TE OGH 1988/10/25 2Ob121/88

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Veröffentlicht am 25.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferdinand F***, Werksführer, 8761 Pöls, Grillparzerstraße 17, vertreten durch Dr. Günther Frizberg, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei R*** Ö*** (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 137.000,- s.A., infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11. Juli 1988, GZ 4 b R 65/88-28, womit das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 30. März 1988, GZ 7 Cg 98/87-22, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 17. März 1985 gegen 18 Uhr kam der vom Kläger gehaltene und von dessen Sohn Christian F*** gelenkte PKW BMW 520i von der vereisten Fahrbahn der B 96 im Gemeindegebiet von Unzmarkt-Frauenburg ins Schleudern, stürzte über eine Böschung und wurde total beschädigt, wobei die Differenz zwischen dem Zeitwert des Fahrzeuges und dem erzielten Wrackpreis S 95.000,- betrug. Mit seiner am 20. März 1987 eingebrachten Klage begehrte der Kläger den Ersatz seines mit S 137.000,- bezifferten Sachschadens im wesentlichen mit der Begründung, daß die Streuung der vereisten Fahrbahn grob fahrlässig unterlassen worden sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Organe der Bundesstraßenverwaltung hätten alles ihnen Zumutbare für die Bestreuung der Straße einschließlich der Unfallsstelle unternommen. Entsprechend den Witterungsverhältnissen hätten sie den Bereich der Unfallsstelle kurz nach 3 Uhr vom Schnee geräumt, anschließend mit Salz bestreut und um ca. 15,30 Uhr nochmals mit einem Salz-Splitt-Gemisch bestreut. Die Fahrbahnglätte sei nur örtlich auf den Unfallsbereich beschränkt aufgetreten, mit einer den Witterungsverhältnissen entsprechenden Fahrweise hätten dort die anderen Verkehrsteilnehmer problemlos die Straße benützen können. Der Unfall sei allein auf das fehlerhafte Fahrverhalten des Fahrzeuglenkers zurückzuführen.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 95.000,- s.A. zu und wies das Mehrbegehren von S 42.000,- s.A. ab, wobei es zusammengefaßt von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging:

