TE OGH 1989/4/27 7Ob10/89

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Veröffentlicht am 27.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** L***-Z*** Gesellschaft m.b.H., Salzburg, Fanny von Lehnert Straße 1, vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Helmut H***, Kaufmann, Wien 12., Steinbauergasse 26, vertreten durch Dr. Franz Bixner jun., Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 28.018,85 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29.Dezember 1988, GZ 2 R 334/88-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8.August 1988, GZ 6 Cg 67/87-29, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.087 (darin S 514,50 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte leaste ab dem 20.9.1983 bei der klagenden Partei einen PKW für die Dauer von 36 Monaten. Gleichzeitig schloß er bei einem Schwesterunternehmen der klagenden Partei, der ALZ-V***-AG, für die Dauer des Leasingvertrages eine Kaskoversicherung mit einem Selbstbehalt von S 10.000,-- ab. Am 28.8.1986, etwa drei Wochen vor Vertragsende, wurde der geleaste PKW bei einem Verkehrsunfall total beschädigt. Der Beklagte hatte das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt seinem Mitarbeiter Eduard K*** zum beruflichen und privaten Gebrauch überlassen. Ein Franz W*** hatte es ohne Wissen und Willen des berechtigten Lenkers in Betrieb genommen. Franz W***, der keinen Führerschein besaß, verursachte den Unfall in alkoholisiertem Zustand. Der Zeitwert des PKWs betrug S 55.034; als Restwert konnten S 26.515,15 erzielt werden, sodaß sich der tatsächliche Schaden mit S 28.518,85 errechnet. Dazu kommen noch die Abschlepp-, Bergungs- und Standgebühren von S 9.500, sodaß der PKW-Schaden insgesamt S 38.018,85 ausmacht.

Der Beklagte verständigte die klagende Partei weder vom Schadensfall noch vom Verbleib des Fahrzeuges; dies weder nach dem Unfall noch nach Ende der mit 20.9.1986 abgelaufenen Vertragsdauer. Da der Beklagte auch nicht mitteilte, daß er während der Vertragszeit seine Anschrift geändert hatte, konnte die klagende Partei den PKW erst im November 1986 über Recherchen eines Außendienstmitarbeiters in einer Kfz-Werkstätte ausfindig machen. Die Kaskoversicherung lehnte die Schadensdeckung ab. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen der klagenden Partei haben unter anderem folgenden Wortlaut: "3. Das Leasingfahrzeug steht und bleibt im Eigentum der ALZ (= klagende Partei), wird jedoch auf den Namen des Kunden als Halter zugelassen. Der Kunde ist Versicherungsnehmer. Ist die Kondition Kaskoschutz nicht abgeschlossen, hat der Kunde gleichzeitig mit der Haftpflichtversicherung den Abschluß einer Vollkaskoversicherung mit einem maximalen Selbstbehalt von S 10.000 nachzuweisen und zugunsten der ALZ zu vinkulieren.

Der Kunde haftet ohne Rücksicht auf persönliches Verschulden für alle Schäden am Fahrzeug, gleichgültig, ob sie durch sein Verschulden, durch das Verschulden dritter Personen oder höhere Gewalt entstanden sind und gleichgültig, ob das Fahrzeug beschädigt wurde oder überhaupt untergegangen ist...

Als Eigentümer ist die ALZ ausschließlich berechtigt, Unfallreparaturen in Auftrag zu geben und Versicherungsansprüche geltend zu machen bzw. Abfindungserklärungen zu akzeptieren. Der Kunde verpflichtet sich daher umgehend, der ALZ eine Schadensmeldung zu erstatten und das Fahrzeug zwecks Reparatur nur autorisierten Markenwerkstätten zu übergeben...

13. Bei Abschluß der Kondition Kaskoschutz übernimmt die ALZ die Unfallrepraturabwicklung am Fahrzeug und trägt analog den Allgemeinen Kaskoversicherungsbedingungen der ALZ-V*** AG für Vollkaskoversicherung, Teilkaskoversicherung und Topkaskoversicherung (AKRB), die Bestandteile dieser Vereinbarung sind und die dem Kunden bekannt sind, alle mit der Unfallreparatur zusammenhängenden Kosten und verzichtet bis auf den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt auf Schadenersatz...

Sofern nicht binnen 14 Tagen nach Eintritt eines Schadensfalles vom Kunden an die ALZ eine Schadensmeldung erteilt wird oder vom Kunden keine ausreichende Auskunft über den Unfallshergang zu erlangen ist, ist die ALZ von der Kostentragungsverpflichtung befreit."

Die Allgemeinen Bedingungen für die Kasko- und Reparaturkostenversicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern (AKRB) lauten unter anderem:

"5. Obliegenheiten

5. 1. Als Obliegenheiten, die zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung der Erhöhung einer Gefahr dem Versicherer gegenüber zu erfüllen sind, und deren Verletzung im Zeitpunkt des Versicherungsfalles nach Maßgabe des § 6 Abs 2 VersVG 1958 die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt, werden bestimmt,

5. 1. 1. daß das Fahrzeug nicht zu einem anderen als dem vereinbarten Zweck verwendet wird

5. 1. 2. daß der Lenker eine Lenkerberechtigung für die Gruppe besitzt, in die das Fahrzeug fällt; die Verpflichtung zur Leistung bleibt gegenüber dem Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen bestehen, wenn diese ohne Verschulden annehmen konnten, daß der Lenker die Lenkerberechtigung besitzt oder wenn der Lenker das Fahrzeug ohne Willen des Halters gelenkt hat.

5. 2. Obliegenheiten, deren Verletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG 1958 die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt, werden bestimmt:

5. 2. 1. Dem Versicherer längstens innerhalb einer Woche anzuzeigen

5. 2. 1. 1. den Versicherungsfall ... unter möglichst genauer Angabe des Sachverhalts

5. 2. 1. 2. die Einleitung eines diesbezüglichen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens. 5. 2. 2. Nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen ...".

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Geltendmachung des Schadensbetrages von S 38.018,85 abzüglich des vom Beklagten anerkannten Selbstbehaltes aus der Kaskoversicherung von S 10.000,--. Die klagende Partei bringt hiezu vor, der Beklagte hafte ihr gemäß Punkt 3 Abs 2 der Leasingbedingungen für alle Schäden am Fahrzeug unabhängig davon, ob er sie selbst verschuldet habe. Die klagende Partei habe von der Kaskoversicherung keinerlei Leistungen erhalten, weil diese die Bezahlung des Schadens wegen Obliegenheitsverletzungen des Beklagten abgelehnt habe. Der Beklagte habe das Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand in Betrieb genommen und auch an der Aufklärung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt. Er habe auch keine Vorsorge gegen die Benützung des Fahrzeuges durch Unbefugte getroffen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage im angeführten Umfang. Die klagende Partei hätte den PKW-Schaden bei der Kaskoversicherung verlangen müssen; dies insbesondere auch deswegen, weil nach Punkt 3 Abs 3 der Leasingbedingungen die klagende Partei ausschließlich berechtigt sei, Versicherungsansprüche geltend zu machen. Damit sei für den Beklagten selbst die Geltendmachung der Kaskoschäden ausgeschlossen gewesen. Die klagende Partei hätte sich mit der Behauptung des Versicherers, es liege eine Obliegenheitsverletzung vor, nicht begnügen dürfen. Im übrigen treffe den Beklagten kein Verschulden am Schadenseintritt und er habe auch keine Obliegenheitsverletzung begangen. Er habe das Fahrzeug nicht selbst gelenkt, es sei vielmehr widerrechtlich von Franz W*** benützt worden. Auch eine allfällige Weitergabe des Fahrzeuges an W*** durch den berechtigten Lenker K*** könne ihm nicht zugerechnet werden. Der Beklagte habe die klagende Partei und den Haftpflichtversicherer auch sofort vom Schadensfall verständigt. Die verschuldensunabhängige Ersatzpflicht des Beklagten nach Punkt 3 Abs 2 der Leasingbedingungen sei sittenwidrig.

