TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/19 2004/08/0140

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Veröffentlicht am 19.10.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §101;
ASVG §203;
ASVG §213a Abs1;
AVG §68 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der C in Z, vertreten durch Dr. Markus Weinl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 8. Jänner 2004, Zl. 121.945/1-3/03, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG wegen entschiedener Sache (mitbeteiligte Partei: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Die Beschwerdeführerin verunglückte am 23. September 1978 auf einem Betriebsausflug anlässlich einer Vergnügungsfahrt mit einem pferdegezogenen landwirtschaftlichen Anhänger und wurde schwer verletzt. Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 4. Februar 1980 wurde der Arbeitgeber der Beschwerdeführerin wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt. Die mitbeteiligte Partei erkannte mit Schreiben vom 30. November 1979 den Unfall als Arbeitsunfall an, lehnte jedoch mit dem zunächst in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 9. April 1980 die Gewährung einer Rente gemäß § 203 ASVG ab.

2. Mit dem zunächst ebenfalls unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 10. September 1991 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 15. Juli 1991 auf Gewährung einer Integritätsabgeltung mit folgender Begründung abgewiesen:

"Gemäß § 213a Abs. 1 ASVG gebührt eine Integritätsabgeltung, wenn der Arbeitsunfall durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht worden ist und eine erhebliche und dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Integrität zur Folge hat. Eine solche Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Grad des Integritätsschadens zum 1.1.1990 mindestens 50 v.H. beträgt (...).

Nach den Ergebnissen unserer Erhebungen sowie der ärztlichen Begutachtung wurde Ihr Arbeitsunfall nicht durch eine grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht und hat auch keinen Grad des Integritätsschadens von mindestens 50 v.H. zum 1.1.1990 zur Folge."

Den Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. April 1995 auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes (§ 101 ASVG) hinsichtlich des zuletzt erwähnten Bescheides vom 10. September 1991 und Zuerkennung einer Integritätsabgeltung wies der im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen mit Bescheid vom 31. Juli 1996 rechtskräftig ab. Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde blieb erfolglos (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1999, Zl. 97/08/0588).

3. Mit Bescheid vom 9. Februar 1999 stellte die mitbeteiligte Partei den unter Punkt 1 erwähnten, den Anspruch auf Unfallrente ablehnenden Bescheid vom 9. April 1980 gemäß § 101 ASVG richtig und sprach der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 25. November 1978 bis über den 1. Jänner 1999 hinaus eine Unfallrente zu.

Die mitbeteiligte Partei stellte in diesem Bescheid fest, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Erwerbsfähigkeit vom 25. November 1978 bis zum 26. September 1980 um 60 %, vom 27. September 1980 bis zum 14. September 1987 um 50 %, vom 15. September 1987 bis zum 21. September 1988 um 60 % und ab 22. September 1988 bis auf weiteres um 35 % vermindert gewesen sei.

4. Unter Berufung auf diesen Bescheid vom 9. Februar 1999 beantragte die Beschwerdeführerin am 10. Dezember 1999 neuerlich die Gewährung einer Integritätsabgeltung gemäß § 213a ASVG.

Die mitbeteiligte Partei wies diesen Antrag mit Bescheid vom 6. Juni 2000 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück.

4.1. Den gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Einspruch wies der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 10. Jänner 2001 ab: Gegenstand des Verwaltungsverfahrens sei die Zulässigkeit der Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Integritätsabgeltung vom 10. Dezember 1999. Es handle sich um eine Verwaltungssache im Sinne des § 355 ASVG, woraus sich die sachliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Erledigung des Einspruches gemäß § 413 ASVG ableite. Inhaltlich beurteilte die belangte Behörde das Vorliegen des Verfahrenshindernisses der entschiedenen Sache dahin, dass sich der Sachverhalt zwar insofern geändert habe, als am 9. Februar 1999 (zum Stichtag 1. Jänner 1990) ein Rentenanspruch der Beschwerdeführerin bejaht worden sei. Diese Sachverhaltsänderung sei jedoch nicht wesentlich. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit dem bereits zitierten Erkenntnis vom 29. Juni 1999, Zl. 97/08/0588, ausgesprochen, dass bei dem Unfall im Rahmen eines Betriebsausfluges keine Arbeitnehmerschutzvorschriften verletzt worden seien. Eine Integritätsabgeltung gemäß § 213a ASVG setze jedoch nicht nur das Vorliegen eines Arbeitsunfalls und einen Anspruch auf Versehrtenrente, sondern auch noch voraus, dass der Arbeitsunfall durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht worden sei. Lege man die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch dem vorliegenden Verfahren zu Grunde, so sei ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Integritätsabgeltung schon aus diesem Grunde ausgeschlossen. Die Zuerkennung der Versehrtenrente mit dem Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 9. Februar 1999 könne daher keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes darstellen. Dem neuen Antrag auf Zuerkennung der Integritätsabgeltung stehe daher die Rechtskraft des Bescheides vom 10. September 1991 entgegen.

4.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, Zl. 2001/08/0057, als unbegründet abgewiesen. Der zu beurteilende Sachverhalt habe seit dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Integritätsabgeltung vom 15. Juli 1991 durch den Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 10. September 1991 keine Änderung erfahren. Auch der Umstand, dass mittlerweile ein Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 9. Februar 1999 vorliege, mit dem erstmalig eine Dauerrente der Beschwerdeführerin festgestellt worden sei, vermöge "in den maßgebenden Sachverhalt nicht mehr einzugreifen". Der neuerliche Antrag auf Zuerkennung der Integritätsabgeltung sei daher gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof ging in diesem Erkenntnis aber auch auf die Möglichkeit ein, den Antrag der Beschwerdeführerin vom 10. Dezember 1999 - anders als dies die Behörden des Verwaltungsverfahrens getan hatten - als Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG zu deuten, kam aber auch für den Fall einer solchen Deutung zu keinem anderen Ergebnis: Es wäre - so der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung dieses Erkenntnisses - damit nämlich

"für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil auch diesem Antrag kein relevanter neuer Sachverhalt zu Grunde läge und ihm die Rechtskraft des die Herstellung des gesetzlichen Zustandes ablehnenden Bescheides des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 31. Juli 1996 entgegen stünde:

Nach dem die Herstellung des gesetzlichen Zustandes abweisenden Bescheid vom 31. Juli 1996 steht nämlich rechtskräftig fest, dass ein wesentlicher Rechtsirrtum bei Erlassung des ablehnenden Bescheides der mitbeteiligten Partei vom 10. September 1991 zu verneinen ist, weil der Versicherungsfall des Integritätsschadens mangels Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht vorliegt. Das dem neuen Antrag der Beschwerdeführerin auf Herstellung des gesetzlichen Zustandes zu Grunde liegende Vorbringen der Beschwerdeführerin über den eine Dauerrente zuerkennenden Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 9. Februar 1999 ist in Anbetracht dessen ungeeignet, zu einer anderen Beurteilung zu führen."

5. Aus der vorliegenden Beschwerde und dem ihr beigeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin am 21. März 2002 neuerlich beantragt hat, hinsichtlich des Bescheides der mitbeteiligten Partei vom 10. September 1991, mit dem ein Antrag auf Zuerkennung einer Integritätsabgeltung abgewiesen wurde, gemäß § 101 ASVG den gesetzlichen Zustand (den die Beschwerdeführerin in der Zuerkennung einer solchen Integritätsabgeltung erblickt) herzustellen.

Dieser Antrag wurde von dem im Devolutionsweg angerufenen Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 3. Juli 2003 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen.

6. Dagegen richtete sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 9. Juni 2004, B 235/04, abgelehnt und sie mit Beschluss vom 20. Juli 2004 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

7. Über die von der Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die vorliegende Beschwerde macht der Sache nach geltend, dass sich auf Grund der "Änderung des Rentenanspruches" der Beschwerdeführerin die Sachlage in einem wesentlichen Punkt geändert habe.

Die Beschwerdeführerin übersieht dabei aber, dass der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde, welche von der Beschwerdeführerin gegen den einen Antrag nach § 101 ASVG abweisenden Bescheid der belangten Behörde erhoben worden war, mit Erkenntnis vom 29. Juni 1999, Zl. 97/08/0588, mit der wesentlichen Begründung abgewiesen hat, dass (unfallkausale) Verstöße des Dienstgebers gegen die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 oder des Kraftfahrgesetzes 1967 nicht allein dadurch, dass diese Verstöße im Rahmen eines Betriebsausfluges geschehen sind, die solcherart verletzten Bestimmungen dieser Gesetze in den Rang von Arbeitnehmerschutzbestimmungen erheben.

Es war auf dem Boden dieser rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofes daher gegenüber jener Rechtslage, die für die seinerzeitige Verneinung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Integritätsabgeltung maßgebend gewesen ist und auch von der mitbeteiligten Partei zutreffend beurteilt worden war, keine Änderung eingetreten und der auf § 101 ASVG gestützte Antrag daher zu Recht abgewiesen worden. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Dieselbe Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof in dem weiteren, eine Beschwerde der Beschwerdeführerin abweisenden Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, Zl. 2001/08/0057, bekräftigt, wie aus der oben wiedergegebenen Begründung dieses Erkenntnisses hervorgeht.

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind daher zu Recht davon ausgegangen, dass ein weiterer von der Beschwerdeführerin gestellter und auf § 101 ASVG gestützter Antrag, mit dem sie dasselbe Ziel verfolgte, wie mit ihren bisherigen Anträgen (nämlich die Abänderung des rechtskräftigen Bescheides der mitbeteiligten Partei vom 10. September 1991 im Sinne der Gewährung einer Integritätsabgeltung an die Beschwerdeführerin), ohne dass sich an der dargestellten, ihrem Anspruch weiterhin entgegenstehenden Rechtslage etwas geändert hätte, wegen res iudicata zurückzuweisen ist.

Da es sich dabei um einen verfahrensrechtlichen Bescheid gehandelt hat, mit dem die Zulässigkeit einer neuerlichen Erörterung der Sachfrage zu Recht verneint wurde, ist auch auf die an diesem Verfahrensthema vorbeigehenden umfangreichen, zum Teil in Wiederholungen bestehenden Beschwerdeausführungen, die lediglich dartun sollen, dass ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Integritätsabgeltung dennoch bestünde, nicht weiter einzugehen.

Da somit bereits die Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war diese ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am 19. Oktober 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004080140.X00

Im RIS seit

28.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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