Im Unfallsbereich ist die Bundesstraße in einer Breite von 6,7 m asphaltiert und bildet (in Fahrtrichtung des Fahrzeuges des Klägers) nach einer flachen Kurvenkombination eine Rechtskurve von 100 m Radius, an die ein gerades Straßenstück von 200 m Länge anschließt. Sie verläuft als Freilandstraße ohne Verkehrsbeschränkungen und ohne auf das Unfallsgeschehen bezügliche Verkehrszeichen. An der Kurve ist die Fahrbahn nur durch eine Leitschiene und Ufergebüsch vom Murfluß getrennt. Schon am Tag vor dem Unfall hatte im Raum Unzmarkt Schneefall eingesetzt, der mit Unterbrechungen mehrerer Tage dauerte. So lag am Nachmittag des Unfallstags bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und knapp darunter im ungeräumten Gelände 5 bis 10 cm Neuschnee. Zur Unfallszeit selbst herrschte bis 5 km vor der Unfallsstelle Schneefall. Danach war die Fahrbahn schneebedeckt und teilweise vereist, im Bereich der Unfallsstelle bis 1,5 km danach war sie stark vereist. Der 19-jährige Gymnasiast Christian F***, der seinen Führerschein 1 1/1 Jahre besaß und ca. 20.000 km Fahrerfahrung mit dem PKW seines Vaters hatte, lenkte den mit 4 Personen besetzten PKW, an dem vier Matsch- und Schneereifen von ca. 10.000 km Laufleistung in gutem Zustand montiert waren. Er fuhr in einer aufgelösten Kolonne mit der angesichts der verwendeten Reifen nicht überhöhten Geschwindigkeit von 60 km/h. Im Zuge leichten Gasgebens am Ende der erwähnten Rechtskurve brach die Hinterachse des Fahrzeuges aus, dieses geriet ins Schleudern und konnte durch das vorgenommene Verzögern nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden, so daß es nach 70 m von der Fahrbahn abkam und über die Böschung rollte. Der Schleudervorgang hätte nur durch ein langsames und gezieltes Gasgeben im Zusammenhang mit Gegenlenken abgefangen werden können, er wäre jedoch gar nicht eingetreten, wenn die Fahrbahn zur Unfallszeit mit Streusplitt bestreut gewesen wäre. Mit der Räumung der Unfallsstelle ist die Straßenmeisterei Unzmarkt betraut, die insgesamt ca. 40 km Bundesstraßen und 20 km Landesstraßen zu betreuen hat, wobei die Bundesstraßen nach einer internen Dienstanweisung vorrangig zu behandeln sind. Am Unfallstag wurden in der um 3 Uhr morgens beginnenden Frühschicht bis zu Rückkehr des Streufahrzeugs um 14 Uhr 377 km zurückgelegt. Die Nachmittagsschicht begann um 14,40 Uhr mit dem Streuen von Salz und Splitt, wobei die Unfallsstelle von 15 Uhr bis zum Unfall nicht mehr bestreut wurde. Daher trat im Unfallsbereich durch den Schneefall, den Verkehr, der das Streugut in den Schnee einwalzte und wirkungslos machte (zur Unfallszeit waren keine Streuspuren mehr auf der Fahrbahn feststellbar) und durch die niedrigen Temperaturen völlige Vereisung ein. Um dies zu verhindern, hätte die Fahrbahn in Abhängigkeit von der Intensität des Schneefalls laufend vom Schnee geräumt und mit Streugut bestreut werden müssen. Infolge der Fahrbahnglätte ereigneten sich kurz vor und nach dem vorliegenden Unfall im Bereich der Unfallsstelle noch weitere Unfälle. Dort wurde dann um ca. 18,15 Uhr eine Schneeräumung und Streuung durchgeführt. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, ausgehend von § 1319 a ABGB sei das Unterlassen einer weiteren Streuung am Nachmittag als grob fahrlässig zu beurteilen, demgegenüber das Fehlverhalten des Kraftfahrzeuglenkers, der das Fahrzeug nur durch ein überdurchschnittliches fahrerisches Können hätte unter Kontrolle bringen können, nicht ins Gewicht falle, so daß keine Schadensteilung vorzunehmen sei.