Das Erstgericht wies die Klage im streitgegenständlichen Umfang ab. Der Beklagte könne einen Anspruch auf Deckung aus der Kaskoversicherung auch gegenüber der klagenden Partei geltend machen, weil die klagende Partei nach den Vertragsbedingungen ausschließlich berechtigt sei, Versicherungsansprüche geltend zu machen. Dies gestehe die klagende Partei auch zu, berufe sich aber auf eine Obliegenheitsverletzung. Eine solche liege auch grundsätzlich vor, weil der Beklagte weder den Schaden umgehend gemeldet noch auch den Standort des PKWs der klagenden Partei mitgeteilt habe. Es fehle auch jeder Hinweis dafür, daß dies vorsätzlich oder grob fahrlässig geschehen sei. Die Beschädigung des Fahrzeuges durch W*** sei dem Beklagten nicht zuzurechnen, weil eine Schwarzfahrt vorliege. Der klagenden Partei, die auch als Vertreterin der ALZ-V*** AG anzusehen sei, sei sohin nicht der Nachweis gelungen, daß der Beklagte eine Obliegenheit verletzt habe.

Das Berufungsgericht gab der Klage im strittigen Umfang statt und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Das Begehren auf Ersatz des Fahrzeugschadens sei schon nach Punkt 3 Abs 2 (auch im Zusammenhang mit Punkt 13) der Allgemeinen Vertragsbedingungen begründet, wonach der Leasingnehmer die ausschließliche Sachgefahr trage und dem Leasinggeber für alle Schäden am Fahrzeug hafte. Diese Gefahrenüberwälzung sei ein Charakteristikum des Finanzierungsleasings und sei nicht sittenwidrig. Bei der vom Beklagten abgeschlossenen Kaskoversicherung handle es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinne der §§ 74 ff VersVG, weil sie das Eigentum der klagenden Partei zum Gegenstand habe. Im Versicherungsantrag werde die klagende Partei auch ausdrücklich als begünstigte Person genannt. Damit stünden zwar die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten (hier der klagenden Partei) zu, doch können der Versicherte ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers (hier des Beklagten) über seine Rechte nur verfügen, wenn er im Besitz eines Versicherungsscheines sei. Die in Punkt 3 Abs 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen enthaltene Bestimmung, wonach die klagende Partei ausschließlich berechtigt sei, Versicherungsansprüche geltend zu machen bzw. Abfindungserklärungen zu akzeptieren, ermögliche für sich allein noch nicht, daß die klagende Partei gegen den Kaskoversicherer vorgehen könne; sie müßte dazu auch noch im Besitz der Polizze sein. Dies sei von den Parteien nicht behauptet worden. Zwar sei im vorliegenden Fall zwischen den Parteien (Punkt 13. der Allgemeinen Vertragsbedingungen) vereinbart worden, daß die klagende Partei - werde der Leasingvertrag unter der Kondition Kaskoschutz abgeschlossen - sich von einem Leasingnehmer so in Anspruch nehmen lassen müsse, als wäre sie selbst Kaskoversicherer; doch werde der Leasingnehmer auf diese Weise nur begünstigt, wenn er den Schadensfall binnen 14 Tagen bei der klagenden Partei melde. Der Beklagte habe den Schaden nicht gemeldet. Die klagende Partei müsse sich daher nicht wie der Kaskoversicherer behandeln lassen und auch nicht den Streit über