht des Vermieters gemäß § 9 Abs 1 MRG erteilt werden muß.

Aus diesem Grunde ist der Revisionsrekurs der antragstellenden Hauptmieterin berechtigt.

Dem Rekursgericht ist allerdings in der Ansicht beizustimmen, daß nach der Aktenlage (Seite 4 der Verhandlungsschrift des Stadtamtes Hallein als Baubehörde vom 7. September 1982, Beilage I) für die nachträgliche Genehmigung der Bauführung von der Baubehörde in Hinblick auf die gegenüber dem Bauplan geänderten Abstützungen (Abfangungen) die Korrektur der statischen Berechnungen durch einen Statiker und deren Vorlage verlangt wurde, die Erbringung dieses Nachweises aber nicht aufscheint, so daß derzeit noch nicht endgültig über den diesbezüglichen Einwand der Vermieter (Veränderung der Statik des Hauses potentielle Schädigungsquelle iS des § 9 Abs 1 Z 6 MRG?) abgesprochen werden kann. Das Gericht zweiter Instanz wird die von ihm offenbar allein nur mehr als klärungsbedürftig angesehene Frage zweckmäßigerweise am besten selbst der Beantwortung zuführen, damit in der Sache selbst möglichst rasch abschließend entschieden werden kann. Aus diesem Grunde ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache in die zweite Instanz zurückzuverweisen.

Anmerkung

E09830

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00001.86.0120.000

Dokumentnummer

JJT_19870120_OGH0002_0050OB00001_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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