Infolge Berufung der Beklagten hob das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes, das in seinem abweisenden Teil unbekämpft geblieben war, im übrigen unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf. Das Berufungsgericht führte aus, bei der Anwendung des § 1319 a ABGB auf den vorliegenden Fall sei zunächst der Umfang der Streupflicht des Straßenerhalters nach den Kriterien der Verkehrsbedürfnisse und der Zumutbarkeit zu ermitteln. Erst wenn sich dann herausstelle, daß der Wegehalter die zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen nicht getroffen habe, sei zu prüfen, ob er oder seine Leute grob fahrlässig gehandelt hätten. Das Erstgericht habe nun zwar in seiner rechtlichen Beurteilung die Kriterien der Verkehrsbedürfnisse und der Zumutbarkeit angeführt, jedoch zu deren Beurteilung, insbesondere der Zumutbarkeit, nicht ausreichende Feststellungen getroffen. Da hier nur unfallskausale Streupflichtverletzungen relevant seien, wäre festzustellen gewesen, welcher Aufwand (Sachmittel- und Personaleinsatz) notwendig gewesen wäre, um alle von der Straßenmeisterei Unzmarkt zu betreuenden Straßenflächen von mindestens der gleichen Verkehrsbedeutung wie die Unfallsstelle bei bevorzugter Betreuung erkennbar besonders gefährlicher Stellen während des ganzen Zeitraums mindestens gleicher witterungsbedingter Fahrbahnglätte (somit etwa über den ganzen Unfallstag) ausreichend bestreut zu halten (= derart, daß sorgfältige Fahrer den Gefahren leicht begegnen können). Erst durch diesen Sollaufwand wäre gewährleistet gewesen, daß ein Unfall von der Art des vorliegenden (zeitlich, örtlich und der Art nach) nicht geschehen wäre. Durch den Vergleich dieses der Größenordnung nach festzustellenden Aufwands (wieviele Räum- bzw. Streufahrzeuge mit wievielen Personen hätten eingesetzt werden müssen) mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln hätten beurteilt werden können, ob der geforderte Aufwand für die Straßenmeisterei Unzmarkt überhaupt möglich und (objektiv) zumutbar war, wobei sich die Beurteilung der Zumutbarkeit "am Verkehrskreis" der Straßenmeistereien als der für die Straßenbetreuung eingerichteten Organisationseinheiten orientieren könnte. Wäre nun der erforderliche Aufwand der Straßenmeisterei Unzmarkt möglich und zumutbar gewesen, so wäre erst dann zu prüfen, ob die Unterlassung der erforderlichen Maßnahmen auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Wäre der Aufwand hingegen nicht möglich oder unzumutbar gewesen, so käme nur ein Organisationsverschulden der Beklagten in Betracht, indem deren Organe die für die Straßenerhaltung im Bereich Unzmarkt eingerichtete Verwaltungseinheit "Straßenmeisterei Unzmarkt" verschuldetermaßen unzureichend ausgestattet hätten. Ein auf einen derartigen Organisationsmangel zielendes Vorbringen sei allerdings nicht erstattet worden. Zusammenfassend sei jedenfalls der Berufungswerberin darin beizupflichten, daß die angefochtene Entscheidung in der Frage der Zumutbarkeit der erforderlichen Straßensicherungsmaßnahmen einen Mangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO aufweise, so daß die Entscheidung im Umfang der Anfechtung aufzuheben gewesen sei. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren - noch vor dem Eingehen auf die im Urteil ohnehin ausführlich behandelte Frage der groben Fahrlässigkeit - zu prüfen haben, ob ein Unfälle von der Art des vorliegenden verhindernder Räum- und Streuaufwand mit einem vernünftigen Verhältnis von Aufwand und Ergebnis der Straßenmeisterei Unzmarkt zumutbar war, und dabei von den oben angestellten Überlegungen ausgehen können. Es werde die zur Beurteilung dieser Frage erforderlichen Feststellungen treffen müssen,

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wieviele und welche Fahrzeuge und Personen der Größenordnung nach notwendig gewesen wären,

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über welche Mittel diesbezüglich die Straßenmeisterei Unzmarkt verfügte und

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wie sie im Vergleich zu anderen Straßenmeistereien ausgestattet war.

Zur Beweislastverteilung sei darauf zu verweisen, daß der geschädigte Kläger das Vorliegen eines extremen Sorgfaltsverstoßes beweisen müsse, wofür die objektive Zumutbarkeit ein Maß abgebe, so daß Zweifel in der Frage der Zumutbarkeit zu Lasten des Klägers gingen. Zu berücksichtigen sei allerdings, daß dem Bund als Wegeerhalter schon von vornherein ein sehr hohes Maß an Sorgfalt und damit zumutbarem Aufwand auferlegt sei.

Da die vorliegende Entscheidung von der Frage der Zumutbarkeit von Streumaßnahmen eines Straßenerhalters sowie von der Art und dem Ausmaß der dazu vom Gericht vorzunehmenden Prüfungen abhänge und dieser Rechtsfrage für die Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme, sei auch ein Rechtskraftvorbehalt auszusprechen gewesen. Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes, allenfalls Entscheidung in der Sache selbst im Sinne des Zuspruches eines Betrages von S 95.000,- s.A. an den Kläger; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittel hat das Revisionsgericht erwogen:

Gemäß § 519 Abs 2 ZPO darf das Berufungsgericht einen Rechtskraftvorbehalt nach Abs 1 Z 3 nur aussprechen, wenn der Rekurs nicht schon nach § 528 Abs 1 unstatthaft ist und es die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 für gegeben erachtet. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtskraftvorbehaltes nach § 519 Abs 1 Z 3 ZPO damit begründet, daß die vorliegende Entscheidung von der Frage der Zumutbarkeit von Streumaßnahmen eines Straßenerhalters sowie von der Art und dem Ausmaß der dazu vom Gericht vorzunehmenden Prüfungen abhänge und dieser Rechtsfrage für die Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme. Der Rekurs gegen einen unter Rechtskraftvorbehalt gefaßten Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes im Sinne

des § 519 Abs 1 Z 3 ZPO ist in beiden Fällen des § 502 Abs 4 ZPO zulässig. § 508 a Abs 1 ZPO gilt sinngemäß auch im Rekursverfahren über einen derartigen Aufhebungsbeschluß. Die dem Rechtskraftvorbehalt zugrundegelegte Ansicht des Berufungsgerichtes über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist für den Obersten Gerichtshof nicht bindend. Für den Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß gilt kraft Größenschlusses ebenfalls die Beschränkung der Anfechtungsgründe im Sinne des § 503 Abs 2 ZPO (siehe dazu Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1884; Petrasch in ÖJZ 1983, 203; 8 Ob 17/87 u.a.). Durch die in der ZVN 1983 getroffenen Regelungen ist somit der Rekurs gegen Aufhebungsbeschlüsse des Berufungsgerichtes mit Rechtskraftvorbehalt weitgehend der Revision angeglichen worden (Fasching aaO Rz 1983). Im vorliegenden Fall ergibt die Prüfung der Rechtsmittelzulässigkeit, daß es an der für ihre Bejahung erforderlichen Voraussetzung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO mangelt, weil die Entscheidung nicht von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen zur Wahrung der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.

Zur Frage, wann eine derart erhebliche Rechtsfrage vorliegt, führt der Bericht des Justizausschusses zur ZVN 1983/1337 BlgNR 15.GP 19) aus, daß durch die Bestimmung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sichergestellt werden sollte, "daß der Oberste Gerichtshof grundsätzlich nur mit wichtigen, zumindest potentiell für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bedeutsamen Rechtsfragen befaßt wird, um seiner Leitfunktion besser gerecht werden zu können".

Die für die Rechtsmittelzulässigkeit im Zulassungsbereich maßgebliche Erheblichkeit der Rechtsfragen bestimmt sich nach objektiven Umständen. Hat das Berufungsgericht im Sinne einer einheitlichen und von der Lehre anerkannten Rechtsprechung entschieden, dann kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nur mit neuen bedeutsamen Argumenten begründet werden (Ausschußbericht aaO). Allerdings ist auch in einem singulären, in seiner Tragweite über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Streitteile nicht hinausgehenden Fall zur Wahrung der Rechtssicherheit der Einzelfallgerechtigkeit insoweit Rechnung zu tragen, als das Rechtsmittel dann für zulässig zu erachten ist, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichtes auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage beruht (2 Ob 77/88 u.a.). Das Berufungsgericht ist in seiner Entscheidung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt, wonach sich der Umfang der in den Rahmen der Instandhaltungspflicht des Straßenhalters fallenden Streupflicht nach dem Verkehrsbedürfnis und der Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen richtet. Dabei dürfen an die Streupflicht keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden, weil ansonsten Unzumutbares vom Straßenhalter verlangt würde (vgl. ZVR 1979/316, ZVR 1983/14, ZVR 1987/79 u.a.). Die Prüfung des Vorliegens der groben Fahrlässigkeit sei erst dann erforderlich, wenn sich herausstelle, daß der Wegehalter die ihm zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen nicht getroffen habe. Auch in der Frage eines allfälligen Organisationsverschuldens der Beklagten ist das Berufungsgericht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt (vgl ZVR 1987/79 u.a.). Diese Auffassung wird im Rekurs auch gar nicht bekämpft; der Kläger versucht vielmehr in seinem Rechtsmittel darzutun, daß nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles den verantwortlichen Straßenorganen mehrfache Fahrlässigkeitskomponenten anzulasten seien, die zusammen die Annahme grober Fahrlässigkeit objektivierten, nähmlich das Wissenmüssen der besonderen Unfall- und Gefahrenstelle, die starke Frequenz durch den Schiurlauberrückreiseverkehr und damit Vertragen des Streugutes und Nichtbeachtung der Belehrungen und Dienstanweisungen, aber auch logischer Denkgesetze, daß zumindestens im unmittelbaren Unfallsbereich, der nahe der Straßenmeisterei gelegen war, am Nachmittag mehrmaliges Bestreuen erforderlich gewesen wäre, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Die zweimalige Bestreuung, und zwar um 3 Uhr früh und dann 12 Stunden später noch einmal um 14 Uhr 40 sei auch für den Laien erkennbar nicht genügend gewesen und bedinge bei eingeschulten und belehrten Straßenaufsichtsorganen grobe Fahrlässigkeit. Die Organe der Straßenaufsicht hätten sich laufend über die ordnungsgemäße Betreuung - Bestreuung vereister Straßenstellen - zu vergewissern. Die erforderlichen Feststellungen für die rechtliche Beurteilung habe das Erstgericht getroffen, die von der Rechtsmittelinstanz verlangten ergänzenden Feststellungen ergäben sich denkfolgerichtig aus den getroffenen Feststellungen und bedürften für die rechtliche Beurteilung der Zumutbarkeit und groben Fahrlässigkeit keiner Ergänzung.

