TE OGH 1989/6/6 15Os51/89 (15Os52/89)

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Veröffentlicht am 06.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Harald Peter V*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 sowie § 15 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen 1) die Unterlassung der unverzüglichen Verständigung des Vollzugsgerichtes von der Beschlußfassung auf Widerruf der bedingten Entlassung im Verfahren AZ 5 Vr 3288/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, 2) den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 14.Juni 1988, GZ 2 BE 167/87-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Gesetz wurde verletzt 1./ im Strafverfahren AZ 5 Vr 3288/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz durch den Vorgang, daß der Vorsitzende des Schöffengerichtes eine unverzügliche Verständigung dieses Gerichtes als Vollzugsgericht zum AZ 2 BE 167/87 vom Beschluß des Schöffengerichtes vom 17.Mai 1988, GZ 5 Vr 3288/87-84, unterließ, in der Bestimmung des § 494 a Abs. 7 erster Satz StPO; 2./ in der Strafvollzugssache AZ 2 BE 167/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz durch die Beschlußfassung dieses Gerichtes vom 14. Juni 1988, GZ 2 BE 167/87-21, in der Bestimmung des § 48 Abs. 3 StGB sowie in dem sich aus den §§ 180 Abs. 1, 17 Abs. 4 StVG und § 494 a Abs. 4 StPO ergebenden Verbot, nach aufrechter (wenn auch nicht rechtskräftiger) Beschlußfassung über den Widerruf einer bedingten Entlassung nochmals in dieser Sache zu entscheiden. Der zuletzt bezeichnete Beschluß ist unwirksam.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 17.Mai 1988, GZ 5 Vr 3288/87-83, wurde ua Harald Peter V*** des Verbrechens des (teils vollendeten, teils versuchten) schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 sowie § 15 StGB schuldig erkannt und gemäß § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt. Außerdem faßte der Schöffensenat gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO den gemeinsam mit dem Urteil verkündeten Beschluß auf Widerruf der vom Landesgericht für Strafsachen Graz mit dem Beschluß vom 19.Mai 1987, AZ 2 BE 167/87-4, verfügten bedingten Entlassung des Genannten aus den in den Verfahren AZ 7 Vr 975/82, 6 E Vr 3234/84 und 7 Vr 4893/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz und im Verfahren AZ U 690/84 des Bezirksgerichtes Hartberg verhängten Freiheitsstrafen (S 330 und 353 ff/III). Anläßlich der erst am 30.Mai 1988 der Geschäftsabteilung übergebenen Ausfertigung dieses Beschlusses verfügte der Vorsitzende des Schöffengerichtes, (erst) "nach Rechtskraft" jene Gerichte zu verständigen, deren Vorentscheidungen vom Widerrufsbeschluß betroffen waren (S 355/III).

Mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 16.August 1988, AZ 11 Bs 298/88 (= GZ 5 Vr 3288/87-113 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz) wurde der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufung gegen das eingangs genannte Urteil Folge gegeben und ua die über Harald Peter V*** verhängte Freiheitsstrafe auf ein Jahr erhöht. Da dies die - vom Oberlandesgericht Graz nicht im Entscheidungstenor ausgesprochene, aber in den Gründen betonte - Aufhebung des erstgerichtlichen Widerrufsbeschlusses zur Folge hatte, faßte das Rechtsmittelgericht gemäß § 494 a StPO, § 53 Abs. 1 StGB den - inhaltlich mit dem Beschluß des Erstgerichtes übereinstimmenden - neuerlichen Beschluß auf Widerruf der bedingten Entlassung des Harald Peter V*** aus der Verbüßung der Freiheitsstrafen aus den oben genannten Urteilen; V*** wurde mit seiner Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß auf diese Entscheidung verwiesen (S 432 ff/III).

Nach Rücklangen des Aktes AZ 5 Vr 3288/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz verfügte der Vorsitzende des Schöffensenates am 26. August 1988 die Verständigung jener Gerichte, deren Vorentscheidungen durch den nunmehr rechtskräftig ausgesprochenen Widerruf betroffen waren (Akt AZ 5 Ns 8/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz).

