TE OGH 1988/7/13 3Ob2/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr, Hule, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A*** Treuhandgesellschaft mbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Wien 1, Wipplingerstraße 34, vertreten durch Dr. Gerhard Zanier, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die verpflichtete Partei Konrad W***, Kaufmann, St. Swithins, Crocker End, Nettlebed, RG 9 5 BL Oxon, Großbritannien, vertreten durch Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen 379.020,38 S sA, infolge Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 25.August 1987, GZ 1 a R 376/87-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 20.Mai 1987, E 6425/86-24, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Verpflichtete hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der betreibenden Partei wurde am 22.September 1986 zur Hereinbringung der Forderung von 379.020,38 sA gegen den Verpflichteten die Fahrnisexekution und die Exekution durch Pfändung des vom Verpflichteten an einem näher bezeichneten Standort betriebenen "Einzelhandels mit Antiquitäten, Gewerbeberechtigung vom 20. Dezember 1963, II-1128/4 laufende Nummer 390/G-63 des Gewerberegisters der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel und der demselben zugrundeliegenden Konzession" bewilligt. An den Verpflichteten wurde das Gebot erlassen, sich jeder Verfügung über seinen "Einzelhandel" und die ihm zugrundeliegende "Konzession" zu enthalten und es wurde ihm insbesondere die Zurücklegung der "Konzession" untersagt. Die Exekutionsbewilligung wurde am 24. Oktober 1986 der Ehefrau des Verpflichteten als Ersatzempfängerin am Standort des Gewerbes ausgefolgt.

Die betreibende Partei beantragte in der Folge am 17. November 1986 die Verwertung des gepfändeten Rechtes durch Verpachtung und legte den Entwurf von Pachtbedingungen vor. Vor der Entscheidung über den Antrag teilte die für den Verpflichteten zuständige Gewerbebehörde dem Erstgericht mit, daß die von der Exekutionsbewilligung betroffene Gewerbeberechtigung im Gewerberegister mit Wirksamkeit vom 20.Jänner 1987 gelöscht worden sei.

Das Erstgericht stellte hierauf die Exekution durch Pfändung des "Einzelhandels" gemäß § 39 Abs. 1 Z 2 und 8 EO im wesentlichen mit der Begründung ein, daß eine Verwertung des gepfändeten Rechtes nicht mehr möglich sei, weil der Verpflichtete die Gewerbeberechtigung zurückgelegt habe.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß des Erstgerichtes infolge des Rekurses der betreibenden Partei mit Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es sei nicht nur die Gewerbeberechtigung, sondern das Unternehmen des Verpflichteten gepfändet worden. Daher müsse geklärt werden, ob im Rahmen des Unternehmens noch ein verwertbares Vermögen vorhanden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Verpflichteten gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Gegenstand der Exekution nach § 341 EO ist das Unternehmen und nicht bloß die Gewerbeberechtigung. Dem entspricht hier auch die Exekutionsbewilligung, mit der die Pfändung des "Einzelhandels mit Antiquitäten" bewilligt wurde, den der Verpflichtete nach den Behauptungen der betreibenden Partei an dem im Exekutionsantrag angegebenen Standort betreibt. Daß auch die diesem Unternehmen zugrundeliegende Gewerbeberechtigung im Exekutionsantrag und in der Exekutionsbewilligung näher bezeichnet wurde, ändert daran nichts. Unter einem Unternehmen wird nach herrschender Lehre und Rechtsprechung eine selbständige, organisierte Erwerbsgelegenheit verstanden. Es bildet eine Gesamtsache und es gehören dazu körperliche Sachen (wie Liegenschaften, Einrichtungsgegenstände, Maschinen, Warenvorräte), Rechte (wie Mietrechte, Rechte aus Lieferverträgen, Geldforderungen, Patente, Urheberrechte) und wirtschaftliche Chancen (wie die Lage, der Ruf, der Kundenstock, die Geschäftserfahrung), wobei nicht alle diese Güter vorhanden sein müssen, es aber wesentlich ist, daß sie durch eine einheitliche Organisation und Leitung zu einem organischen Ganzen vereinigt sind (vgl. aus dem jüngeren Schrifttum Heller-Berger-Stix III 2418 f;

Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 I 147 f; Koziol-Welser7 II 15;

Straube in Straube, HGB, Rz 26 vor § 1 je mwN; JBl. 1958, 72;

MietSlg. 19.567; EvBl. 1976/255; EvBl. 1976/256; JBl. 1986 118 ua). Solange ein Unternehmen in dem dargestellten Sinn besteht, ist es möglich, darauf gemäß § 341 EO Exekution zu führen. Dem steht nicht entgegen, daß der Inhaber der Gewerbeberechtigung, auf Grund der das Unternehmen geführt wird, das Ruhen der Gewerbeausübung angezeigt (s. § 93 GewO) oder diese sogar zurückgelegt hat. Beides mag ein Indiz dafür sein, daß ein Unternehmen in dem dargestellten Sinn nicht mehr vorhanden ist. Es hindert aber weder die Pfändung noch die Verwertung des Unternehmens, weil die Gewerbeberechtigung nur einen Teil des Unternehmens bildet. Dabei ist überdies nicht wesentlich, daß sie demjenigen erteilt wurde, der als Eigentümer des Unternehmens anzusehen ist (SZ 23/75).

Die Gewerbeordnung enthält zwar in den §§ 41, 45 und 86 Bestimmungen, welche die Exekution eines auf Grund einer Gewerbeberechtigung geführten Unternehmens betreffen. Danach muß der vom Gericht bestellte Zwangsverwalter oder Zwangspächter keine eigene Gewerbeberechtigung haben, sondern er darf den Gewerbebetrieb auf Grund der vom Verpflichteten erstatteten Gewerbeanmeldung oder der dem Verpflichteten erteilten Konzession fortführen und hat also das Fortbetriebsrecht (§ 41 Abs. 1 Z 5 GewO). Der Umstand, daß die GewO für die Zwangsverwaltung und Zwangsverpachtung ein Fortbetriebsrecht vorsieht, bedeutet aber nicht, daß das gepfändete Unternehmen nicht mehr verwertbar ist, wenn ein Fortbetriebsrecht nicht entstehen kann, weil das Unternehmen auf Grund der Gewerbeberechtigung einer vom Verpflichteten verschiedenen Person geführt wird oder weil die Gewerbeberechtigung des Verpflichteten erloschen ist. Wird das Unternehmen auf Grund der Gewerbeberechtigung eines anderen als des Verpflichteten geführt, kommt sowohl die Zwangsverwaltung als auch die Zwangsverpachtung in Betracht; ist die erforderliche Gewerbeberechtigung überhaupt nicht vorhanden, ist nur die Zwangsverpachtung möglich. In diesem Fall dürfen bei der gemäß § 340 Abs. 2 EO durchzuführenden Versteigerung allerdings nur solche Personen als Bieter zugelassen werden und es darf nur solchen Personen der Zuschlag erteilt werden, die Inhaber einer entsprechenden Gewerbeberechtigung sind. Dadurch wird zwar möglicherweise der Kreis der Bieter eingeschränkt. Die Interessen des Verpflichteten bleiben aber gewahrt, weil gemäß § 340 Abs. 2 iVm § 275 Abs. 2 EO der Pachtwert des Unternehmens zu schätzen und in den Pachtbedingungen als Ausrufspreis anzugeben ist (Heller-Berger-Stix III 2411). Dieser Gedankengang kommt schon in der Entscheidung JBl. 1931, 532 zum Ausdruck. Danach kann die Zwangsverpachtung eines gewerblichen Unternehmens ohne Rücksicht darauf bewilligt werden, ob die dem Gewerbe zugrundeliegende Konzession gepfändet wurde.

Den Gegenstand der Exekution bildet das im Exekutionsantrag und in der Folge in der Exekutionsbewilligung näher beschriebene Unternehmen. Ähnlich wie bei der Exekution auf körperliche Sachen ist im Exekutionsverfahren nicht zu prüfen, ob der Verpflichtete Eigentümer des Unternehmens ist. Es reicht aus, wenn er in einem Naheverhältnis zu dem Unternehmen steht, das der Gewahrsame bei körperlichen Sachen entspricht. Dieses Naheverhältnis kann etwa gegeben sein, wenn das Unternehmen auf Grund einer Gewerbeberechtigung des Verpflichteten oder in einem in seinem Eigentum stehenden oder von ihm gemieteten Geschäftslokal betrieben wird, wobei es ausreicht, daß einzelne dieser Voraussetzungen erfüllt sind. Es steht also insbesondere der Umstand, daß dem Betrieb des Unternehmens nicht die Gewerbeberechtigung des Verpflichteten zugrundeliegt, für sich allein der Exekutionsführung nicht entgegen. Wenn ein Dritter Eigentümer des Unternehmens ist, muß er gemäß § 37 EO mit Klage gegen die Exekution Widerspruch erheben.