allfällige Obliegenheitsverletzungen austragen. Sie könne unabhängig davon Schadenersatz schon aufgrund der Regelung des Punktes 3 Abs 2 der Vertragsbedingungen begehren. Vertrete man dennoch die Ansicht, daß im vorliegenden Verfahren zwischen dem Leasinggeber dem Leasingnehmer die Obliegenheitsverletzungen im Rahmen der Kaskoversicherungsbedingungen zu beurteilen seien, falle auch diese Prüfung zugunsten der klagenden Partei aus. Die klagende Partei habe ihre Leistungsfreiheit zwar nur darauf gegründet, daß der Beklagte bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht mitgewirkt habe; dies umfasse jedoch auch den Vorwurf, eine Schadensmeldung nicht erstattet zu haben. Der Beklagte habe dies auch so verstanden, habe er doch ausdrücklich erwidert, er habe die klagende Partei unverzüglich vom Schadenseintritt verständigt. Es stehe fest, daß der Beklagte den Unfall nicht gemeldet habe. Er habe daher gegen seine Verpflichtung zur Erstattung einer Schadensmeldung verstoßen. Damit habe der Versicherer seiner Beweispflicht Genüge getan, weil er nur die objektive Verletzung der Obliegenheit nachzuweisen habe. Den ihm obliegenden Beweis seines geringeren oder fehlenden Verschuldens sowie den Kausalitätsgegenbeweis habe der Beklagte nicht angetreten. Das Vorbringen des Beklagten in der Berufungsbeantwortung, sein Verschulden sei nur gering, weil er lediglich übersehen habe, die bereits verfaßte Schadensmeldung zur Post zu geben, stelle eine unzulässige Neuerung dar. Keine Obliegenheitsverletzung dagegen würde die Weitergabe des Fahrzeuges durch den berechtigten Lenker K*** an den alkoholisierten und zum Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht berechtigten W*** darstellen, weil das Verhalten jeder anderen Person als des Versicherungsnehmers die Leistung des Kaskoversicherers nicht beeinflusse. Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage der Anspruchskonkurrenz zwischen der Sachgefahrhaftung des Leasingnehmers und der dafür abgeschlossenen Kaskoversicherung fehle. Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht der Beklagte geltend, das Berufungsgericht sei, wiewohl es eine Wiederholung des Beweisverfahrens nicht durchgeführt habe, zu einem "ganz anderen Beweisergebnis" gelangt als das Erstgericht und unterstelle dem Beklagten "entgegen den Feststellungen des Erstgerichtes" eine Obliegenheitsverletzung. Es habe hiedurch den Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens verletzt. Die zweite Instanz hat jedoch die Feststellungen des Erstgerichtes, die im übrigen unangefochten geblieben sind, seiner Entscheidung in inhaltlich unveränderter Weise zugrundegelegt (Erstgericht: "Die Klägerin war weder vom Schadensfall noch vom Verbleib des Fahrzeuges durch den Beklagten verständigt worden....Das vom Beklagten vorgelegte Schreiben....hat die Klägerin nicht bekommen"; Berufungsgericht: "Der Beklagte verständigte die Klägerin weder vom Schadensfall noch vom Verbleib des Fahrzeuges"). Der Beklagte wendet sich mit seinen Ausführungen in Wahrheit gegen die rechtliche Beurteilung des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht

