TE OGH 1988/2/9 4Ob512/88

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Veröffentlicht am 09.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Vormundschaftssache des mj. Oliver N***, geb. am 26. August 1980, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung als besonderer Sachwalter, infolge Revisionsrekurses des besonderen Sachwalters sowie der Wahleltern Johann und Natalie C***, Angestellter und Hausfrau, beide Fernitz, Buchkogelstraße 57, beide vertreten durch Dr. Barbara-Cecil Prasthofer, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 2. Dezember 1987, GZ R 2 419/87-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Oktober 1987, GZ 17 P 216/84-24, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung der Annahme des mj. Oliver N***, geb. 26. August 1980, an Kindesstatt durch seinen unehelichen Vater Johann C*** als Wahlvater und dessen Ehegattin Natalie C*** als Wahlmutter mit der Begründung ab, zwischen der am 3. April 1965 geborenen Wahlmutter und dem Wahlkind bestehe nur ein Altersunterschied von (etwa) fünfzehn Jahren. Wenn das Wahlkind ein leibliches Kind des Ehegatten des Annehmenden sei, genüge zwar gemäß § 180 Abs 2 Satz 2 ABGB ein Altersunterschied von sechszehn Jahren, doch dürfe dieser Altersunterschied - anders als jener von achtzehn Jahren (§ 180 Abs 2 Satz 1 ABGB) - auch nicht geringfügig unterschritten sein.

Das Rekursgericht gab den Rekursen der Wahleltern und der zum besonderen Sachwalter für das Wahlkind bestellten Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung nicht Folge.

§ 180 Abs 2 Satz 2 ABGB habe den für die Annahme an Kindesstatt notwendigen Altersunterschied in dem besonderen Fall, daß das Wahlkind ein leibliches Kind des Ehegatten des Annehmenden ist mit sechszehn Jahren festgesetzt, ohne auch für diese gegenüber dem Normalfall um zwei Jahre verkürzte Frist noch einmal die Ausnahme zu schaffen, daß eine geringfügige Unterschreitung dieses Zeitraumes unbeachtlich sei. Diese Auslegung werde durch die Materialien (RV 107 BlgNR 9. GP, 16) bestätigt, in denen betont wurde, daß bei einem Mindestaltersunterschied von sechszehn Jahren zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind die Möglichkeit einer weiteren, wenn auch nur geringfügigen Unterschreitung nicht bestehe. Diese Ansicht werde von der überwiegenden Rechtsprechung geteilt; die gegenteilige, in EFSlg 8.280 vertretene Rechtsansicht sei vereinzelt geblieben. Diese Regelung sei auch nicht unbillig, weil die Adoption das natürliche Eltern-Kind-Verhältnis nachahmen solle; mit dem Altersunterschied von sechszehn Jahren sei die Untergrenze für das natürliche Eltern-Kind-Verhältnis erreicht.

Die Annehmenden (Wahleltern) erheben gegen den Beschluß des Rekursgerichtes Revisionsrekurs wegen "Gesetzwidrigkeit", der für das Wahlkind bestellte besondere Sachwalter Revisionsrekurs wegen Nichtigkeit mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne der Bewilligung der Annahme an Kindesstatt abzuändern oder aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind unzulässig.

Gemäß § 180 Abs 2 ABGB müssen Wahlvater und Wahlmutter mindestens achtzehn Jahre älter als das Wahlkind sein; eine geringfügige Unterschreitung dieses Zeitraumes ist unbeachtlich, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind bereits eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht. Ist das Wahlkind ein leibliches Kind des Ehegatten des Annehmenden oder mit dem Annehmenden verwandt, so genügt ein Altersunterschied von sechszehn Jahren.

Diese Bestimmung kann verschieden ausgelegt werden: Sie kann dahin verstanden werden, daß eine geringfügige Unterschreitung des vom Gesetz festgelegten Altersunterschiedes sowohl bei der allgemeinen Untergrenze von achtzehn Jahren als auch bei der nur ausnahmsweise geltenden geringeren Untergrenze von sechszehn Jahren unbeachtlich ist. So hat der Oberste Gerichtshof die Bestimmung in der Entscheidung SZ 40/16 = EFSlg 8.280 verstanden und zu den gegenteiligen Ausführungen der oben zitierten RV ("Die Unterschreitung muß nach den Denkgesetzen wesentlich weniger als zwei Jahre betragen, weil es sonst nicht notwendig gewesen wäre, für die Fälle des dritten Satzes den Altersunterschied von sechszehn festzusetzen. In diesem Fall gibt es selbstverständig nicht die Möglichkeit einer weiteren, wenn auch nur geringfügigen Unterschreitung") den Standpunkt vertreten, daß ein Rechtssatz, der nur in den Materialien enthalten ist, nicht durch Auslegung Geltung erlangen könne und das kundgemachte Gesetz mit seinem Wortlaut über der Meinung der Redaktoren stehe. Pichler (in Rummel, ABGB Rz 2 zu § 180) hat sich der Meinung des Obersten Gerichtshofes angeschlossen. Die genannte Bestimmung kann aber auch mit den bereits zitierten Materialien - auch der AB 587 BlgNR 14. GP, 15 scheint für diese Auffassung zu sprechen - dahin verstanden werden, daß sich die Worte "eine geringfügige Unterschreitung dieses Zeitraumes ist unbeachtlich" nur auf den im § 180 Abs 1 Satz 1 ABGB festgesetzten Altersunterschied von achtzehn Jahren beziehen. Diese Ansicht wird auch von der in der EFSlg veröffentlichten rekursgerichtlichen Rechtsprechung vertreten (EFSlg 4.485, 6.638, 33.649/7, 38.433, 40.936; ebenso Ehrenzweig-Schwind, Familienrecht3 147). Diese in Lehre und Rechtsprechung divergierend gelöste Rechtsfrage kann auf Grund der hier erhobenen Rechtsmittel nicht überprüft werden, weil die zweite Instanz den Beschluß des Erstgerichtes bestätigt hat und daher ein Revisionsrekurs nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit und wegen Nullität zulässig ist. Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Da § 180 Abs 2 ABGB, wie oben dargestellt mehrere Auslegungen zuläßt, kann die angefochtene, offensichtlich auch mit der Meinung der Gesetzverfasser im Einklang stehende Entscheidung der zweiten Instanz nicht offenbar gesetzwidrig sein. Im Rechtsmittel der Kollisionskuratorin wird das Wesen des Rechtsmittel der Nichtigkeit verkannt. Dieser kann nur in einem Verfahrensverstoß (von besonderem Gewicht) oder ausnahmsweise in einem Mangel der Stoffsammlung bestehen, durch den Grundprinzipien des Kindeswohles mißachtet werden (EFSlg 44.694, 49.998 ua). Die unrichtige Auslegung einer Vorschrift des materiellen Rechtes ist hingegen kein Nichtigkeitsgrund.

Beide Revisionsrekurse sind daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E13188

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00512.88.0209.000

Dokumentnummer

JJT_19880209_OGH0002_0040OB00512_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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