Das Rekursgericht erkannte daher richtig, daß die Exekution nicht allein deshalb eingestellt werden darf, weil die Gewerbeberechtigung des Verpflichteten erloschen ist. Die im angefochtenen Beschluß enthaltenen Ausführungen sind allerdings mißverständlich, soweit dem Erstgericht aufgetragen wurde, zu prüfen, ob im Rahmen des gepfändeten Unternehmens noch ein verwertbares Vermögen vorhanden ist. Der Verpflichtete weist in seinem Rekurs mit Recht daraufhin hin, daß auf Grund einer Exekutionsbewilligung nach den §§ 31 ff EO die zu einem Unternehmen gehörenden Sachen nicht gesondert verwertet werden dürfen. Hier ist deshalb nicht allein zu prüfen, ob sich solche Sachen noch am Standort des Gewerbes befinden. Es sind vielmehr Feststellungen erforderlich, welche die Beurteilung der Frage ermöglichen, ob sich an dem in der Exekutionsbewilligung genannten Standort im Sinn der vorstehenden Ausführungen ein Unternehmen befindet, das den Einzelhandel mit Antiquitäten zum Gegenstand hat und zu dem der Verpflichtete in einem Naheverhältnis steht.

Zu all dem kommt noch, daß gar nicht feststeht, ob der Verpflichtete die Gewerbeberechtigung wirksam zurückgelegt hat. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Slg. 7250/A; Zl. 372/75, auszugsweise wiedergegeben in Mache-Kinscher, GewO5 335 f) ist nämlich die während des Bestandes des gerichtlichen Verfügungsverbotes bei der Gewerbebehörde eingelangte Anzeige über die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung gewerberechtlich unwirksam. Diese Rechtsprechung betraf allerdings noch die Rechtslage nach der GewO 1859, die sich von der geltenden GewO insofern unterschied, als es nunmehr im § 86 Abs. 3 heißt, daß die Anzeige über die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung durch den Gewerbeinhaber das etwaige Fortbetriebsrecht des Zwangsverwalters oder des Zwangspächters nicht berührt. Nach § 45 GewO entsteht das Fortbetriebsrecht des Zwangsverwalters allerdings erst mit der Bestellung durch das Gericht und jenes des Zwangspächters erst mit dem Beginn des Pachtverhältnisses. Dennoch beläßt es aber auch die neue Rechtslage der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weiterhin Gültigkeit (so anscheinend Mache-Kinscher aaO), was bedeuten könnte, daß die vor Entstehen des Fortbetriebsrechtes, jedoch nach Wirksamkeit des gerichtlichen Verfügungsverbotes erklärte Zurücklegung der Gewerbeberechtigung zunächst gewerberechtlich unwirksam ist und allenfalls erst mit dem Entstehen des Fortbetriebsrechtes wirksam wird. In diesem Fall würde die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung aber das Entstehen und die Ausübung des Fortbetriebsrechtes nicht hindern. Auch dies wird das Erstgericht vor der Entscheidung über die Einstellung zu prüfen haben, wobei besonders die Einschaltung der Gewerbebehörde in Betracht kommen wird.

Zweifelhaft ist schließlich noch, ob die Exekutionsbewilligung dem Verpflichteten schon wirksam zugestellt wurde. Auch hierüber wird das Erstgericht gegebenenfalls Erhebungen durchzuführen haben. Der Ausspruch über die Rekurskosten beruht auf § 78 EO iVm §§ 40 und 50 ZPO.

Anmerkung

E14850

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00002.88.0713.000

Dokumentnummer

JJT_19880713_OGH0002_0030OB00002_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten