TE OGH 1989/5/16 11Os168/88

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Veröffentlicht am 16.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Mai 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführer in der Strafsache gegen Ralph G*** und Herbert L*** wegen des Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und 2, erster Fall, StGB nF über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25.August 1988, GZ 8 c Vr 5.290/87-41, nach öffentlicher Verhandlung am 21.März 1989 in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 11.Juli 1940 geborene Ralph G*** und der am 23.Mai 1932 geborene Herbert L*** - abweichend von der auf das Verbrechen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB aF lautenden Anklageschrift (ON 19 dA) - des Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und Abs. 2, erster Fall, StGB nF schuldig erkannt. Nach dem Inhalt dieses Schuldspruchs haben Ralph G*** als freier Mitarbeiter der Firma Herbert L*** Realitätenvermittlungs-GesmbH & Co KG und Herbert L*** als Geschäftsführer der bezeichneten Firma am 27.September 1984 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter die ihnen durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß sie bei der Vermittlung der Bestandrechte an dem Geschäftslokal in Wien 10., Laxenburgerstraße Nr. 24, top. Nr. 3, den (von ihnen) durch wahrheitswidrige Behauptungen (es handle sich um eine vom Vermieter für den Abschluß des Mietvertrages geforderte Zahlung) von den (neuen Mietern) Gerhard und Peter M*** erschlichenen Mehrerlös von 184.000 S an sie nicht abführten und ihnen dadurch einen Vermögensnachteil in dieser Höhe zufügten.

Den wesentlichen, diesem Schuldspruch zugrundeliegenden Urteilsfeststellungen zufolge setzte sich der Mieter des Geschäftslokals in Wien 10., Laxenburgerstraße Nr. 24, top. Nr. 3, Peter S*** (Vormieter), der seine Mietrechte an diesem Geschäftslokal aufgeben wollte, im Jahr 1984 mit Georg T***, dem Vater und gesetzlichen Vertreter der damals noch minderjährigen Hauseigentümerin Dagmar T***, in Verbindung und erwirkte dessen Zustimmung zur Namhaftmachung eines neuen Mieters, von dem S*** eine Investitionsablöse zu fordern gedachte. Peter S***, dem auch bekannt war, daß Georg T*** (als Vertreter der minderjährigen Hauseigentümerin) für den Abschluß eines neuen Mietvertrages die Bezahlung eines Betrages (Ablöse) in vorerst unbekannter Höhe fordern werde, beauftragte daraufhin die Firma Herbert L***, Realitätenvermittlungs-GesmbH & Co KG, einen neuen Mieter zu suchen. Die Firma L*** fand, insbesondere durch die Bemühungen ihres freien Mitarbeiters Ralph G***, in Peter und Gerhard M***, den Gesellschaftern und Geschäftsführern der Firma Gerhard M*** Selbstbaumöbel GesmbH, Interessenten für dieses Geschäftslokal. Nachdem Georg T*** den von ihm für den Abschluß eines Mietvertrages mit den neuen Mietern geforderten Betrag schließlich mit 140.000 S beziffert hatte, kam es über Vermittlung der beiden Angeklagten zwischen Georg T*** (als gesetzlichem Vertreter der minderjährigen Hauseigentümerin) sowie Peter und Gerhard M*** zum Abschluß eines Mietvertrages. Noch vor Unterzeichnung dieses Vertrages bezahlten Peter und Gerhard M*** in der Kanzlei der Firma Herbert L*** GesmbH & Co KG (vgl. S 449 dA) in vier Teilbeträgen (vgl S 281 dA) einen Gesamtbetrag von 505.000 S. Die beiden Angeklagten erklärten den Mietinteressenten Peter und Gerhard M*** den Verwendungszweck dieses Betrages damit, daß damit die mit 25.000 S vereinbarte Vermittlungsprovision der Firma Herbert L*** Realitätenvermittlungs-GesmbH & Co KG beglichen werde, ein weiterer Betrag von 156.000 S (bestehend aus 130.000 S plus Mehrwertsteuer) als Investitionsablöse dem Vormieter Peter S*** zustehe und den Restbetrag (von 324.000 S) der Hausherr (gemeint: Georg T***) für die Unterfertigung des neuen Mietvertrages verlange. Sie verschwiegen aber, daß die Ablöseforderung des Hausherrn tatsächlich nur 140.000 S betrug. Es wurden an Georg T*** auch bloß 140.000 S und weiters 156.000 S für den Vormieter S*** als Investitionsablöse weitergeleitet. Den Differenzbetrag von 184.000 S behielten die beiden Angeklagten neben der vereinbarten Vermittlungsprovision von 25.000 S. Sie machten diesen Schaden (zuzüglich Zivilprozeßkosten) inzwischen gut, doch erst nach Anzeigeerstattung (S 451, 469 dA). Der gegen den Schuldspruch wegen Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und Abs. 2, erster Fall, StGB gerichteten Rechtsrüge der Angeklagten Ralph G*** und Herbert L*** (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO) kommt Berechtigung zu:

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend verweisen die beiden Beschwerdeführer darauf, daß der im Ersturteil fesgestellte Sachverhalt diesen Schuldspruch nicht trägt. Nach den Urteilskonstatierungen wurde nämlich die Realitätenvermittlungs GesmbH & Co KG, deren Geschäftsführer der Zweitangeklagte ist, ungeachtet des Inhaltes der "als Option bezeichneten Urkunde" (S 467 dA) vom Zeugen Peter S*** lediglich mit der Vermittlung eines Bestandvertrages über das in Rede stehende Objekt betraut (siehe dazu insbesondere S 467 dA) und "durch die Vermittlung der beiden Angeklagten ein Mietvertrag über das gegenständliche Geschäftslokal zwischen dem Hauseigentümer (einerseits) und Peter und Gerhard M*** (andererseits) abgeschlossen" (S 468 f dA). Diesen Feststellungen zufolge hatten also die beiden Angeklagten - entgegen der Formulierung des Urteilsspruches - keine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten. Es muß vielmehr - unabhängig von konkreten Verfahrensergebnissen - davon ausgegangen werden, daß die Vermittlungstätigkeit der Angeklagten (siehe S 468, 472 dA) nach Annahme des Erstgerichtes sich darauf beschränkte, die am Erwerb von Bestandrechten an dem gegenständlichen Geschäftslokal interessierten Personen (Peter und Gerhard M***) mit dem Vertreter der Hauseigentümerin (Georg T***) zwecks Abschlusses eines Bestandvertrages zusammenzuführen. Damit fehlt es aber von vornherein an dem zur Erfüllung des Tatbestandes der Untreue (§ 153 StGB) erforderlichen Merkmal der Vertretungsmacht.

Schon deshalb war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden das angefochtene Urteil aufzuheben und eine Verfahrenserneuerung anzuordnen, zumal nach der Aktenlage die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, es könnten Feststellungen, die einen Schuldspruch (allenfalls auch in anderer Richtung) zu tragen vermögen, mängelfrei getroffen werden.

Sollten im erneuerten Verfahren Tatsachen nicht als erwiesen angenommen werden, die eine Unterstellung des inkriminierten Verhaltens der Angeklagten unter den § 153 StGB rechtfertigen, wird - über den Anklagevorwurf eines (allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die von Gerhard und Peter M*** geforderte und von ihnen erbrachte vertragliche Leistung nach den damaligen Marktverhältnissen als überhöht bezeichnet werden muß, denkbaren) Betruges hinaus - noch ein weiterer Aspekt ins Auge zu fassen sein. Wären nämlich die Angeklagten zunächst willens gewesen, den geforderten und vereinnahmten Mehrbetrag - wie gegenüber den neuen Mietern behauptet - dem Vormieter bzw. der Hauseigentümerin zufließen zu lassen, und hätten sie erst nach Eingang der Zahlung den Entschluß gefaßt, sich die in Rede stehenden Summen zuzueignen, dann käme auch eine Prüfung des Sachverhaltes unter dem Gesichtspunkt einer Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (erster Fall) StGB in Frage.

Von entscheidender Bedeutung wäre hiebei unter anderem, ob den beiden Angeklagten der (Teil-)Betrag von 184.000 S überhaupt anvertraut war. Ein Anvertrauen im Sinn des § 133 Abs. 1 StGB setzt neben der Überlassung des ausschließlichen Gewahrsams an einem Gut eine Rückstellungs- oder Verwendungsverpflichtung des Gewahrsamsempfängers voraus (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 4 zu § 133 StGB; Kienapfel, Grundriß, BT2, RN 25 zu § 133 StGB). Eine Sache ist somit (nur) dann anvertraut, wenn die Verfügungsgewalt über sie auf Grund eines Rechtsgeschäftes oder eines vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses mit der Verpflichtung erlangt wird, diese Verfügungsgewalt entsprechend einer vereinbarten Rückstellungs- oder Verwendungspflicht im Sinn des Gewaltgebers auszuüben, wobei die Sache wirtschaftlich gesehen weiterhin zum Vermögen des Übergebers gehört (Leukauf-Steininger2 RN 4 zu § 133 StGB).

In diesem Sinn wird zu bedenken sein, daß die Angeklagten nach den vom Erstgericht für glaubwürdig beurteilten (vgl. Ersturteil, S 471 dA) Angaben der Zeugen Peter und Gerhard M*** den Verwendungszweck des von den Zeugen insgesamt bezahlten Betrages von 505.000 S diesen Zeugen gegenüber im einzelnen aufschlüsselten.

Darnach sollte hiemit eine der Fa. Herbert L*** zustehende Vermittlungsprovision von 25.000 S beglichen und dem Vormieter Peter S*** eine Investitionsablöse von 156.000 S bezahlt werden. Der Restbetrag von 324.000 S sollte dem Vertreter der Hauseigentümerin (Georg T***) als (verbotene) Ablöse und somit als Entgelt für den Abschluß eines neuen Mietvertrages mit Peter und Gerhard M*** zukommen. In diesem Zusammenhang fällt auf, daß Peter und Gerhard M*** den Betrag von 505.000 S in vier Teilzahlungen entrichteten. Die ersichtlich für den Vormieter Peter S*** bestimmte Investitionsablöse von 156.000 S bezahlten sie in zwei Teilbeträgen, und zwar am 13.September 1984 mit 120.000 S und am 15. Oktober 1984 den Rest von 36.000 S (S 281 dA). An diesem Tag beglichen sie auch den ausdrücklich als "Provision" bezeichneten Betrag von 25.000 S sowie weitere 324.000 S mit der ausdrücklichen Zweckwidmung (S 281 dA) "für Mietrecht laut Mietvertrag für GL Laxenburgerstraße 106" (wohl richtig: 24). Dieser von der Fa. Herbert L*** übernommene Betrag war sohin zufolge seiner Widmung anscheinend für den Vermieter als Entgelt für die Unterfertigung eines neuen Mietvertrages bestimmt, wobei Georg T*** aber nur der (von ihm begehrte) Teilbetrag von 140.000 S tatsächlich zukam. Den Differenzbetrag von 184.000 S eigneten sich - zugegebenermaßen - die beiden Agneklagten an. Schließlich erklärte der Zeuge Peter M*** ausdrücklich (S 171 dA), daß in der Kanzlei L*** die Sache komplett abgewickelt worden sei und er (offensichtlich gemeint: der Angeklagte Herbert L***) die Weiterleitung der Beträge vornehmen sollte; denn seiner Ansicht nach sollte die Summe von 324.000 S der Hausinhabung zufließen.

Diese Verfahrensergebnisse könnten gegebenenfalls als Indiz für eine zweckgebundene Hingabe des Betrages von 324.000 S durch Peter und Gerhard M*** gewertet werden. In diesem Fall wäre jener Betrag von den Angeklagten Ralph G*** und Herbert L*** mit dem Auftrag zur Weiterleitung an den Vermieter übernommen, ein Teilbetrag von 184.000 S aber nicht seiner bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt worden.

In diesem Zusammenhang können sich auch die beiden Angeklagten nicht ohne weiteres auf die ihnen vom Vormieter Peter S*** eingeräumte "Option" vom 14.September 1984 (S 387 dA) berufen; machte doch die Fa. Herbert L*** Realitätenvermittlungs-GesmbH & Co KG von der ihr dort eingeräumten Möglichkeit zum Eintritt in das Mietverhältnis nicht erkennbar Gebrauch. Die beiden Angeklagten traten vielmehr gegenüber den Nachmietern Peter und Gerhard M*** ausdrücklich als Vermittler auf und wurden augenscheinlich nur in dieser Funktion tätig, wofür auch eine Vermittlungsprovision von 25.000 S verrechnet und von den Nachmietern bezahlt wurde.

Bemerkt sei noch, daß der von den Beschwerdeführern unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO vorgebrachte Einwand der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) schon deshalb nicht durchschlägt, weil von einer geringen Schuld der Angeklagten (§ 42 Z 1 StGB) nicht gesprochen werden kann. Mithin war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Mit ihren durch die Urteilsaufhebung gegenstandlos gewordenen Berufungen waren die beiden Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

Abschließend wird auf die Bestimmung des Art. XX Abs. 4 StrÄG 1987 hingewiesen.

Anmerkung

E17496

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00168.88.0516.000

Dokumentnummer

JJT_19890516_OGH0002_0110OS00168_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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