TE OGH 1987/9/15 4Ob566/87

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Veröffentlicht am 15.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Psrtei Ö*** B*** Aktiengesellschaft, 4020 Linz, Landstraße 70, vertreten durch Dr. Ernst Schmerschneider, Dr. Hilbert Aubauer, Dr. Peter Berethalmy, Dr. Karl Fritsche und Dr. Christiane Berethalmy-Deuretzbacher, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Judith E***, Gastwirtin, 2460 Bruckneudorf,

Hauptstraße 173, vertreten durch Dr. Ronald Itzlinger, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, wegen Zuhaltung einer Getränkebezugsverpflichtung (Streitwert S 324.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7. Mai 1987, GZ 1 R 71/87-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landes- als Handelsgerichtes Eisenstadt vom 12. Jänner 1987, GZ 3 Cg 324/86-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.333,85 (darin enthalten S 1.030,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte unterfertigte am 12. Dezember 1985 als Geschäftsführerin der E*** Gesellschaft mbH in dem von dieser betriebenen Rasthaus "Kajüte" in Bruckneudorf ein an die Klägerin gerichtetes Anbot, zum Abschluß eines Bierlieferungsvertrages auf die Dauer von 10 Jahren, mindestens aber bis zur Erreichung von 1400 hl Bier; sie erklärte (ua), sich an dieses Anbot sechs Wochen lang gebunden zu halten. Als Gegenleistung versprach die Klägerin die Zahlung von S 324.000,--. Mit dem Schreiben vom 13. Jänner 1986 teilte die Klägerin der E*** Gesellschaft mbH mit, daß sie deren Anbot annehme. Zur Ausführung des Vertrages kam es jedoch nicht, weil die Beklagte unterdessen mit einer anderen Brauerei einen Bierbezugsvertrag abgeschlossen und ihr Vertreter der Klägerin mitgeteilt hatte, daß die E*** Gesellschaft mbH den "Vorvertrag" nicht mehr als bindend ansehe und das Anbot vom 12. Dezember 1985 zurückziehe.

Am 19. August 1986 beschloß die E*** Gesellschaft mbH ihre Umwandlung durch Übertragung des Unternehmens auf die Beklagte als ihre alleinige Gesellschafterin nach Art. III § 10 GmbH-Nov. 1980 BGBl. 320.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Bierbezugsverpflichtung auf Grund der Vereinbarung vom 12. Dezember 1985/13. Jänner 1986 zuzuhalten und somit in ihrer Absatzstätte in Bruckneudorf ab 13. Jänner 1986 auf die Dauer von 10 Jahren, mindestens aber bis zur Erreichung von 1.400 hl Bier, falls dieser Zeitpunkt der spätere sein sollte, das benötigte Bier zum jeweils allgemein geltenden Listenpreis für Wiederverkäufer ausschließlich und ununterbrochen von der Klägerin zu beziehen. Sie habe das Anbot der Beklagten vollinhaltlich angenommen. Dennoch sei die Beklagte ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Bierabnahme nicht nachgekommen; sie habe vielmehr noch vor der Abgabe der Annahmeerklärung innerhalb der eingegangenen Bindungsfrist mit dem Verkauf von Bier fremder Produktion begonnen. Daß die Beklagte nachträglich einen Bierbezugsvertrag mit einer anderen Brauerei abgeschlossen habe, mache ihr die Erfüllung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages nicht unmöglich. Aus dem Bierkartell könne die Beklagte keine Ansprüche ableiten, weil dieses am 20. Oktober 1981 im Kartellregister gelöscht worden sei. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Zwischen ihr und der Klägerin sei kein Vertrag zustande gekommen. Der Vertreter der Klägerin habe ausdrücklich erklärt, es stehe beiden Teilen offen, innerhalb einer Frist von sechs Wochen zu erklären, daß das Übereinkommen wirksam werde. Der Vertreter der Klägerin habe die Beklagte über den Inhalt der unterfertigten Urkunde und die Bindung an das Anbot in Irrtum geführt; dieser Irrtum sei von den Mitarbeitern der Klägerin veranlaßt und nicht rechtzeitig (gemeint wohl: rechtzeitig) aufgeklärt worden. Am 22. Jänner 1986 habe die Beklagte die Erklärung abgegeben, den Vertrag nicht effektuieren zu wollen. Die Beklagte habe im Dezember 1985/Jänner 1986 mit einer anderen Brauerei einen Bierbezugsvertrag abgeschlossen; diese dritte Brauerei habe bereits mit ihren Lieferungen begonnen. Nach den Bestimmungen des Kartellvertrages der Österreichischen Brauindustrie sei es unmöglich, daß zwei Bierbezugsverträge, die ein Ausschließlichkeitsrecht auf Bierlieferung enthalten, für einen einzigen Standort bestehen. Der Beklagten sei daher die Erfüllung des Vertrages rechtlich unmöglich.

