TE OGH 1988/3/16 9ObA192/87

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Veröffentlicht am 16.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dkfm. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Martin S***, Angestellter, Klagenfurt, Fischlstraße 41, vertreten durch Dr. Hans Primus, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. B*** Warenhandelsgesellschaft mbH & Co KG, Klagenfurt, Völkermarkterstraße 99, 2. B*** Warenhandelsgesellschaft mbH, offene Gesellschafterin der B*** Warenhandelsgesellschaft mbH & Co KG, ebendort, vertreten durch Dr. Rainer Maria Kraft, Rechtsanwalt in Wien, wegen 135.985 S netto sA, infolge Revision der beklagten Parteien und Rekurses der klagenden Partei gegen das Urteil bzw. den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 1987, GZ 7 Ra 1046/87-19, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Klagenfurt vom 18. Dezember 1986, GZ 1 Cr 5/86-14 (31 Cga 96/87 des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes), teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision der beklagten Parteien und dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die erstbeklagte Partei beabsichtigte in Kärnten einen Gemüsegroßhandel aufzubauen. Aufgrund eines zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei - sie ist die Komplementärin der erstbeklagten Partei - abgeschlosssenen Dienstvertrages war der Kläger ab 1. Oktober 1985 bei der erstbeklagten Partei als Angestellter gegen ein Gehalt von 17.000 S netto monatlich beschäftigt. Seine Aufgabe war die Beschaffung sowie der Verkauf von Gemüse.

Die Lohnauszahlung an den Kläger erfolgte nicht regelmäßig und vollständig. Aus diesem Grund wollte der Kläger am 18. Dezember 1985 die Arbeiterkammer aufsuchen und sich beraten lassen. Er ersuchte den Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei Christian B*** fernmündlich um Dienstfreistellung für den Vormittag dieses Tages. B*** erteilte seine Zustimmung, ersuchte den Kläger jedoch, ihn vorher in den Betrieb zu bringen. Bei dieser Gelegenheit fragte B***, was der Kläger am Vormittag vorhabe, worauf ihm der Kläger mitteilte, daß er wegen einer Rechtsberatung die Arbeiterkammer aufsuchen werde. B*** drohte dem Kläger für diesen Fall die Suspendierung vom Dienst an und forderte ihn auf, sofort seiner Arbeit nachzugehen. Der Kläger war für die Arbeit nicht gekleidet und nahm die Arbeit nicht auf. Er fuhr zur Arbeiterkammer, nachdem er B*** versichert hatte, die Arbeit nach seiner Vorsprache sofort nachzuholen. Gegen Mittag telefonierte er mit B***, der ihm hiebei die Entlassung mitteilte.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 135.985 S netto sA an Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 19. Dezember 1985 bis 31. März 1986, ferner Sonderzahlungen sowie Urlaubsentschädigung für 28 Tage.

Das Erstgericht erkannte im Sinne dieses Klagebegehrens. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge, bestätigte das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich des Zuspruches einer Klageforderung von 82.100 S netto samt 4 % Zinsen seit 9. Jänner 1986 als Teilurteil und hob es im übrigen hinsichtlich eines Begehrens auf Zahlung eines Betrages von 53.885 S netto sA auf und verwies die Sache unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes in diesem Umfang an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung zurück. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß ein Entlassungsgrund nicht gegeben gewesen sei. Insgesamt stehe daher dem Kläger aus laufenden Monatsentgelten und Kündigungsentschädigung ein Betrag von 102.000 S für die Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 31. März 1986 zu. Unter Berücksichtigung der auf diese Forderung erbrachten Zahlungen von 19.900 S ergebe sich eine hieraus noch offene Forderung von 82.100 S, die das Erstgericht mit Recht zuerkannt habe. Eine Urlaubsentschädigung stehe jedoch nur zu, wenn das Dienstverhältnis nach Ablauf der Wartefrist (§ 2 Abs 2 UrlG) ende. Auch unter Hinzurechnung der fiktiven Kündigungsfrist sei jedoch ein Urlaubsanspruch nicht entstanden. Der Kläger habe daher nur Anspruch auf Urlaubsabfindung. Da jedoch, ausgehend von der Nettolohnvereinbarung, die Ermittlung der Sonderzahlungen und der Urlaubsabfindung nicht nachvollziehbar sei, erweise sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Beweiswürdigung ist in dritter Instanz nicht überprüfbar. Auf die Ausführungen, mit denen die Revisionswerber die Richtigkeit der Feststellungen bekämpfen, ist daher nicht einzugehen. Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß der Geschäftsführer der beklagten Parteien dem Kläger die Zustimmung für die Dienstfreistellung für den Vormittag des 18. Dezember 1985 erteilt hatte. Daß unaufschiebbare Verrichtungen, deren Dringlichkeit erst nach der Genehmigung der Dienstfreistellung offenbar geworden wären, zu besorgen waren, haben die beklagten Parteien nicht behauptet; im Verfahren hat sich auch kein Hinweis in dieser Richtung ergeben. Das Verlassen des Arbeitsplatzes durch den Kläger, der zu diesem Zeitpunkt bereits unbeglichene Gehaltsforderungen in beträchtlicher Höhe gegen die beklagte Partei hatte, um in diesem Zusammenhang die Beratung seiner Interessenvertretung in Anspruch zu nehmen, rechtfertigt daher nicht seine Entlassung.

Gegen den Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, ihn aufzuheben und dem Berufungsgericht eine Sachentscheidung aufzutragen.

Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber vertritt die Ansicht, daß nach der Dauer der zurückgelegten Dienstzeit unter Einbeziehung auch der fiktiven Kündigungsfrist die Wartezeit des § 2 Abs 2 UrlG erfüllt sei und daher entgegen der Meinung des Rekursgerichtes Anspruch auf Urlaubsentschädigung bestehe.

Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden. Voraussetzung für den Anspruch auf Urlaubsentschädigung ist gemäß § 9 UrlG, daß das Arbeitsverhältnis nach Entstehen des Urlaubsanspruches, jedoch vor Verbrauch des Urlaubes, endet. Der Anspruch auf Urlaubsentschädigung hat einen im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestehenden offenen Urlaubsanspruch zur Voraussetzung (Arb. 10.409 = RdW 1985, 117 = JBl 1986, 64 ua). Ein ungerechtfertigt entlassener Arbeitnehmer ist nach § 9 UrlG und § 29 AngG so zu behandeln, als ob er gesetzmäßig gekündigt worden wäre; dies führt dazu, daß auch erst ein während der fiktiven Kündigungsfrist entstandener Urlaubsanspruch voll zu entschädigen ist (Arb. 9.871, DRdA 1983, 373; 4 Ob 124/83). Ob diese Voraussetzung zutrifft, ist unter Zugrundelegung des § 2 Abs 2 UrlG zu prüfen. Nur wenn bei Berücksichtigung auch der fiktiven Kündigungsfrist unter Anlegung dieser Norm ein Urlaubsanspruch entstanden wäre, wäre das Begehren auf Urlaubsentschädigung berechtigt. Dies trifft jedoch hier nicht zu. Gemäß § 2 Abs 2 UrlG entsteht der Anspruch im ersten Arbeitsjahr nach Zurücklegung einer ununterbrochenen Dienstzeit von 6 Monaten. Die Zurücklegung der Wartefrist ist daher Voraussetzung für den Urlaubsanspruch, und vor ihrem gänzlichen Verstreichen kann ein Urlaubsanspruch nicht entstehen. Damit wird aber der Anspruch auf Urlaub erst mit Beginn des 7. Monates der Dienstzeit erworben, sohin am 1. Tag des 2. Halbjahres. Hat das Dienstverhältnis insgesamt nur 6 Monate gedauert und endet zum selben Zeitpunkt auch die Wartefrist, so fällt ein Urlaubsanspruch nicht an.

Zutreffend ist daher das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Urlaubsentschädigung nicht bestehen. Da das Berufungsgericht auf der Grundlage dieser zutreffenden Rechtsansicht den Sachverhalt für weiter aufklärungsbedürftig hielt, unterliegt dies nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht.

Dem Rekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E13868

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00192.87.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19880316_OGH0002_009OBA00192_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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