TE OGH 1987/6/11 12Os30/87

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Veröffentlicht am 11.06.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Juni 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sailler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert A*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.April 1986, GZ 1 a Vr 3676/84-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis werden zurückgewiesen.

Über die Berufung gegen den Strafausspruch wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wude Herbert A*** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien in der Zeit zwischen Anfang 1982 und 16.Mai 1983 in mehrfachen Angriffen ein Gut, das ihm anvertraut worden ist und dessen Wert 100.000 S übersteigt, nämlich Fotomaterial (bzw dessen Gegenwert) im Wert von mindestens 400.000 S, das ihm von der Firma Johann H*** zum Verkauf übergeben worden war, dadurch sich mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet, daß er diese Waren bzw deren Verkaufserlös für eigene Zwecke verbrauchte.

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt er die Abweisung seiner Beweisanträge auf Einsichtnahme "in das Exekutionsregister beim Exekutionsgericht Wien" zum Beweis dafür, daß sich die Firma H*** in den Jahren 1981/82 und 1983 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat und daher sehr wohl Interesse daran hatte, einen Fehlbestand festzustellen (S 358), sowie auf Einvernahme einer Reihe von (im Antrag namentlich genannter) Zeugen zum Beweis dafür, daß diesen Kunden (jener Filiale der Firma H***, in welcher der Angeklagte tätig war) sowohl mit als auch für den Fall, daß ihnen keine Kundenkarte ausgehändigt wurde, Prozente bis zu 10 % gewährt wurden (S 358 ff).

Rechtliche Beurteilung

Durch die Abweisung (S 360) dieser Beweisanträge wurden indes - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt.

Der Antrag auf Einsichtnahme "in das Exekutionsregister" zielte seinem Wortlaut nach darauf ab, darzutun, daß die Inhaber der Firma H*** im Hinblick auf wirtschaftliche Schwierigkeiten ein Interesse daran gehabt haben, einen Fehlbestand (in der Gebarung der vom Angeklagten betreuten Filiale) festzustellen. Von diesem (für die Relevanz der Verfahrensrüge allein maßgebenden; vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 41 zu § 281 Z 4) Beweisthema ausgehend ist aber nicht ersichtlich, inwiefern die begehrte Beweisaufnahme für die Beurteilung des gegen den Angeklagten erhobenen Schuldvorwurfs, Waren bzw Verkaufserlöse veruntreut zu haben, von Bedeutung sein sollte; können doch aus dem unter Beweis zu stellenden Interesse an der Aufklärung eines Fehlbestandes an sich keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, auf welche Weise der Fehlbestand entstanden ist und daß er - wie die Beschwerde nunmehr vermeint - dem Angeklagten zu Unrecht angelastet wird. Es wäre daher schon bei der Antragstellung in erster Instanz erforderlich gewesen, begründet darzutun, was aus der begehrten Einsichtnahme für die Lösung der Schuldfrage, im besonderen zur Entlastung des Angeklagten, zu gewinnen ist und warum erwartet werden kann, daß die Durchführung dieses Beweises das damit (nach dem nunmehrigen, indes verspäteten Vorbringen in der Beschwerde) angestrebte Ergebnis haben werde (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 19 zu § 281 Z 4). Da dies nicht geschehen ist, kann sich der Angeklagte durch die Abweisung des Antrags nicht beschwert erachten.

Die beantragte Einvernahme von (weiteren) Zeugen hinwieder konnte deshalb ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten unterbleiben, weil das Gericht das, was damit unter Beweis gestellt werden sollte, nämlich daß der Angeklagte den Kunden tatsächlich die von ihm angegebenen Rabatte gewährt hat, ohnedies als erwiesen angenommen und dies bei der Ermittlung des zu verantwortenden Schadens entsprechend berücksichtigt hat (S 381/382). Wurde aber die zu beweisende Tatsache vom Gericht ohnehin (zugunsten des Beschwerdeführers) als erwiesen angesehen, so begründet die Nichtaufnahme hiezu begehrter Beweise keine Nichtigkeit gemäß der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO (SSt 42/50 uam). Die Verfahrensrüge versagt daher zur Gänze.

In der Mängelrüge (Z 5) reklamiert der Beschwerdeführer zunächst eine Undeutlichkeit des Ausspruchs des Gerichts über entscheidende Tatsachen, weil die Feststellung, der Angeklagte habe "in zahlreichen, nicht mehr nachvollziehbaren Angriffen Waren, vor allem Filmmaterial ... oder den von den Kunden anläßlich des Verkaufs von Waren entgegengenommenen Kaufpreis" an sich gebracht (S 370/371), nicht erkennen lasse, welcher Tat ihn das Gericht eigentlich schuldig erkannt hat; eine derartige Feststellung müsse schon deswegen unzulässig sein, weil ihm solcherart keine konkrete, nach Zeit, Ort und Art umschriebene Tat, gegen die er sich verteidigen könne, vorgeworfen werde.

Eine Undeutlichkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (iS der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO) liegt jedoch nur vor, wenn aus den Konstatierungen des Urteils nicht zu erkennen ist, welche Handlungen der Angeklagte nach Ansicht des Gerichts vorgenommen und mit welchem Vorsatz er sie gesetzt hat oder überhaupt, wenn nicht zu erkennen ist, was das Urteil feststellen wollte (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 42 zu § 281 Z 5). Davon kann indes vorliegend nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils keine Rede sein. Soweit aber das bezügliche Beschwerdevorbringen der Sache nach als Rüge aus der Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO (wegen Verletzung der Vorschrift des § 260 StPO) verstanden werden könnte, so haftet auch dieser Nichtigkeitsgrund dem Urteil nicht an, zumal die Tat im Urteilsspruch hinreichend individualisiert ist, deren erschöpfende Beschreibung im Urteilssatz vom Gesetz nicht verlangt wird, eine Anführung der einzelnen veruntreuten Sachen nicht geboten ist (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 38 zu § 260) und bei Gleichartigkeit der deliktischen Angriffe eine Spezialisierung nach einzelnen Deliktsobjekten nicht erforderlich und auch zu einer hinreichenden Individualisierung der Taten nicht vorgeschrieben ist (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 40 b zu § 260). In welchem Zeitraum und an welchem Ort an welchen der Art nach bezeichneten Gegenständen die wiederholten Angriffe gesetzt wurden, ergibt sich hinreichend deutlich aus dem Urteilsspruch, womit auch aus der Sicht einer zweckdienlichen Verteidigung des Angeklagten für diesen nicht zweifelhaft sein konnte, was ihm zur Last gelegt wird (vgl hiezu auch Mayerhofer-Rieder aaO ENr 32, 46 zu § 260).

Was den (weitwendigen) Vorwurf der Unvollständigkeit des Urteils betrifft, so übersieht die Beschwerde, daß das Gericht die Entscheidungsgründe gemäß der Vorschrift des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO in gedrängter Darstellung abzufassen hatte und daher nicht verpflichtet war, im Urteil alle Verfahrensergebnisse schlechthin und ohne Rücksicht auf ihre Bedeutung für die - unter Würdigung aller abgeführten Beweise in ihrer Gesamtheit - zu fällende Entscheidung zu erörtern; ebensowenig war es verhalten, sich dabei von vornherein mit allen dagegen möglichen, nachträglich ins Treffen geführten Einwänden zu befassen (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 78, 104, 105 zu § 270). Genug daran, daß in den Urteilsgründen mit voller Bestimmtheit angegeben ist, welche Tatsachen das Gericht auf Grund welcher Verfahrensergebnisse als erwiesen oder nicht erwiesen angenommen hat. Diesem Gebot wird das angefochtene Urteil aber durchaus gerecht. Daß es sich nicht mit allen von der Beschwerde herausgegriffenen Passagen der Aussagen der Zeugen H*** jun und sen detailliert auseinandergesetzt hat, vermag demgegenüber einen formalen Begründungsmangel nicht zu verwirklichen. Mit der Verantwortung des Angeklagten, er sei deshalb angezeigt worden, um mögliche Anschuldigungen der Steuerbehörde zu entkräften (in welchem Zusammenhang die Beschwerde offenbar auf eine Passage in den Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 16.Mai 1984 S 161 abstellt), hat sich das Gericht der Sache nach ohnedies befaßt (S 373). Soweit die Beschwerde reklamiert, es sei unklar geblieben, wieviele Personen einen Schlüssel zum Lager der Filiale und zu den dort verwahrten Belegen hatten, ob auch die Gattinnen der Zeugen H*** jun und sen einen Schlüssel zur Filiale hatten und wer aller Zugriff zu den in der Zentrale aufbewahrten Lieferscheinen usw hatte, auf Grund welcher "das Gericht, die Sachverständigen und die Zeugen H*** die Veruntreuung durch den Angeklagten vermuten", macht sie keine Unvollständigkeit der Urteilsgründe, sondern eine Unvollständigkeit der Erhebungen geltend, die aus dem Grund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO zu rügen ist, wofür es aber an einer entsprechenden Antragstellung in erster Instanz fehlt (vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 82 ff zu § 281 Z 5). Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen steht die Annahme, daß eine große Zahl von Personen Großkunden für Filme und Ausarbeitungen gewesen sei, der weiteren Annahme, wonach ein sehr erheblicher Teil der Kunden beim Kauf derartiger Waren keine Rechnung begehrt haben, keineswegs denkgesetznotwendig entgegen. Von einem inneren Widerspruch (vgl hiezu Mayerhofer-Rieder aaO ENr 101 ff zu § 281 Z 5) kann somit keine Rede sein. Soweit sich der Beschwerdeführer aber gegen die bezüglichen Schlußfolgerungen des Gerichts wendet, bekämpft er der Sache nach lediglich die tatrichterliche Beweiswürdigung; ein formaler Begründungsmangel wird damit nicht aufgezeigt.

Das gilt in gleichem Maße auch für die (abermals weitwendigen) Ausführungen der Beschwerde, mit welchen darzutun versucht wird, daß das Gericht für den Schuldspruch keine oder nur unzureichende Gründe angegeben habe, und die - zusammengefaßt betrachtet - darauf hinauslaufen, die Beweiskraft der Bekundungen der Zeugen Johann H*** und Dr.Michael H*** in Zweifel zu ziehen und den gutächtlichen Ausführungen des Sachverständigen DDr.Josef G*** jeglichen Beweiswert abzusprechen. Das Gericht hat in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) den genannten Zeugen Glauben geschenkt und das Gutachten des Sachverständigen als schlüssig und widerspruchsfrei angesehen, und auf Grund dieser (im Urteil hinreichend begründeten) Würdigung der in Rede stehenden Beweismittel die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachtet. Dabei hat es keineswegs eine, wie die Beschwerde meint, unzulässige "Beweislastumkehr" zu Lasten des Angeklagten vorgenommen, sodaß alle bezüglichen Beschwerdehinweise auf arbeitsrechtliche Lehrmeinungen fehl gehen. Ob ein Sachverständigengutachten ausreichend und verläßlich, mithin entsprechend beweiskräftig ist, obliegt als Akt freier Beweiswürdigung allein der Beurteilung der Tatrichter, deren diesbezüglich gewonnene Überzeugung im schöffengerichtlichen Verfahren daher unbekämpfbar ist (vgl 9 Os 4/69, 13 Os 19/80 uam). Angebliche Mängel oder Widersprüche des Gutachtens, wie sie die Beschwerde reklamiert, können grundsätzlich nur im Wege der §§ 125, 126 StPO beseitigt werden (10 Os 72/83); es wäre dem Angeklagten freigestanden, sie im Verfahren erster Instanz unter diesem Gesichtspunkt geltend zu machen, indem der Sachverständige ergänzend befragt bzw gegebenenfalls die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen begehrt wird. All dies ist indes nicht geschehen. Soweit die Beschwerde im gegebenen Zusammenhang immer wieder darauf verweist, daß die vom Sachverständigen verwerteten Geschäftsunterlagen der Firma H*** gefälscht bzw nachträglich zu Lasten des Angeklagten verändert worden sein könnten, ergeht sie sich in hypothetische Spekulationen ohne realer Deckung in den Verfahrensergebnissen. Im übrigen müssen die vom erkennenden Gericht aus den Verfahrensergebnissen gezogenen Schlußfolgerungen keineswegs denkgesetzlich die einzig möglichen sein (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 22 zu § 258); daß aus den aufgenommenen Beweisen allenfalls auch andere Schlüsse gezogen werden könnten und sich das Gericht bei deren Würdigung für die für den Angeklagten ungünstigeren entschieden hat, stellt keinen formalen Begründungsmangel dar (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 145, 147 zu § 281 Z 5).

Demnach erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - als teils offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO), teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt (§§ 285 d Abs. 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO), weshalb sie schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen war. In der Rechtsmittelschrift hat der Angeklagte auch eine Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis (mit welchem er schuldig erkannt worden ist, dem Privatbeteiligten Johann H*** einen Betrag von 400.000 S zu bezahlen) ausgeführt. Innerhalb der dreitägigen Anmeldefrist wurde jedoch ausdrücklich nur Berufung wegen Strafe angemeldet (S 380). Damit hat er aber konkludent auf die Ergreifung einer Berufung wegen privatrechtlicher Ansprüche verzichtet (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 3 a zu § 294), sodaß die nunmehr ausgeführte diesbezügliche Berufung (gleichfalls) zurückzuweisen war (§§ 294 Abs. 4, 296 Abs. 2 StPO).

Zur Entscheidung über die vom Angeklagten außerdem ergriffene Strafberufung wird ein Gerichtstag angeordnet werden (§ 296 Abs. 3 StPO).

Anmerkung

E11654

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00030.87.0611.000

Dokumentnummer

JJT_19870611_OGH0002_0120OS00030_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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