TE OGH 1987/5/7 13Os53/87

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Veröffentlicht am 07.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Mai 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario N*** wegen des Verbrechens nach § 202 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengerichts vom 24.Februar 1987, GZ 25 a Vr 1641/86-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbesctwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Der zuletzt keiner Beschäftigung nachgegangene Mario Anton N*** ist des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt worden: Er hat in der Nacht zum 26. Oktober 1986 in Bregenz Silvia G*** mit Gewalt, nämlich dadurch, daß er sie mit seinen Händen festhielt und gegen einen Straßenbeleuchtungsmast drückte, sie am Oberkörper erfaßte und über ein Dornengebüsch auf eine Wiese stieß, sie dann wiederum packte und - sie hinter sich herziehend - mit ihr über eine Böschung fiel, sich schließlich auf sie setzte und legte, bzw. durch gefährliche Drohung, indem er ihr in Aussicht stellte, daß ihr etwas passieren würde, wenn ihr Begleiter Novica B*** nicht weggehe und danach zur Gendarmerie gehe, ferner mit dem Hinweis, daß er nicht nur ein Messer, sondern auch eine Pistole bei sich habe und mit ihr auch anders verfahren könne, wenn sie nicht aufhöre zu schreien und zu weinen, zum außerehelichen Beischlaf genötigt (1) sowie Novica B*** dadurch, daß er ihm befahl, sich vom Ort des Geschehens zu entfernen und dazu erklärte, daß er ihm nicht rate, zur Gendarmerie zu gehen, ansonsten Silvia G*** etwas passieren werde, sohin durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Körperverletzung zum Weggehen und zur Unterlassung der Anzeigeerstattung bei einer Gendarmeriedienststelle genötigt (2). Diese Schuldsprüche ficht der Angeklagte aus § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde an.

Rechtliche Beurteilung

Zum Schuldspruch 1

An den Beginn seiner Mängelrüge stellt der Angeklagte als wörtliches Zitat aus den Urteilsgründen (ON. 32 S. 319 unten) einen Text, an den im Urteil folgende (in der Beschwerde nicht wiedergegebene) Passage ausschließt: "Er (der Angeklagte) erkannte klar, daß sie (Silvia G***) nervlich total am Ende war und sehr große Angst vor ihm hatte, was er auch voll für sein Vorhaben ausnützte" (ON. 32 S. 319, 320). Sodann der Urteilstext in der Beschwerde weiter wieder wörtlich angeführt: "Er (der Angeklagte) war sich bewußt, daß Silvia G*** nicht freiwillig in den Beischlaf einwilligte, sondern dieses lediglich als Folge ihrer ausweglosen Situation, in die er sie gebracht hatte, zuließ, um keine weiteren Gewalttätigkeiten des Angeklagten heraufzubeschwören" (ON. 32 S. 320 oben).

Die Beschwerdeeinwände, daß das Urteil keine näheren Angaben darüber enthalte, "welche Gewalttätigkeiten und welche Drohungen der Angeklagte gesetzt hat oder wovon diese etwa hergeleitet werden könnten" bzw. welche Umstände "den Beweis dafür liefern, daß Silvia G*** ernstlich dagegen gewesen wäre" und sich in einer "ausweglosen Situation" befunden habe (ON. 38 S. 322), werden duch die weitgehende Individualisierung des Sachverhalts im Urteilssatz (ON. 32 S. 310, 311; siehe oben) und dessen lückenlose Konkretisierung in den Entscheidungsgründen (ON. 32 S. 312 ff.) sowie durch die eingehende Würdigung der Verfahrensresultate (ON. 32 S. 320 ff.) klar widerlegt. Wenn der Schöffensenat die Annahme, daß

sich eine Frau, die "immer wieder weinte ... freiwillig in einen Geschlechtsverkehr einläßt ... als äußerst weltfremd" ansah (ON. 32 S. 322), so hat er doch, anders als die Beschwerde vermeint, den ernsthaft widerstrebenden Willen der Frau keineswegs "allein" aus deren "Weinen" (ON. 38 S. 322) abgeleitet, sondern auch aus ihrer Verängstigung und depressiven Verfassung (ON. 32, S. 319, 322). Das Gericht hat dazu auch unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sich der Angeklagte der Ernsthaftigkeit des widerstrebenden Willens der Frau voll bewußt war (ON. 32, S. 319).

Schließlich wurden auch das Verhalten des Angeklagten nach der Tat (ON. 32 S. 322 f.) und seine einem Geständnis gleichkommenden (ON. 32 S. 321) ersten Einlassungen (ON. 32 S. 320 f.) frei gewürdigt (§ 258 Abs 2 StPO) und auf dieser Basis die den Schuldspruch 1 tragenden Konstatierungen getroffen. Daß die Zeugin G*** bei ihrem Entkleiden selbst behilflich war, hat das Schöffengericht nicht festgestellt, sondern ausdrücklich offen gelassen (ON. 32 S. 317 unten; 323). Da ein solches Verhalten aber durchaus der für eine Nötigung essentiellen Willensbeugung entspringen kann, stünde es einer Verwirklichung des Tatbestands des § 202 Abs 1 StGB keineswegs entgegen. Schließlich ist auch der Vorsatz des Angeklagten aus dem Geschehensablauf wohlbegründet, klar und deutlich festgestellt worden (ON. 32 S. 319).

Die Schilderung alles dessen, was die Zeugin G*** nicht getan hat und doch hätte tun können, um dem Angeklagten noch vor der Tat zu entkommen, zielt insofern, als die Beschwerde daraus auf die Freiwilligkeit einer geschlechtlichen Hingabe schließen will, auf eine im Nichtigkeitsverfahren verpönte Bekämpfung der andersartigen Würdigung dieser im Urteil keineswegs übergangenen Teilaspekte des Gesamtgeschehens durch den Schöffensenat ab.

Die Rechtsrüge (Z. 9 lit a), die aus dem Sachverhalt einzelne frühe Phasen der gefährlichen Drohung herausgreift und behauptet, schon mangels des zeitlichen Zusammenhangs mit der späteren Nötigung zum Beischlaf dürften diese Drohungen in das eigentliche Tatgeschehen nicht einbezogen werden, ist nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie nicht von der Gesamtheit aller der Individualisierung der Tat dienenden Tathandlungen ausgeht, die insgesamt dem Schuldspruch zugrunde liegen.

Zum Schuldspruch 2

Die Mängelrüge behauptet, daß die Drohung des Angeklagten, der Silvia G*** werde etwas passieren, in der Aussage des Zeugen Novica B*** keine Deckung finde. Nun hat das Gericht aber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Aussage gerade dieses Zeugen "keine allzu große Bedeutung beigemessen werden konnte, da er offensichtlich nicht in der Lage war, die an ihn gerichteten Fragen geistig richtig zu erfassen und dementsprechend seine Angaben eher verwirrten" (ON. 32 S. 325). Genug daran, daß die Deposition der Zeugin G*** als Feststellungsgrundlage zur Verfügung steht (ON. 31 S. 301).

Die Rechtsrüge (Z. 9 lit a) bestreitet, daß die Äußerung, der Silvia G*** werde etwas passieren, eine gefährliche Drohung im Sinn des § 105 StGB sei. Damit wird die im Bereich des Faktischen konstatierte Bedeutung dieser Äußerung als Drohung "zumindest mit einer Körperverletzung" (ON. 32 S. 311, 326) ignoriert. Die Rüge geht hier gleichfalls nicht vom Urteilssachverhalt aus, der die vom Schöffensenat der Äußerung zugemessene Bedeutung mitumfaßt, und entbehrt damit ebenso einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z. 2 StPO), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs 1 Z. 1, 285 a Z. 2 StPO) schon in einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Zur Berufung:

Zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung wird ein Gerichtstag angeordnet werden (§ 296 Abs 3 StPO).

Anmerkung

E11064

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00053.87.0507.000

Dokumentnummer

JJT_19870507_OGH0002_0130OS00053_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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