Das Erstgericht hat der Klage stattgegeben. Aus den eingangs wiedergegebenen Feststellungen leitete es rechtlich ab, daß der Bierbezugsvertrag durch die Annahme des Anbotes der Beklagten durch die Klägerin gültig zustande gekommen sei. Die Beklagte habe ihr Anbot vor Ablauf der Annahmefrist nicht zurücknehmen können. Die auf das Bierkartell gestützte Einwendung scheitere daran, daß dieses am 20. November 1981 im Kartellregister gelöscht worden sei. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht aus:

In der vorliegenden Vertragsausgestaltung sei die Bierbezugsverpflichtung der Beklagten als Kaufvertrag zu beurteilen, weil die Beklagte nicht zur Rückzahlung des von der Klägerin versprochenen Betrages verpflichtet sei; diese Zahlung bilde die typische Gegenleistung der Brauerei für die Bezugsbindung. Wegen der vereinbarten Dauer des Bierbezuges von 10 Jahren sei der Vertrag als Dauerschuldverhältnis und damit als atypischer Kaufvertrag anzusehen, bei dem der Kunde Zeitpunkt und Ausmaß der Leistung durch das Recht auf Abruf bestimmen könne. Ein weiteres Vertragsmerkmal sei die dem Käufer auferlegte Ausschließlichkeitsbindung, die eine Unterlassungsverpflichtung enthalte. Der vorliegende Vertrag sei kein Vorvertrag, weil er auf bestimmte Zeit abgeschlossen worden sei und die wesentlichen beiderseitigen Leistungen enthalte; insbesondere sei auch der Kaufpreis bestimmbar (§ 1056 ABGB). Dem Vertragstext lasse sich nicht bloß die Verpflichtung entnehmen, künftig einen Vertrag schließen zu wollen. Nur dann aber, wenn die Parteien beabsichtigen, nicht schon den Hauptvertrag abzuschließen, sondern bloß seinen künftigen Abschluß vereinbaren, könne ein Vorvertrag angenommen werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung der Klage abzuändern.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Aus dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO rügt die Beklagte, daß sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage beschäftigt habe, ob trotz der Vereitelung der Erfüllung eine Verurteilung zur Leistung erfolgen könne. Die Beklagte sei nicht in der Lage, in den nächsten 10 Jahren das Doppelte der vereinbarten Biermenge abzunehmen. Durch den Abschluß eines weiteren Bierbezugsvertrages mit einer anderen Brauerei sei die Erfüllung der von ihr übernommenen Leistung somit vereitelt.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß zwischen den Parteien ein Bierbezugsvertrag im Wege der Annahme des Anbotes der Beklagten durch die Klägerin zustande gekommen ist. Auch den in der Berufung eingenommenen Standpunkt, die Vereinbarung enthalte nur einen Vorvertrag, hält die Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr aufrecht. Diesbezüglich kann daher auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (vgl. zur Ablehnung der in SZ 39/35 ausgesprochenen Ansicht, ein Bezugsvertrag sei als Vorvertrag zu qualifizieren, auch Call in FS Herdliczka 73 ff; Mayerhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht Allgemeiner Teil3, 204 f; ebenso auch 1 Ob 706/86).

Eine Vereitelung der Erfüllung durch Verschulden des Verpflichteten oder einen von ihm zu vertretenden Zufall, die den anderen Teil nach § 920 ABGB berechtigt, Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu fordern oder vom Vertrag zurückzutreten, liegt nur dann vor, wenn dem Schuldner die Bewirkung der versprochenen Leistung (objektiv oder auch nur subjektiv) physisch oder rechtlich dauernd (endgültig) unmöglich geworden ist (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 482; JBl 1983, 604). Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Vertragsteil, der in schuldhafter Verletzung seiner Vertragspflichten deren Erfüllung dadurch unmöglich macht, daß er nacheinander mehrere Verpflichtungen eingeht, bei denen die Erfüllung der einen notwendig zur Vereitelung der anderen führen muß, nicht auf die Unmöglichkeit der Leistung berufen. Dieser zunächst für den Fall der Doppelvermietung aufgestellte Rechtssatz (Spruch Nr. 48 neu = SZ 30/33 = JBl 1957, 559) wurde auch auf den Doppelverkauf und auf alle anderen Fälle ausgedehnt, in denen ein Vertragsteil in schuldhafter Verletzung seiner Vertragspflichten deren Erfüllung unmöglich macht (JBl 1958, 471; JBl 1975, 207; JBl 1979, 146). Unmöglichkeit der Leistung, die auch bei schuldhafter Verletzung der Vertragspflichten durch den Schuldner an sich nicht ausgeschlossen ist, kann nicht angenommen werden, wenn der Beklagte nicht einmal behauptet und zu beweisen versucht hat, daß er alles unternommen habe, den Dritten zu einer die Erfüllung ermöglichenden Handlung zu bewegen (EvBl 1954/132). Der Gläubiger, dem gegenüber die Erbringung der Leistung bloß relativ möglich ist, kann zwar diese Unmöglichkeit als absolut und endgültig ansehen; will er das aber nicht, dann kann er weiterhin auf Erfüllung bestehen (SZ 30/33).

Im vorliegenden Fall kann keine Rede davon sein, daß es der Beklagten dauernd unmöglich wäre, ihrer vertraglich übernommenen ausschließlichen Bierabnahmeverpflichtung gegenüber der Klägerin nachzukommen. Daß sie innerhalb der Frist, in der sie an das der Klägerin zum Abschluß eines derartigen Vertrages gestellte Anbot gebunden war, mit einer anderen Brauerei einen weiteren Bezugsvertrag abgeschlossen und damit gegen die mit der Klägerin getroffene Ausschließlichkeitsvereinbarung verstoßen hat, hindert sie weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen, von der Klägerin die bedungene Biermenge abzunehmen. Es liegt an der Beklagten, den unter Verletzung der mit der Klägerin eingegangenen rechtlichen Bindung geschlossenen weiteren Vertrag aufzulösen. Daß sich der Dritte weigere, den Vertrag zu lösen, hat die Beklagte nicht einmal behauptet.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11758

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00566.87.0915.000

Dokumentnummer

JJT_19870915_OGH0002_0040OB00566_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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