Die Frage, ob bei Anwendung der oben dargelegten Grundsätze der Straßenmeisterei Unzmarkt nach den Kriterien der Verkehrsbedürfnisse und der Zumutbarkeit eine unfallskausale Verletzung der Streupflicht überhaupt anzulasten ist und bejahendenfalls, ob diese Streupflichtverletzung grobe Fahrlässigkeit begründet, ist ausschließlich nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles zu beurteilen und kann nach den oben dargelegten Kriterien nicht als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO angesehen werden, zumal die Entscheidung des Berufungsgerichtes auch auf keiner wesentlichen Verkennung der Rechtslage beruht. Auch im Rekurs des Beklagten wird die unrichtige Lösung von Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht aufgezeigt. Der Oberste Gerichtshof hat bei Entscheidungen über Revisionen im Zulassungsbereich bereits mehrfach ausgesprochen, daß in derartigen Rechtsmitteln nur Rechtsfragen des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO geltend gemacht werden dürfen. Werden im Rechtsmittel keine solchen Rechtsfragen aufgeworfen, dann ist das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig im Sinne des § 503 Abs 2 ZPO ausgeführt und damit zurückzuweisen. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß in ähnlicher Weise gemäß § 502 Abs 4 ZPO in der Fassung vor der ZVN 1983 die Revision in Kündigungsstreitigkeiten lediglich aus dem im § 503 Abs 4 ZPO (alte Fassung) bezeichneten Grund und nur dann zulässig war, wenn sie im Urteil des Berufungsgerichtes für zulässig erklärt worden war. Lehre und Rechtsprechung (Fasching Kommentar IV 286 und ErgBd. 104 f; MietSlg 28.611 u.a.) haben dazu die Auffassung vertreten, daß selbst dann, wenn die Revision vom Berufungsgericht zugelassen wurde, sie dennoch zurückzuweisen sei, wenn sie sich auf unzulässige Revisionsgründe stütze. Nichts anderes könne aber dann gelten, wenn in einer nach § 500 Abs 3 ZPO zugelassenen Revision kein Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO) geltend gemacht werde.

Die gleichen Überlegungen haben uneingeschränkt auch für Rekurse gegen Aufhebungsbeschlüsse des Berufungsgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt im Zulassungsbereich bei einem S 300.000.- nicht übersteigenden Streitwert Geltung. Auch hier ist der Rechtsmittelwerber auf die Anfechtungsgründe im Sinne des § 503 Abs 2 ZPO beschränkt. Machte er, wie im vorliegenden Fall, derartige Anfechtungsgründe nicht geltend, war sein Rechtsmittel nicht gesetzmäßig im Sinne dieser Gesetzesstelle ausgeführt und auch dann, wenn das Berufungsgericht im Sinne des § 519 Abs 2 ZPO einen Rechtskraftvorbehalt ausgesprochen hat, aus den dargelegten Erwägungen zurückzuweisen (2 Ob 77/88 u.a.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E16184

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00121.88.1025.000

Dokumentnummer

JJT_19881025_OGH0002_0020OB00121_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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