Auch zur Frage, ob die im angefochtenen Urteil vertretene Ansicht zutrifft, daß nur derjenige gegen die Kaskoversicherung vorgehen könne, der im Besitz der Polizze sei - wiewohl nach Punkt 3 der Leasingbedingungen hiezu ausschließlich die klagende Partei berechtigt ist - wird bei Behandlung der Rechtsrüge Stellung genommen werden.

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vertritt der Beklagte die Ansicht, er habe damit, daß er vorgebracht habe, er habe die Schadensmeldung Beilage ./1 verfaßt, auch ausgeführt, daß er seiner Ansicht nach überhaupt keine Obliegenheit verletzt habe. Er habe damit zumindest implicite auch ein allenfalls geringeres Verschulden behauptet und bewiesen. Der Nichteingang der Schadensmeldung bei der klagenden Partei habe keinen Einfluß auf die Feststellung oder den Umfang der vom Versicherer zu erbringenden Leistung gehabt.

Die rechtliche Beurteilung der zweiten Instanz ist jedoch im Ergebnis zutreffend. Auch der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, daß es sich bei der vom Beklagten als Versicherungsnehmer für das im Eigentum der klagenden Partei stehende und bleibende Leasingfahrzeug (Punkt 3 Abs 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen) abgeschlossenen Kaskoversicherung um eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinne der §§ 74 ff VersVG handelt (vgl.Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz24 497; RdW 1987, 373). Kann aber auch gemäß § 75 Abs 2 VersVG bei einer Versicherung für fremde Rechnung der Versicherte ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte nur dann verfügen und diese Rechte nur dann gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitze eines Versicherungsscheines ist, ist doch im gegebenen Fall nicht einzusehen, weshalb der - im Verfahren nicht erörterte - Besitz eines Versicherungsscheines hier von Bedeutung sein, und weshalb die in Punkt 3 Abs 3 der Vertragsbedingungen enthaltene Bestimmung, wonach die klagende Partei ausschließlich berechtigt ist, Versicherungsansprüche geltend zu machen, der klagenden Partei für sich allein noch nicht ein Vorgehen gegen den Kaskoversicherer ermöglichen sollte. Die angeführte Vertragsbestimmung ("....ist ausschließlich berechtigt, Versicherungsansprüche geltend zu machen") beinhaltet vielmehr eine generelle Zustimmung des Versicherungsnehmers zur Geltendmachung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag. Den Allgemeinen Vertragsbedingungen kann keinesfalls etwas Gegenteiliges entnommen werden (vgl.Prölss/Martin aaO 502). Es ist daher im vorliegenden Verfahren unerheblich, ob die klagende Partei im Besitz des Versicherungsscheines war.

Davon abgesehen steht allerdings fest, daß der Kaskoversicherer eine Deckung des Schadens abgelehnt hat, aber auch, daß der Beklagte die klagende Partei vom Schadensfall nicht verständigt hat. Zwar haftet der "Kunde" (der Beklagte) nach Punkt 3 Abs 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen ohne Rücksicht auf persönliches Verschulden für alle Schäden am Fahrzeug. Nach Punkt 13 letzter Absatz, der Bedingungen ist die klagende Partei von der in Abs 1 dieser Bestimmung bei Abschluß der "Kondition Kaskoschutz" übernommenen Kostentragungsverpflichtung befreit, wenn nicht binnen 14 Tagen nach Eintritt eines Schadensfalles vom Kunden an sie eine Schadensmeldung erstattet wird. Bei der engen wirtschaftlichen Verflechtung der klagenden Partei und der ALZ-V*** AG, wie sie sich nicht nur aus der Verbindung von Leasing- und Versicherungsantrag auf einem Formblatt (Beilage ./I) und der Verwendung von einheitlichem Geschäftspapier für beide Unternehmen (Beilage ./L), sondern insbesondere auch aus Punkt 3 Abs 3 sowie Punkt 13 der Allgemeinen Vertragsbedingungen der klagenden Partei ergibt, die eine faktische Gleichstellung beider Unternehmen gegenüber dem Kunden zur Folge hat - die klagende Partei ist ausschließlich berechtigt, Versicherungsansprüche geltend zu machen, sie übernimmt die Unfallreparaturabwicklung am Fahrzeug und trägt "analog" den Allgemeinen Kaskoversicherungsbedingungen der ALZ-V*** AG,.... die Bestandteile dieser Vereinbarung sind, ....alle mit der Unfallreparatur zusammenhängenden

Kosten - erscheint es nicht gerechtfertigt, eine Schadenersatzpflicht des Kunden im Sinne des Punktes 3 Abs 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen der klagenden Partei ohne weiteres bereits dann eintreten zu lassen, wenn der Kunde nicht binnen 14 Tagen nach Eintritt des Schadensfalles eine Schadensmeldung an die klagende Partei erstattet (wie dies der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes entspricht). Sind aber die Allgemeinen Kaskoversicherungsbedingungen der ALZ - V*** AG Bestandteil der Allgemeinen Vertragsbedingungen der klagenden Partei und werden die Kosten der Unfallreparaturabwicklung von der klagenden Partei "analog" diesen Versicherungsbedingungen getragen, müssen die den Versicherungsnehmer im Sinne des Punktes 5 der AKRB treffenden Obliegenheiten nach Maßgabe des § 6 Abs 2 und 3 VersVG auch im Verhältnis zur klagenden Partei beachtet werden, zumal der Versicherungsnehmer selbst zur Geltendmachung der Versicherungsansprüche, wie bereits hervorgehoben wurde, nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen der klagenden Partei gar nicht berechtigt ist.

