TE OGH 1987/3/12 8Ob695/86

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Veröffentlicht am 12.03.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Regina E*****, geboren am *****, vertreten durch die eheliche Mutter Erna E*****, beide *****, infolge Revisionsrekurses der Erna E*****, vertreten durch Dr. Ernst Pölzl, Rechtsanwalt in Gmünd, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems a.d.D. als Rekursgerichtes vom 30. Oktober 1986, GZ 1 b R 371/86-39, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Weitra vom 26. August 1986, GZ P 8/85-34, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die jetzt im 11.Lebensjahr stehende Regina E***** entstammt der Ehe des Alfred E***** und der Erna E*****. Die Ehe der Eltern wurde mit dem Beschluß des Kreisgerichtes Krems/D. vom 2.10.1985 einvernehmlich geschieden. Die elterlichen Rechte und Pflichten im Sinn des § 144 ABGB über das Kind stehen der Mutter zu, in deren Haushalt es betreut wird. In der anläßlich der Ehescheidung gemäß § 55 a EheG von den Ehegatten geschlossenen Vereinbarung wurde das Besuchsrecht des Vaters einer späteren Regelung vorbehalten.

Am 11.2.1986 beantragte der Vater, ihm ein Besuchsrecht seiner Tochter einzuräumen. Das Kind möge ihm an jedem zweiten und vierten Sonntag eines Monates um 13 Uhr übergeben werden. Er werde es am gleichen Tag um 18 Uhr wieder zurückbringen.

Die Mutter sprach sich gegen eine Regelung in der beantragten Form aus. Der Vater könne das Kind zum Wochenende bei ihr im Haus besuchen und dort die entsprechenden Kontakte pflegen.

Das Erstgericht räumte dem Vater ein Besuchsrecht dahin ein, daß er die Minderjährige an jedem zweiten und vierten Sonntag im Monat in der Zeit von 13 bis 18 Uhr im Hause ***** besuchen könne und verpflichtete die Mutter, die Minderjährige an den genannten Tagen für den Besuch des Vaters bereit zu halten und für die Ausübung des Besuchsrechtes einen Raum bereit zu stellen, in dem es dem Vater möglich ist, sein Besuchsrecht ohne Beisein der Mutter auszuüben. Den darüber hinausgehenden oben dargestellten Antrag des Vaters wies es ab.

Das Erstgericht traf nachstehende Feststellungen:

Regina E***** ist intelligent, altersgemäß gut entwickelt, kontaktwillig, sprechfreudig und mitteilsam. Sie ist befähigt, in altersgemäßer Weise zu ihrer Lebenssituation Stellung zu nehmen. Die Minderjährige hat die in der Familie früher bestandenen Spannungen bewußt miterlebt. Sie fühlt sich dem Kreis der Mutter und der älteren Geschwister zugehörig, folgt in ihren Einstellungen und Ansichten vielfach einem Bild, das durch die Erzählungen der Mutter entstand und wählt als Bezugsperson hauptsächlich die Mutter. Nach dem fachpsychologischen Gutachten des Sachverständigen handelt es sich bei der Eifrigkeit der Minderjährigen um eine solche kindlich altkluger Art, welche in Verbindung mit gar nicht kindgemäßen Vorstellungen und Inhalten eine Diskrepanz ergeben, die letztlich als Ergebnis der elterlichen Streithaltungen anzusehen ist. Psychologisch relevant sind die verschiedenen, von der Mutter gegen den Vater erhobenen Vorhaltungen, die in den Vorstellungen der Minderjährigen eine intensive Rolle spielen.

