Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann B***, Landwirt, Gamesreith 3, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagten Parteien
1.) Johann B*** jun., Landwirt, und 2.) Franz B***, Kraftfahrer, beide Gamesreith 3, beide vertreten durch Dr. Alfred Lukesch, Dr. Eduard Pranz und Dr. Oswin Lukesch, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 14. Juli 1987, GZ R 85/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 28. November 1986, GZ C 65/86-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.541,38 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 1.500,-- Barauslagen und S 549,22 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger und seine Ehefrau Margarethe B*** sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 202 KG St. Christophen mit dem Haus (Anwesen) Gamesreith 3. Die Beklagten sind die ehelichen Söhne des Klägers und der Margarethe B*** und wohnen auf dem elterlichen Anwesen. Beide Beklagte sind selbsterhaltungsfähig. Das Erstgericht gab dem auf Räumung des Anwesens gerichteten Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen arbeitet der im Jahre 1962 geborene Erstbeklagte im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern mit. Er wird aus den Erträgnissen der Landwirtschaft mitversorgt. Der im Jahre 1964 geborene Zweitbeklagte ist Kraftfahrer und verdient monatlich ca. S 11.000,--. Keiner der Beklagten bezahlt Kostgeld oder Miete. Das Verhältnis zwischen dem Kläger einerseits und seiner Ehefrau und den beiden Beklagten andererseits ist schlecht: Es kommt immer wieder zu "unschönen" bisweilen zu gewalttätigen Szenen. Margarethe B*** will, daß die beiden Söhne im Hause wohnen bleiben. Eine Vereinbarung, wie lange die Beklagten im elterlichen Haus wohnen können, besteht nicht. Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes benützten die Beklagten das elterliche Haus ohne Rechtsgrund. Der Beklagte sei daher als Miteigentümer berechtigt, gegen sie mit Räumungsklage vorzugehen. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Räumungsbegehrens ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig.
Das Berufungsgericht teilte zwar die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß ein Miteigentümer berechtigt sei, vom titellosen Benützer der gemeinschaftlichen Sache die Räumung zu verlangen. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes benützten jedoch die Beklagten das Haus ihrer Eltern nicht ohne Rechtsgrund. Seit Eintritt ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit (hinsichtlich des Erstbeklagten im Jahre 1981 mit Abschluß der landwirtschaftlichen Fachschule und Ableistung des Präsenzdienstes und hinsichtlich des Zweitbeklagten im Jahre 1983 mit Abschluß seiner Lehre) benützten die Beklagten das elterliche Haus "offenbar" aufgrund einer zumindest schlüssigen Zustimmung beider Elternteile. Der Kläger habe dadurch, daß er nach Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit der Beklagten das familienrechtliche Wohnverhältnis geduldet habe, diesem schlüssig zugestimmt. Er könne daher dieses Wohnverhältnis nicht ohne Zustimmung des anderen Hälfteeigentümers, seiner Ehefrau, auflösen. Nach den Grundsätzen über die Gemeinschaft des Eigentums habe bei Stimmengleichheit in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung, zu denen auch die Einbringung einer Räumungsklage gehöre, der Außerstreitrichter zu entscheiden, ob die Maßnahme zu treffen sei. Bis zur Entscheidung des Außerstreitrichters habe die von einem Hälfteeigentümer geforderte Maßnahme zu unterbleiben.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist berechtigt.
Wie schon die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, kann ein Hälfteeigentümer gleich einem Minderheitseigentümer unberechtigte Eingriffe in das Eigentumsrecht allein abwehren. Er ist daher auch ohne Zustimmung der übrigen zur Erhebung der Räumungsklage gegen einen titellosen Benützer der gemeinschaftlichen Sache berechtigt (MietSlg. 33.053 ua). Der Hälfteeigentümer hat auch einen Räumungsanspruch gegen denjenigen, der das Haus oder einzelne Räume benützt, sich aber nur auf die Zustimmung des anderen Hälfteeigentümers stützen kann (MietSlg. 37.039;
3 Ob 560, 561/87 ua).
Im vorliegenden Fall wurde eine ausdrückliche Vereinbarung über ein Wohnrecht der Beklagten im elterlichen Anwesen nicht getroffen. Nach dem Willen der Mutter sollen die Beklagten auch nach Eintritt ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit im elterlichen Haus wohnen bleiben. Entscheidende Bedeutung kommt daher, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, der Frage zu, ob der Kläger einem Wohnrecht der Beklagten, das auch schlüssig begründet werden konnte (vgl. MietSlg. 21.043), durch ein Verhalten, das den Konkludenzanforderungen des § 863 ABGB entspricht, zugestimmt hat. Die Beweislast hiefür trifft die Beklagten (vgl. MietSlg. 34.043). Eine konkludente Willenserklärung im Sinne des § 863 ABGB darf nur angenommen werden, wenn eine Handlung nach der Verkehrssitte, nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt. Gemäß § 863 Abs. 2 ABGB kommen als konkludente Handlungen auch Unterlassungen in Betracht. Doch darf dem Schweigen grundsätzlich kein Erklärungswert beigemessen werden (Koziol-Welser8 I 83 f mwN). Nur wenn besondere Umstände vorliegen, kann Stillschweigen als konkludente Zustimmung angesehen werden (JBl. 1974, 373; 1 Ob 657/82 ua).
Von diesen Grundsätzen ausgehend kann die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht geteilt werden, daß der Kläger schlüssig einem vertraglichen Benützungsrecht der Beklagten zugestimmt hätte. Dadurch, daß der Kläger nach Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit der Beklagten nicht eine Räumungsklage erhob und die Benützung des Anwesens durch die Beklagten stillschweigend hinnahm, wurde lediglich ein auf das familiäre Naheverhältnis zwischen den Beteiligten zurückzuführender tatsächlicher Zustand geschaffen. Für die schlüssige Einräumung eines Wohnungsrechtes hätte es einer jeden Zweifel ausschließenden Eindeutigkeit des Verhaltens des Klägers bedurft (vgl. MietSlg. 31.009, 21.043, 21.044). In Ansehung des Zweitbeklagten liegen überhaupt keine besonderen Umstände vor, aus denen auf eine Zustimmung des Klägers zur Begründung eines Benützungsrechtes geschlossen werden könnte. Es wurden konkrete Umstände in dieser Richtung auch nicht behauptet. Zugunsten des Erstbeklagten fällt lediglich der Umstand ins Gewicht, daß der Kläger die Mitarbeit des Erstbeklagten in der Landwirtschaft nicht untersagte und sie hinnahm und der Erstbeklagte für seine Mitarbeit offensichtlich kein Entgelt erhält. Bei beiden Beklagten läßt es aber die Tatsache, daß es zwischen ihnen und dem Kläger immer wieder zu "unschönen" Szenen und bisweilen sogar zu gewalttätigen Szenen kommt, nicht zu, dem Verhalten des Klägers einen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert beizumessen.
Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E13016European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00703.87.1221.000Dokumentnummer
JJT_19871221_OGH0002_0070OB00703_8700000_000