Inzwischen hatte das Landesgericht für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht ersichtlich in Unkenntnis des Widerrufes der in Rede stehenden bedingten Entlassung aus der Freiheitsstrafe mit dem Beschluß vom 14.Juni 1988, GZ 2 BE 167/87-21, die mit seinem Beschluß vom 19.Mai 1987 angeordnete bedingte Entlassung des Harald Peter V*** für endgültig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die im Zusammenhang mit der Verständigung vom Widerrufsbeschluß gewählte Vorgangsweise und der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 14.Juni 1988, GZ 2 BE 167/87-21, stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß § 494 a Abs. 7 StPO hat das erkennende Gericht alle Gerichte unverzüglich zu verständigen, deren Vorentscheidungen von einer Entscheidung nach § 494 a Abs. 1 StPO betroffen sind. Diese Verständigungspflicht soll sicherstellen, daß die Vorentscheidungs-Gerichte von einer ihre Entscheidungen betreffenden Verfügung des gemäß § 494 a Abs. 1 StPO dafür zuständig gewordenen erkennenden Gerichtes Kenntnis erhalten und - bezogen auf den hier aktuellen Fall des Widerrufes einer bedingten Entlassung - keine weitere Entscheidungskompetenz mehr in Anspruch nehmen. Dieser Zweck kann nur dann erreicht werden, wenn die Verständigungen sogleich nach der jeweiligen Entscheidung und ohne Rücksicht darauf erfolgen, ob diese in Rechtskraft erwachsen ist (14 Os 162, 163/88; 14 Os 181, 182/88). Durch die vom Vorsitzenden des Schöffensenates des Landesgerichtes für Strafsachen Graz gewählte Vorgangsweise, dieses Gericht als Vollzugsgericht zum Aktenzeichen 2 BE 167/87 nicht unverzüglich vom Widerrufsbeschluß vom 17.Mai 1988, sondern erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses zu verständigen, wurde das Gesetz in der Bestimmung des § 494 a Abs. 7 erster Satz StPO verletzt. Der (einer materiellen Rechtskraft fähige) Widerrufsbeschluß vom 17. Mai 1988, GZ 5 Vr 3288/87-84, war zwar am 14.Juni 1988 noch nicht rechtskräftig, unterlag aber nur mehr der Behebung oder Abänderung im Wege der in den Prozeßgesetzen vorgesehenen Rechtsmittel (oder Rechtsbehelfe) und war somit seit seiner Verkündung (§ 494 a Abs. 4 StPO) insoweit mit Bindungswirkung ausgestattet, als weder das erkennende Gericht noch ein anderes Gericht ohne vorangegangene Kassation dieses Beschlusses über denselben Gegenstand, nämlich den Widerruf der bedingten Entlassung aus Anlaß der neuerlichen Verurteilung des Angeklagten, neuerlich absprechen durfte. Die Beschlußfassung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 14.Juni 1988, GZ 2 BE 167/87-21, war somit - mag ihr auch kein prozessualer Fehler jenes Senates, der die Entscheidung traf, zugrunde liegen - unzulässig.

Dieser Feststellungsbeschluß konnte weder den schon vorher durch das zuständige Landesgericht für Strafsachen Graz als erkennendes Schöffengericht am 17.Mai 1988 wirksam beschlossenen und verkündeten Widerruf der bedingten Entlassung des Harald Peter V*** beseitigen noch sonst für ihn irgendwelche Rechtsfolgen erzeugen. Die konstitutive Wirkung des Widerrufsbeschlusses blieb vielmehr hievon unberührt. Der Beschluß des Vollzugsgerichtes erweist sich somit als rechtsunwirksam (EvBl. 1964/236; EvBl. 1952/409; KH 3553; zuletzt auch 14 Os 162, 163/88 und 14 Os 181, 182/88; vgl. auch RZ 1988/22).

Anmerkung

E17548

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00051.89.0606.000

Dokumentnummer

JJT_19890606_OGH0002_0150OS00051_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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