TE OGH 1989/4/18 10ObS128/89

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Veröffentlicht am 18.04.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert (AG) und Alfred Klair (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heinrich P***, Versicherungsangestellter, 8152 Stallhofen,

Södingberg 55, vertreten durch Dr.Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei P*** D***

A***, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.Jänner 1989, GZ 8 Rs 229/88-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 9.September 1988, GZ 33 Cgs 10/88-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 22.Dezember 1987 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 4.November 1987 auf Berufsunfähigkeitspension mangels Berufsunfähigkeit ab.

Das Erstgericht wies die auf die abgelehnte Leistung gerichtete rechtzeitige Klage ab, weil der (am 26.Oktober 1929 geborene) Kläger seine seit 1972 ausgeübte Tätigkeit als Versicherungsvertreter im Außendienst weiterhin ausüben könne und daher nicht berufsunfähig im Sinn des § 273 Abs 3 ASVG sei.

Unter Bezugnahme auf die Ergänzung des schriftlichen Gutachtens des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie sowie für Chirurgie Dr.Peter F*** in der Tagsatzung vom 5.September 1988 stellte das Erstgericht fest, daß beim Kläger "prognostisch aus objektiver Sicht aufgrund der Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapparat jährlich maximal drei Krankenstände von maximal je drei Wochen möglich sind". Der genannte Sachverständige hatte auf Seite 6 seines schriftlichen Gutachtens (ON 9 AS 57) ausgeführt, daß die vom Kläger angegebenen Beschwerden glaubhaft und erklärbar seien und daß Krankenstände bis zu dreimal im Jahr in der jeweiligen Dauer von zwei bis drei Wochen erforderlich werden könnten. In der erwähnten Tagsatzung ergänzte er, er könne ausschließen, daß mehr und längere Krankenstände prognostisch aus objektiver Sicht zu erwarten seien. Die von ihm genannte dreiwöchige Krankenstandsdauer sei eine jeweils maximale, weil erfahrungsgemäß in diesen Zeiträumen auch bei gravierenden Schmerzattacken eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach maximal drei Wochen Behandlungsdauer bzw Krankenstand erreichbar sei. Die jeweilige Krankenstandsdauer könne auch kürzer sein. Unter Umständen sei bereits nach dreitägiger Krankenstandsdauer eine Wiederherstellung der Arbeitsbereitschaft bzw -fähigkeit möglich (ON 20 AS 113).

Dazu führte das Erstgericht aus, daß der Kläger wegen der zu erwartenden Krankenstandshäufigkeit und -dauer (gerade) noch nicht vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Häufige und/oder langdauernde Krankenstände könnten bewirken, daß der einem Versicherten verbliebene Rest der Arbeitsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt unverwertbar werde. Die Rechtsprechung habe Krankenstände von etwa drei Wochen viermal jährlich als einem Dienstgeber unzumutbar angesehen, jedoch zwei jährliche Krankenstände von (je) etwa drei bis vier Wochen, von je einem Monat oder zwei jährliche Krankenstände von je 10 Tagen und zusätzlich einer von einer Woche noch nicht. Anderseits sei bei Krankenständen im Gesamtausmaß von 33 bis 44 Tagen pro Jahr die Möglichkeit eines Ausschlusses vom Arbeitsmarkt angenommen worden, wenn der Versicherte jeweils ein bis zwei Tage pro Woche im Krankenstand sein müsse. Weil das Erstgericht nur die obere Grenze der Zahl und jeweiligen Dauer der zu erwartenden jährlichen Krankenstände des Klägers festgestellt habe und nachdem diesen Feststellungen zugrundeliegenden Gutachten auch kürzere, unter Umständen sogar dreitägige Krankenstände zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ausreichen könnten, seien nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit solche Krankenstände zu erwarten, die eine geregelte Arbeitsleistung unmöglich und den verbliebenen Rest von Arbeitsfähigkeit unverwertbar machen würden, und zwar auch dann nicht, wenn man berücksichtige, daß die Berufsunfähigkeit des Klägers nach § 273 Abs 3 ASVG zu beurteilen sei und der Kläger sehr viel Kontakt mit seinen Kunden haben müsse. Mit jährlichen Krankenständen von drei bis vier Wochen müsse ein Dienstnehmer rechnen.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das Berufungsurteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht ist richtig (§ 48 ASGG).

Nach den wiedergegebenen, rechtlich zu beurteilenden erstgerichtlichen Feststellungen sind jährlich maximal drei Krankenstände von maximal je drei Wochen möglich. Diese Feststellung stützt sich auf das Gutachten des erwähnten ärztlichen Sachverständigen, der häufigere und längere Krankenstände ausschloß, aber weniger häufige und kürzere Krankenstände (ab drei Tagen) ebenso für möglich hielt.

Daraus ergibt sich, daß beim Kläger jährlich durchschnittlich kaum mehr als 30 Krankenstandstage zu erwarten sind, die sich auf zwei bis drei Krankenstände aufteilen werden.

Berücksichtigt man, daß im Jahre 1986 auf 1.000 Beschäftigte insgesamt 1.056 Krankenstandstage kamen (vgl Österreichisches Statistisches Zentralamt, Statistisches Handbuch für die Republik Österreich XXXIX. Jg NF 1988, 85; BMAS, Bericht über die soziale Lage 1987, 346), dann zeigt sich, daß beim Kläger jährlich nur etwa die doppelte Zahl von Krankenstandstagen zu erwarten ist wie durchschnittlich bei allen österreichischen Beschäftigten. Da es sich dabei um einen Durchschnittswert der Beschäftigten aller Altersgruppen handelt, wird deutlich, daß die beim Kläger zu erwartende jährliche Anzahl und Dauer von Krankenständen für einen im 60.Lebensjahr stehenden Arbeitnehmer nicht so ungewöhnlich hoch ist, daß er nicht mehr imstande wäre, durch die während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübte Tätigkeit eines Versicherungsvertreters im Außendienst wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherungsvertreter regelmäßig zu erzielen pflegt. Daß der Kläger - abgesehen von den zu erwartenden Krankenständen, auf die sich die Revision ausschließlich stützt - diese Tätigkeit noch weiter ausüben könnte, wird in der Revision nicht bezweifelt. Das Berufungsgericht hat daher eine Berufsunfähigkeit des Klägers im Sinn des § 273 Abs 3 ASVG ohne Rechtsirrtum verneint, weshalb sich die teilweise nicht gesetzgemäß ausgeführte Rechtsrüge als unbegründet erweist.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Anmerkung

E18183

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00128.89.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19890418_OGH0002_010OBS00128_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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