Die Leistungsfreiheit des Versicherers tritt nach § 6 Abs 3 VersVG nicht ein, wenn die Verletzung der Obliegenheit weder auf Vorsatz, noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Außerdem bleibt der Versicherer selbst bei grob fahrlässiger Verletzung zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung Einfluß weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles, noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat. Nach herrschender Meinung muß der Versicherer nur die objektive Verletzung der Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer, der Versicherungsnehmer aber, nachdem diese bewiesen worden ist, mangelndes Verschulden oder einen geringeren Schuldgrad als grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz sowie fehlende Kausalität beweisen (Prölss/Martin aaO 109).

Es steht fest, daß der Beklagte die klagende Partei vom Schadensfall nicht verständigt hat. Damit ist die objektive Verletzung der den Beklagten gemäß Punkt 5. 2. 1. 1. der AKRB treffenden Obliegenheit nachgewiesen. Der Beklagte hat weder behauptet, daß ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nicht zur Last falle und daß die Verletzung der Obliegenheit Einfluß weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles, noch auch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt habe, noch auch hat er einen Beweis hiefür angetreten. Nun muß zwar das Gericht auch ohne formellen Beweisantritt einen Mangel an Verschulden berücksichtigen, wenn die Sachlage dazu Anlaß bietet (Prölss/Martin aaO 110); Entsprechendes gilt für fehlende Kausalität (Prölss/Martin aaO, SZ 53/22). Wäre es deshalb dem Beklagten nur als grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, daß die klagende Partei eine Schadensmeldung nicht erhalten hat (ein geringerer Schuldgrad wäre unerheblich), könnte Leistungsfreiheit des Versicherers - sieht man von den Standgebühren ab, die bei ordnungsgemäßer Anzeigeerstattung nicht aufgelaufen wären - wohl nicht angenommen werden. Denn es ist nicht zu erkennen, welchen Einfluß die Verletzung der Anzeigepflicht auf die Höhe der Reparatur- , Abschlepp- und Bergungskosten (bzw. auf den Zeit- und den Restwert des Fahrzeuges) gehabt haben könnte. Es kann jedoch keinesfalls ausgeschlossen werden, daß dem Beklagten eine wissentliche und also vorsätzliche Obliegenheitsverletzung zur Last fällt. Denn es genügt bedingter Vorsatz, der schon dann anzunehmen ist, wenn der Täter die Verwirklichung eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden, tatsächlich im Bereich des Möglichen liegenden Sachverhalts ernstlich für möglich hält und sich mit ihr, wenn auch aus bewußter Gleichgültigkeit, abfindet (EvBl 1975/26, VersR 1978, 264, 7 Ob 29/77 ua). Irgendwelche Zweifel in dieser Richtung aber gehen zu Lasten des Beklagten (SZ 53/22). Aus der Existenz des Schreibens Beilage ./1 geht - soferne es nicht nachträglich verfaßt wurde - nur hervor, daß der Beklagte möglicherweise eine Meldung beabsichtigt hat. Anhaltspunkte dafür, weshalb die klagende Partei dieses Schreiben nicht erhalten hat, fehlen gänzlich. Es ist insbesondere die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, daß der Beklagte zunächst die Postaufgabe vergessen hat, ihm die Unterlassung der Meldung schließlich aber gleichgültig war. Die vorsätzliche Verletzung der Anzeigepflicht aber bewirkt Leistungsfreiheit des Versicherers auch dann, wenn sie auf die Feststellung des Versicherungsfalles und den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistungen keinen Einfluß gehabt hat. Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht dem Klagebegehren im strittigen Umfang stattgegeben.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E17604

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00010.89.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19890427_OGH0002_0070OB00010_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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