Das Erstgericht vertrat die Auffassung, daß die Abwicklung des Besuchsrechtes im Sinne des Antrages des Vaters aus kindespsychologischer Sicht nicht mit Sicherheit ohne Nachteil für die Minderjährige ablaufen werde, weshalb es nur die oben dargestellte eingeschränkte Besuchsausübung gestattete. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es dem Vater gestattete, das Kind an jedem zweiten und vierten Sonntag im Monat um 13 Uhr abzuholen und es am gleichen Tag um 18 Uhr wieder zurückzubringen. Das Gericht zweiter Instanz lehnte die Auffassung des Erstgerichtes ab, daß ein Nachteil für die Minderjährige nicht mit Sicherheit auszuschließen sei, wenn der Vater seine Tochter abholt und sie später wieder zurückbringt. Hier handle es sich in Wirklichkeit bloß um abstrakte Befürchtungen. Es werde die Aufgabe der Mutter sein, das Kind entsprechend positiv gegenüber dem Vater zu beeinflussen, dann sei auch bei der festgestellten Intelligenz des Kindes nicht zu befürchten, daß die Ausübung des Besuchsrechtes in der vom Vater gewünschten Weise nach einer Zeit der Gewöhnung dem Wohl des Kindes zuwiderläuft.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter, in welchem sie die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin beantragt, daß jener des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Sie könne sich des Eindruckes nicht erwehren, daß es das Ziel der Rekursentscheidung sei, "sie zur Räson" zu bringen. Das Rekursgericht übersehe die Aversion des Kindes gegenüber dem Vater und die Tatsache, daß ohnehin eine Entfremdung zwischen den beiden eingetreten sei, weil die Trennung bereits 1 1/2 Jahre währte.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Recht jedes Elternteiles, mit dem Kind persönlich zu verkehren, ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung, somit ein allgemein anzuerkennendes Menschenrecht (EFSlg 43.216; 45.716 uza). Die Aufrechterhaltung des Kontaktes zu beiden Elternteilen zumindest durch Besuche ist grundsätzlich für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes erforderlich und liegt im wohlverstandenen Interesse des Kindes (EFSlg 35.868; AnwBl. 1983, 719 ua). Um den Zweck des Besuchsrechtes zu erreichen, ist dem Besuchsberechtigten im allgemeinen der Kontakt zu seinem Kind unbeschränkt, d.h. ohne Beeinträchtigung durch Zuziehung weiterer Personen oder Bindung an bestimmte Örtlichkeiten zu gestatten und ihm die Möglichkeit einer individuellen Gestaltung der Besuche zu bieten (EFSlg 35.879; 45.744 uza). Sind die bei der Ausübung des Besuchsrechtes auftretenden Irritationen des Kindes allein auf Spannungen zwischen den Eltern zurückzuführen, wie sie häufig nach der Zerrüttung der Ehe zu befürchten sind, ist es Pflicht und Aufgabe der Eltern, Liebe und Zuneigung des Kindes zu beiden Elternteilen in gleicher Weise zu fördern. Das mag den Eltern vielfach schwerfallen, doch ist dieses Verhaltensgebot gerade nach der Vernichtung der Ehe für das richtig verstandene Kindeswohl, seine Charakterbildung und sein seelisches Gleichgewicht nach gesicherten Erkenntnissen von besonderer Bedeutung (1 Ob 526/85 ua). Die von der Mutter in ihrem Revisionsrekurs dargelegten Befürchtungen, es werde von ihr etwas verlangt, was sie nur so verstehen könne, daß sie zur Räson gebracht werden soll, sind in Wirklichkeit die Ergebnisse der ihr mit Recht vom Rekursgericht unterstellten Verpflichtung, alles zu tun, um das seelische Gleichgewicht des Kindes auch in dessen Verhalten zu seinem Vater wieder herzustellen. Seine festgestellten Irritationen können durch die gemeinsame Bedachtnahme auf ein zu beiden Elternteilen gleichermaßen aufzubauendes bzw. aufrecht zu erhaltendes gutes Verhältnis durchaus abgebaut werden; diesem Zweck dient die Ausübung des Besuchsrechtes durch den Vater, das überdies einer Entfremdung vorbeugen soll, die nach den Darstellungen der Mutter ohnedies bereits in zunehmendem Maße erfolgte. Wenn daher das Rekursgericht nach eingehenden Erhebungen über die gesamte Situation zu dem Ergebnis kam, daß der Besuch des Vaters in der festgelegten Weise dem Wohl des Kindes dient, so kann dem unter Bedachtnahme auf die dargelegten Erwägungen nicht entgegengetreten werden. Dem Revisionsrekurs der Mutter war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E10799 8Ob695.86

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00695.86.0312.000

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2008
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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