TE OGH 1987/2/10 2Ob511/87

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Veröffentlicht am 10.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 23.September 1980 geborenen mj. Erik U*** infolge Revisionsrekurses der unehelichen Mutter Dagmar P***, Viktor Christ-Gasse 9/3/32, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes f. ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 9.Oktober 1986, GZ 43 R 552,553/86-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 25.März 1986, GZ 9 P 309/85-24, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der mj. Erik lebte in den ersten drei Monaten nach seiner Geburt mit seiner Mutter zunächst bei der mütterlichen Großmutter. Dann übersiedelte die Mutter in eine eigene Wohnung. Als Erik ein Jahr alt war, begann seine Mutter ein Studium an der Pädagogischen Akademie, sie überließ das Kind großteils der mütterlichen Großmutter, die als Kindergärtnerin in einem Kinderhort tätig ist und das Kind dorthin mitnahm. Es entwickelte sich eine enge Beziehung zwischen Großmutter und Kind. Im Juli 1983 heiratete die Mutter und übersiedelte im August 1983 gemeinsam mit ihrem Mann und dem Kind in eine Wohnung im 5. Bezirk. Die Mutter und ihr Mann sind Angehörige der Zeugen Jehovas.

Die mütterliche Großmutter führte in Eingaben im Pflegschaftsverfahren aus, das Kind werde im Zusammenhang mit den Aktivitäten seiner Mutter bei den Zeugen Jehovas belastet, das Pflegschaftsgericht müßte Maßnahmen zum Wohl des Kindes treffen. Außerdem begehrte die mütterliche Großmutter die Einräumung eines Besuchsrechtes.

Die Mutter sprach sich gegen ein Besuchsrecht der Großmutter aus. Die Großmutter habe das Kind wiederholt geschlagen, sie boykottiere die religiöse Erziehung des Kindes, bei allen Besuchen der Großmutter sei es zu Spannungen und Streitigkeiten gekommen, weil die Großmutter den Ehemann der Mutter ablehne und über die religiöse und weltanschauliche Einstellung der Ehegatten schimpfe, überdies sei die Großmutter eine starke Raucherin, ein Zusammensein mit ihr sei dem Kind, das anfällig für Erkältungskrankheiten und Brochitis sei, nicht zumutbar.

Das Erstgericht räumte der mütterlichen Großmutter jeweils am zweiten Samstag eines jeden Monates ein Besuchsrecht in der Zeit von 15 bis 18.30 Uhr in der Wohnung der Mutter ein. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge.

Der von der Mutter gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht zulässig. Da das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigte, könnte ein Revisionsrekurs gemäß § 16 AußStrG nur im Fall einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität erhoben werden. Derartige Gründe liegen jedoch nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Als Aktenwidrigkeit bekämpft die Rechtsmittelwerberin in Wahrheit die Beweiswürdigung; dies ist im Rahmen eines Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG jedoch nicht zulässig (EFSlg. 44.640 uva).

Den Ausführungen zur offenbaren Gesetzwidrigkeit ist entgegenzuhalten, daß dieser Rechtsmittelgrund von jenem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung begrifflich verschieden ist (EFSlg. 44.641). Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg. 44.642 uva). Gemäß § 148 Abs. 2 ABGB haben die Großeltern zwar nur dann ein Recht, persönlich mit dem Kind zu verkehren, wenn dadurch nicht die Ehe oder das Familienleben der Eltern oder deren Beziehungen zu dem Kind gestört werden. Ob die zwischen der Mutter und ihrem Ehemann einerseits und der mütterlichen Großmutter andererseits bestehenden Spannungen und die in der Vergangenheit aufgetretenen Streitigkeiten ausreichen, um der mütterlichen Großmutter im Sinne des § 148 Abs. 2 ABGB ein Besuchsrecht zu versagen, kann der angeführten Gesetzesstelle nicht eindeutig entnommen werden. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt daher nicht vor. Eine solche ist zwar nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch dann anzunehmen, wenn das Gericht gegen ein Grundprinzip des Rechts, etwa im Pflegschaftsverfahren die gänzliche Außerachtlassung des Wohles des Pflegebefohlenen, verstoßen hat (EFSlg. 47.208 uva), doch kann erfahrungsgemäß nicht angenommen werden, daß durch die Einräumung eines Besuchsrechtes an die Großmutter einmal im Monat in der Wohnung der Mutter das Wohl des Kindes gefährdet würde. Es steht fest, daß das Kind in seinen ersten Lebensjahren großteils der Pflege der mütterlichen Großmutter überlassen war und sich eine enge Beziehung zwischen Großmutter und Kind entwickelte. Die von der Mutter vorgebrachten Gründe (körperliche Züchtigung des Kindes, Boykottieren der religiösen Erziehung) können jedenfalls bei Ausübung des Besuchsrechtes in der Wohnung der Mutter die Annahme einer Gefährdung des Kindeswohles nicht rechtfertigen. Die Mutter braucht in ihrer Wohnung ein Rauchen der Großmutter nicht zu dulden. Der Frage, ob das Kind bei Unterbleiben von Besuchen der Großmutter leiden würde, kommt im Rahmen des außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG keine Bedeutung zu. Die im Revisionsrekurs aufgestellte Behauptung, die Ausübung des Besuchsrechtes durch die Großmutter würde eine unzumutbare psychische und körperliche Belastung für das Kind bewirken, ist durch den Akteninhalt nicht gedeckt. Von der Mutter muß verlangt werden, daß sie eine Atmosphäre schafft, die einen Kontakt mit der Großmutter ermöglicht (EFSlg. 43.272). Allerdings hat auch die Großmutter bei Ausübung des Besuchsrechtes alles zu vermeiden, was zu einer Störung des Familienlebens oder ihrer Beziehungen zu dem Kind führen könnte (5 Ob 536/86). Somit liegt keiner der im § 16 AußStrG angeführten Gründe vor, weshalb der Revisionsrekurs zurückgewiesen werden mußte.

Anmerkung

E10301

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00511.87.0210.000

Dokumentnummer

JJT_19870210_OGH0002_0020OB00511_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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