TE OGH 1987/10/28 3Ob95/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei C*** S.A., Zürich, Gottfried-Keller-Straße 7, vertreten durch Dr. Wolfgang Golla, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Martin M*** Gesellschaft m.b.H., Wien 1, Singerstraße 27, vertreten durch Dr. Hermann Gaigg, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erwirkung der Übermittlung von Bilanzen, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 25. Mai 1987, GZ 46 R 218/87-8, womit der Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 29. Dezember 1986, GZ 4 E 16515/86-2, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses an die zweite Instanz selbst zu tragen und ist schuldig, der betreibenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 16.864,65 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin S 1.533,15 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Gemäß einem Schiedsspruch vom 9. Juni 1986 hat die verpflichtete Partei der betreibenden Partei die Bilanzen der "T***" Mineralölprodukte Großhandel Martin M*** & Co für die Jahre 1981 bis 1985 zum Zwecke der Ausübung ihrer Kontrollrechte in Abschrift mitzuteilen, und zwar gemäß einem Bescheid der Datenschutzkommission ohne Daten von Personen, die zu dieser Gesellschaft in einem debitorischen oder kreditorischen Verhältnis stehen. Die betreibende Partei behauptete in ihrem Exekutionsantrag, die verpflichtete Partei habe diese Verpflichtung nicht erfüllt, sondern nur Teile der Bilanzen übermittelt. Sie beantragte, ihr zur Erzwingung des Anspruches auf abschriftliche Mitteilung der Bilanzen 1981 bis 1985, u.a. (1.) der Gewinn und Verlustrechnung (= Erfolgsrechnung) die Exekution gemäß § 354 EO zu bewilligen. Das Erstgericht bewilligte die Exekution in vollem Umfange. Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes zu 1. dahin ab, daß das Begehren auf Bewilligung der Exekution zur Erzwingung der Mitteilung der Gewinn- und Verlustrechnung abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß die Gewinn- und Verlustrechnung nicht zur Bilanz gehöre, sondern nur zum sogenannten Jahresabschluß, was sich aus der Unterscheidung des § 125 Abs 1 AktienG ergebe. Dem Exekutionstitel sei zumindest im Zweifel nicht zu entnehmen, daß die verpflichtete Partei auch die Gewinn- und Verlustrechnung vorlegen müsse.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Im vorliegenden Fall geht es nicht um Rechte, die dem Gesellschafter einer GesmbH zustehen, sondern um die Kontrollrechte eines Kommanditisten. Diesem steht gemäß § 166 Abs 1 HGB die abschriftliche Mitteilung der jährlichen Bilanz zu. Nach herrschender Ansicht umfaßt diese Bestimmung - auch wenn dort im Gegensatz zu § 22 Abs 4 GmbHG oder zu der allerdings nicht die Kontrollrechte eines Gesellschafters betreffenden Unterscheidung des § 125 Abs 1 AktienG (vgl. auch die §§ 131 und 132 AktienG) nur von der jährlichen Bilanz die Rede ist - auch die Gewinn- und Verlustrechnung (Hämmerele-Wünsch, Handelsrecht3 II 164; Kucsko, GesRZ 1984, 92, 96; Torggler-Kucsko in Straube, HGB, § 166 Rz 5; Schlegelberger-Martens, HGB5, § 166 Rz 6; Schilling, Großkomm. HGB3 II/2 Anm. 2 zu § 166). Nur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung geben ein Bild vom Vermögensstand der Gesellschaft (Schilling aaO). Der Begriff "jährliche Bilanz" ist daher nach den allgemeinen Grundsätzen des Rechnungswesens dem Begriff "Jahresabschluß" gleichzusetzen (Martens aaO).

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß § 166 Abs 1 des deutschen HGB durch das am 1. Jänner 1986 in Kraft getretene Bilanzrichtliniengesetz novelliert wurde und jetzt statt der früheren Worte "jährliche Bilanz" die Worte "Jahresabschluß" enthält, womit schon vom Wortlaut her jede andere Auslegung ausscheidet. Dies kann aber nicht bedeuten, daß nicht auch nach dem alten und in Österreich nach wie vor in Kraft stehenden Gesetzestext dasselbe gemeint war, nämlich die Bilanz im weiteren Sinn, bestehend aus der Bilanz im engeren Sinn und der Gewinn- und Verlustrechnung. Der erkennende Senat schließt sich der dargestellten herrschenden Auffassung an, wie sie auch schon wiederholt in der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vertreten wurde (SZ 57/92 = EvBl 1985/15 = NZ 1985, 210; SZ 57/146). Richtig ist zwar, daß Exekutionstitel im Zweifel zum Nachteil der betreibenden Partei eng auszulegen sind. Durch den Hinweis des Schiedsspruches, die Bilanzen seien zum Zwecke der Ausübung von Kontrollrechten des Kommanditisten zu übermitteln, ist aber unmißverständlich klargestellt, daß Gegenstand der im Exekutionstitel enthaltenen Leistungspflicht nicht nur die Bilanz im engeren Sinn, sondern die Bilanz im weiteren Sinn, nämlich der Jahresabschluß, ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 78 EO und die §§ 40, 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E12293

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00095.87.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19871028_OGH0002_0030OB00095_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten