TE OGH 1987/6/23 15Os82/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Juni 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bibulowicz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert B*** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.Februar 1987, GZ 1 c Vr 6571/86-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil, das in seinem freisprechenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Darauf wird der Angeklagte mit seiner Berufung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt und von einem weiteren (gleichfalls in Richtung eines Betruges gehenden) Anklagevorwurf (rechtskräftig) freigesprochen.

Nach dem Inhalt des schuldig sprechenden Teiles des Urteils liegt ihm zur Last, am 28.Dezember 1985 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Z***-K*** Versicherungs-AG durch die tatsachenwidrige Behauptung in einer Schadensmeldung, sein PKW Mercedes 500 SEL mit dem polizeilichen Kennzeichen W 628.608 sei am 26. Dezember 1985 am Brenner aus ungeklärter Ursache in Brand geraten, obwohl er selbst den Brand gelegt hatte, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Auszahlung der Versicherungssumme von 380.000 S, sohin zu einer Handlung zu verleiten versucht zu haben, welche die genannte Gesellschaft an ihrem Vermögen in einem 100.000 S übersteigenden Ausmaß schädigen sollte.

Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kann schon insoweit, als Begründungsmängel (Z 5) geltend gemacht werden, Berechtigung nicht versagt werden.

Rechtliche Beurteilung

Vom Verteidiger wurde in der Hauptverhandlung ein Privatgutachten eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Brandursachenermittlung vorgelegt (S 200), das nicht nur "zum Akt genommen" (S 200), sondern überdies in seiner wesentlichen Zusammenfassung auch in der Hauptverhandlung verlesen wurde (S 201 in Verbindung mit S 6 der Beilage C).

Aufgabe eines derartigen Privatgutachtens wäre an sich nur, dem Angeklagten oder seinem Verteidiger über erhebliche Umstände eine über ihr eigenes Wissen und Können hinausgehende Information zu verschaffen und es ihnen dadurch leichter zu ermöglichen, sachdienliche Anträge an das Gericht oder entsprechende Fragen an den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu stellen (Mayerhofer-Rieder, StPO2, E 110 zu § 252). Wird aber ein derartiges Gutachten in Verkennung dieses Zwecks vom Gericht in der Hauptverhandlung verlesen, ohne daß sich der Ankläger dem widersetzt hätte, dann wird es zum Gegenstand des Beweisverfahrens; sein Inhalt ist somit diesfalls nach § 258 Abs. 2 StPO als Beweismittel auf Glaubwürdigkeit und Beweiskraft zu prüfen (Mayerhofer-Rieder, aaO, E 113, 119, 122 zu § 252).

Vorliegend unterließ es das Schöffengericht, sich mit dem Gegenstand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung gewordenen Privatgutachten, das im Urteil nicht einmal erwähnt wird, beweiswürdigend auseinanderzusetzen, insbesondere darzulegen, aus welchen Erwägungen es das die Möglichkeit der Entzündung eines Benzin-Luft-Gemisches durch einen elektrischen Schaltfunken oder durch den Auspufftopf augenscheinlich ausschließende Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen für schlüssiger und beweiskräftiger hielt als das Privatgutachten. Die bloße Bezugnahme auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen (US 9 und 11) ersetzt eine derartige Beweiswürdigung nicht. Dieser Begründungsmangel kann auch deshalb nicht als unentscheidend angesehen werden, weil dem erstgerichtlichen Urteil nicht entnommen werden kann, daß es - abgesehen von der Frage der möglichen unmittelbaren Ursache für die Brandauslösung - von anderen Tatsachenvoraussetzungen ausgegangen wäre als der Verfasser des Privatgutachtens. Gewiß ließe sich nämlich mit dem Privatgutachten - ebenso wie mit dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen - die Behauptung des Angeklagten nicht vereinbaren, daß es nach Ausfließen einer größeren Menge Benzins aus einem im Kofferraum befindlichen Kanister bereits früher (in Rom oder während der Fahrt von dort zum Brenner) zu einem Brand gekommen wäre. Eine dieser Behauptung des Angeklagten entsprechende Feststellung traf aber das Erstgericht nicht; im Gegenteil, es setzte diesem Teil der Verantwortung Erwägungen "entgegen" (US 8), beurteilte ihn als "widersprüchlich" (US 9), bezeichnete die Behauptung eines Brandes in Rom als "Lüge" (US 9) und deklarierte die Behauptung eines Brandgeruches während der Fahrt als "angeblich wahrgenommen" (US 10), ging somit ersichtlich davon aus, daß auch dies nicht zutreffe.

Damit ging das Schöffengericht bei seinen Tatsachenkonstatierungen ersichtlich von gleichartigen Prämissen aus wie der Verfasser des Privatgutachtens, das zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde. Demnach hätte sich das Gericht mit den Schlußfolgerungen dieses Gutachtens auseinanderzusetzen gehabt. Schon dieser Begründungsmangel nötigt zu einer Kassation des Schuldspruches und zur Anordnung der Verfahrenserneuerung in diesem Umfang.

Eines Eingehens auf die weiteren geltend gemachten Nichtigkeitsgründe bedarf es damit nicht mehr.

Nur am Rande sei - zur Vermeidung eines ähnlichen fehlerhaften Gedankenganges im zweiten Verfahrensgang - darauf aufmerksam gemacht, daß das verfahrensgegenständliche Fahrzeug nicht, wie das Erstgericht augenscheinlich annahm, im Eigentum des Angeklagten stand, sondern einer - von ihm kontrollierten - Herbert B*** GesmbH (vgl hiezu die Beilagen zu ON 12 sowie S 121). Es werden daher bei allfälligen Überlegungen über eine wirtschaftliche bedrängte Lage als Motiv für den versuchten Betrug wohl auch die Verhältnisse dieser Gesellschaft zum Tatzeitpunkt in Betracht zu ziehen sein.

Anmerkung

E11320

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0150OS00082.87.0623.000

Dokumentnummer

JJT_19870623_OGH0002_0150OS00082_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten